Zusammen. Warum wir für ein gutes Leben Verbündete brauchen und wie wir sie finden
Shownotes
Es ist paradox: Unsere Gesellschaft ist so stark digital vernetzt, dass es leicht ist, sich auch zwischenmenschlicher Ebene isoliert und ausgegrenzt zu fühlen. In einer Zeit, die von Krisen und Umbrüchen geprägt ist, wird Einsamkeit schnell gefährlich. Für den Kopf, den Körper und die Gesellschaft.
Ronja von Wurmb-Seibel hat sich in ihrem Buch „Zusammen” Zusammen: Warum wir für ein gutes Leben Verbündete brauchen – und wie wir sie findenmit Einsamkeit und Verbundenheit auseinandergesetzt. Warum wir für ein gutes Leben Verbündete brauchen – und wie wir sie finden“ zum Thema gemacht.
Sie nennt Beispiele:
In einer hochdigitalisierten Welt fehlten echte Verbundenheit und körperliche Nähe mit allen Sinnen.
Umbruchsphasen im Leben, wie beispielsweise Elternschaft, Umzug oder Verlust, können die Einsamkeit verstärken, insbesondere bei marginalisierten Gruppen. Wirtschaftliche und geopolitische Krisen sorgen außerdem bei vielen Menschen für ungeplante Umbrüche in ihrem Leben.
Einsamkeit fördert politisches Misstrauen und die Anfälligkeit für rechtsextreme Propaganda, da radikale Gruppen soziale Verbundenheit durch Abgrenzung schaffen.
Einsamkeit, so die Autorin, ist auch eine Warnung: „Einsamkeit ist ein Signalgefühl, ähnlich wie Hunger, das uns sagt, dass wir mehr Verbundenheit brauchen.“ Im Dialog mit Moderatorin Silvia Feist zitiert sie aus ihren Recherchen und macht deutlich, dass Einsamkeit verheerende Auswirkungen hat – oder besser gesagt – dass Gemeinschaft und Zugehörigkeit elementare Bestandteile eines gesunden und guten Lebens sind. Sie sagt, dass die Qualität unserer sozialen Beziehungen größeren Einfluss auf unsere Gesundheit hat als alle anderen Faktoren – sogar mehr als Rauchen, Bildung oder Schichtzugehörigkeit.
**Wie können wir uns aus der Einsamkeit lösen? Und wie gestalten wir eine Zukunft, in der weniger Menschen vereinsamen? **
Die Kommunalpolitikerin zeigt in der Folge viele Ansätze für mehr Verbundenheit auf:
- Gehe regelmäßig vor die Tür und sprich Menschen an, denn auch kleine Begegnungen stärken das Wohlbefinden.
- Pflege ein Hobby und lade gezielt andere dazu ein. So entstehen neue soziale Netzwerke.
- Trainiere den Mut für kleine Schritte, wie das Anlächeln von Menschen oder das Einladen zum Austausch. Mut ist ein Muskel, der wächst.
Erkenne Einsamkeit als gemeinsames gesellschaftliches Problem und fordere aktiv Räume ein, in denen Menschen ohne Konsumzwang zusammenkommen können, zum Beispiel öffentliche Plätze, Schwimmbäder oder Büchereien.
Wenn du weitere Tipps für mehr Verbundenheit suchst oder wissen möchtest, oder wissen möchtest, was Social Prescribing ist, dann hör’ rein!
**Weiterführende Links: **
Buch von Ronja von Wurmb-Seibel: "Zusammen" von Ronja von Wurmb-Seibel (2024)
[Unser Interview mit Ronja von Wurmb-Seibel:](https://www.her-career.com/einsamkeit-ist-ein-thema-das-uns-als-gesellschaft-angeht/ Homepage der Autorin: https://vonwurmbseibel.com/)
_Social Prescribing in Deutschland: _ Pilotprojekt "Social Prescribing EU"
_Organisationen gegen Einsamkeit und für soziale Teilhabe in Deutschland: _ Kompetenznetz Einsamkeit (KNE), Vernetzung von Forschung und Prävention TelefonSeelsorge Deutschland e.V.
Über herCAREER Voice
Der Podcast herCAREER Voice liefert wertvolle Einblicke in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, immer verknüpft mit persönlichen Erfahrungen und vor allem aus weiblicher Perspektive. Wechselnde Moderator:innen und Gäst:innen aus unterschiedlichen Unternehmen, Redaktionen und Arbeitsumfeldern bieten vielseitige und praxisnahe Erfahrungswerte für die Hörer:innen. https://www.her-career.com/podcastherCAREER ist die führende Plattform für die weibliche Karriere. Hier erwartet dich ein einzigartiges Netzwerk mit individuellen Job-Chancen und jede Menge inspirierender Content wie Podcasts, Vorträge und Panels live auf herCAREER Expo oder online im Rahmen unserer herCAREER Academy. Wir heißen alle Menschen willkommen – im Besonderen Frauen, denen wir die Chance geben, von diesem besonderen Möglichkeitsraum zu profitieren. https://www.her-career.com
Dieses Gespräch wurde im Rahmen der herCAREER Expo 2025 aufgezeichnet und als Podcast aufbereitet. Mehr über die herCAREER Expo unter www.her-career.com/expo
Projektleitung: Natascha Hoffner Redaktion: Kristina Appel Produktion: Bernhard Hiergeist
Transkript anzeigen
00:00:00: Ich habe überhaupt kein Bild vor
00:00:01: Augen, wenn ich an Demokratie denke.
00:00:03: Das ist einfach so ein: Oh
00:00:04: Demokratie, wichtig!
00:00:05: Und ich finde dieses Bild sehr
00:00:06: hilfreich, dass eine Demokratie aus
00:00:08: ganz, ganz, ganz vielen
00:00:10: Mini-Demokratien besteht.
00:00:12: Familie, Vereine, Schulklassen,
00:00:14: alle Orte, wo wir mit Menschen
00:00:15: zusammen sind.
00:00:15: Und je stärker diese
00:00:17: Mini-Demokratien sind, desto stärker
00:00:18: ist auch unsere große Demokratie als
00:00:20: Ganzes.
00:00:32: Willkommen beim HerCareer-Podcast.
00:00:34: Du interessierst dich für aktuelle
00:00:36: Diskurse aus Wirtschaft,
00:00:38: Wissenschaft, Politik und
00:00:39: Gesellschaft und das insbesondere
00:00:41: aus einer weiblichen Perspektive?
00:00:43: Vielleicht wünscht du dir
00:00:43: persönliche Einblicke in den
00:00:45: Arbeitsalltag von Menschen und
00:00:46: Unternehmen, die sich dem
00:00:47: gesellschaftlichen und
00:00:48: wirtschaftlichen Wandel stellen?
00:00:50: Dann bist du hier genau richtig.
00:00:56: Einsamkeit macht krank.
00:00:58: Zusammensein ist gut für die
00:01:00: Gesundheit. Einsamkeit kann
00:01:01: radikalisieren.
00:01:03: Zusammensein dagegen stärkt die
00:01:05: Demokratie.
00:01:05: Das weiß auch die Autorin und
00:01:07: neuerdings Kommunalpolitikerin
00:01:09: Ronja von Wurmb-Seibel.
00:01:11: Warum wir für ein gutes Leben
00:01:12: Verbündete brauchen und wie wir die
00:01:14: auch finden, das hat sie live
00:01:16: auf der HerCareer erzählt.
00:01:27: Ich bin Sylvie, ich freue mich
00:01:29: sehr, dass ich hier mit euch auf
00:01:31: der HerCareer bin.
00:01:33: Und auf jeden Fall freue ich mich
00:01:35: noch sehr viel mehr, dass ich hier
00:01:36: mit Ronja bin.
00:01:37: Ronja von Wurmb-Seibel,
00:01:40: ich finde es schön, dass wir hier
00:01:41: zusammen sind.
00:01:42: Das betone ich so,
00:01:44: weil, wie ihr ja auf dem Buchtitel
00:01:46: schon sehen könnt, darum geht
00:01:48: es heute: "Zusammen.
00:01:50: Warum wir für ein gutes Leben
00:01:51: Verbündete brauchen und wie wir
00:01:53: sie finden." Du bist Autorin,
00:01:56: Filmemacherin.
00:01:57: Noch relativ frisch Mutter, also
00:01:59: euer Kind ist noch recht klein.
00:02:01: Du bist aus Bayern in
00:02:04: die Welt gezogen,
00:02:06: warst zwei Jahre in Afghanistan und
00:02:08: hast dort inmitten schlechter
00:02:10: Nachrichten auch immer wieder
00:02:12: Geschichten gefunden, die Mut
00:02:13: machen, was ja schon eine
00:02:15: Kunst an sich ist.
00:02:16: Du bist zurück in die Heimat
00:02:18: gekommen und betreibst in
00:02:20: Dünzelbach mit deinem Partner ein
00:02:21: Gästehaus für Künstler:nnen.
00:02:23: Du bist der Region so verbunden,
00:02:26: dass du in Fürstenfeldbruck
00:02:28: als Landrätin kandidierst.
00:02:30: So ist es.
00:02:32: Und dass du Mut und Zuversicht hast,
00:02:33: wird auch hier den Letzten klar,
00:02:35: wenn sie hören, dass du in
00:02:37: Bayern für die Grünen kandidierst.
00:02:40: Ronja, dein Buch beschreibt ein
00:02:41: Paradox. Wir sind total vernetzt
00:02:44: und gleichzeitig sind heute
00:02:46: so viele Menschen einsam,
00:02:48: dass die Wissenschaft von der
00:02:50: größten Volkskrankheit spricht und
00:02:51: nicht nur bei uns.
00:02:52: Was ist diese Einsamkeit?
00:02:54: Ja, Einsamkeit, das fand ich selber
00:02:56: bei den Recherchen auch ganz
00:02:57: spannend, ist gar nicht so leicht
00:02:59: zu definieren.
00:03:00: Also wir können jetzt nicht von
00:03:01: außen sagen, ah, diese Person
00:03:03: lebt alleine, dann ist sie bestimmt
00:03:04: ganz einsam oder vielleicht
00:03:06: so der Klassiker, die ist ja schon
00:03:07: älter oder noch ganz jung oder so,
00:03:09: sondern Einsamkeit ist wirklich ein
00:03:11: sehr individuelles Gefühl.
00:03:13: Eigentlich, wenn man es jetzt ganz
00:03:14: banal sagt, wenn wir weniger soziale
00:03:17: Verbundenheit verspüren, als wir uns
00:03:18: das wünschen. Das ist ein Gefühl von
00:03:20: Einsamkeit.
00:03:21: Wir alle kennen Einsamkeit, also es
00:03:22: ist ein ganz normales, menschliches
00:03:24: Gefühl, das wir alle haben.
00:03:26: Es ist ein sogenanntes Signalgefühl,
00:03:28: das heißt, am besten, finde ich,
00:03:29: wird es klar, wenn man es mit Hunger
00:03:30: beschreibt. Wenn wir Hunger haben,
00:03:32: ist es ein Gefühl, das uns sagt,
00:03:33: hey, du brauchst Essen, du brauchst
00:03:35: Nahrung.
00:03:35: Ganz ähnlich ist es bei Einsamkeit,
00:03:37: das ist ein sogenanntes
00:03:38: Signalgefühl, das dir sagt, hey, du
00:03:39: brauchst mehr Verbundenheit, du
00:03:41: brauchst mehr Austausch mit
00:03:42: Menschen. Wie auch immer.
00:03:44: Kann ja auch mit der Natur sein oder
00:03:45: sowas. Ganz wichtig ist eben, dass
00:03:46: wir es wirklich von außen nicht
00:03:48: erkennen können.
00:03:49: Was ein bisschen tricky ist, wenn es
00:03:50: dann darum geht, was wir eigentlich
00:03:51: dagegen tun können.
00:03:52: Aber tatsächlich können wir selber
00:03:53: nur für uns definieren, wie sehr wir
00:03:55: uns einsam fühlen oder nicht.
00:03:57: Wer ist denn besonders von diesem
00:03:59: Gefühl betroffen?
00:04:00: Also es gibt tatsächlich nicht so
00:04:02: per se eine Kategorie von einsamen
00:04:03: Menschen und nicht einsamen
00:04:04: Menschen. Wir können es uns eher so
00:04:06: vorstellen, Menschen, die in
00:04:07: Umbruchsphasen sind, sind besonders
00:04:09: betroffen. Also das kann sein nach
00:04:11: dem Schulabschluss, das kann sein
00:04:12: beim Eintritt ins Rentenalter, das
00:04:14: kann sein, wenn man das erste Mal
00:04:16: Eltern wird und plötzlich der Alltag
00:04:18: komplett anders ausschaut und das
00:04:19: ganze Leben und die Identität
00:04:20: vielleicht auch.
00:04:21: Also immer so Phasen, wenn man
00:04:23: umzieht, wo sich so ein großer
00:04:24: Umbruch andeutet oder wenn man eine
00:04:26: Person verliert vielleicht, wenn
00:04:27: jemand stirbt, jemand Geliebtes.
00:04:29: Das ist das eine.
00:04:30: Und dann gibt es gesellschaftlich
00:04:31: noch, ist vielleicht auch logisch,
00:04:33: aber glaube ich trotzdem wichtig,
00:04:34: noch mal zu betonen: Also die
00:04:35: Menschen, die sowieso marginalisiert
00:04:37: sind in unserer Gesellschaft, sind
00:04:39: auch von Einsamkeit statistisch
00:04:41: gesehen häufiger betroffen.
00:04:43: Genau, also das fängt an bei
00:04:45: uns Frauen, bei kranken Menschen,
00:04:47: bei zugewanderten Menschen.
00:04:48: Also könnte ich jetzt alle möglichen
00:04:49: Kategorien aufzählen, aber diese
00:04:51: Menschen sind eben besonders
00:04:52: betroffen. Heißt nicht, dass sie
00:04:54: immer einsam sind, aber ja,
00:04:55: vielleicht einmal zu wissen, was
00:04:56: sind eigentlich so Risikofaktoren.
00:04:58: Und was ich noch total spannend fand
00:05:00: oder finde, dass es nicht nur
00:05:02: so diese menschliche soziale
00:05:03: Einsamkeit gibt, sondern es gibt
00:05:04: tatsächlich auch eine politische
00:05:06: Einsamkeit. Das heißt, wenn ich das
00:05:07: Gefühl habe, meine Interessen,
00:05:09: meine Perspektiven, meine
00:05:10: Bedürfnisse, die hört da
00:05:12: oben niemand, da kümmert sich
00:05:14: niemand drum, dann kann das
00:05:15: tatsächlich auch ein
00:05:16: Einsamkeitsgefühl erzeugen.
00:05:18: Und da gibt es sogar eine Zahl, die
00:05:19: ist sogar schon ein paar Jahre alt,
00:05:20: ich fürchte inzwischen, ist sie noch
00:05:22: schlechter, dass 50 Prozent
00:05:24: der Menschen - in Demokratien
00:05:25: wohlgemerkt - sich nicht gehört
00:05:27: fühlen. Also das wäre dann so dieses
00:05:29: politische Einsamkeit.
00:05:31: Die Zahl ist, dass es vor allem bei
00:05:33: jungen Menschen so angestiegen ist.
00:05:35: Spielen da soziale Medien eine
00:05:37: Rolle? Das ist ja Teil dieses
00:05:39: Paradoxes, dass wir eigentlich die
00:05:40: ganze Zeit Whatsapp, Insta,
00:05:43: Messages austauschen
00:05:45: und verbunden sind, aber eben
00:05:47: trotzdem den anderen
00:05:49: nicht sehen, nicht direkt hören,
00:05:52: nicht zusammensitzen einfach.
00:05:54: Also Social Media haben da
00:05:56: eigentlich so eine zwiegespaltene Rolle
00:05:57: aus meiner Sicht.
00:05:58: Zum einen sind sie natürlich gut, um
00:05:59: sich zu vernetzen, um sich
00:06:00: vielleicht auch in Kontakt zu
00:06:02: halten. Viele von uns wohnen ja
00:06:03: nicht mehr in der gleichen Stadt
00:06:04: oder nicht mal mehr im gleichen Land
00:06:06: oder im gleichen Kontinent.
00:06:07: Und dann ist es natürlich toll, wenn
00:06:09: wir Möglichkeiten haben, Social
00:06:11: Media oder Video-Calls zu machen
00:06:12: oder all diese Sachen.
00:06:14: Aber, und das ist ganz wichtig zu
00:06:15: wissen, unser Körper schüttet sehr
00:06:17: viele Hormone aus, wenn wir
00:06:19: tatsächliche Verbundenheit
00:06:21: verspüren oder wenn wir mit Menschen
00:06:22: zusammenkommen.
00:06:23: Und dieser Hormonausstoß, also das
00:06:25: heißt unter anderem, stärkt es unser
00:06:27: Immunsystem, es macht uns einfach
00:06:28: glücklich, es macht unsere
00:06:30: psychische und körperliche
00:06:31: Gesundheit besser, wir leben länger.
00:06:33: Also diese ganzen Funktionen, die
00:06:34: unser Körper produzieren kann,
00:06:36: die werden vor allem dann
00:06:38: ausgeschüttet, wenn wir uns in echt
00:06:39: sehen. Und warum?
00:06:41: Weil dann unsere ganzen fünf
00:06:43: Sinne angesprochen werden.
00:06:44: Also es gibt so diesen Ausdruck der
00:06:46: fünf Sinne, Friends quasi,
00:06:48: das heißt, wenn wir uns...
00:06:49: über Medien, können wir uns immer
00:06:51: nur sehen und hören.
00:06:52: Wenn wir uns jetzt so treffen wie
00:06:54: hier, können wir uns unter Umständen
00:06:55: riechen, wir können uns anfassen,
00:06:57: wir können uns die Hand schütteln,
00:06:58: umarmen, wir können vielleicht
00:06:59: schmecken, wenn wir gemeinsam was
00:07:00: essen oder kochen.
00:07:02: Und wenn alle diese fünf Sinne
00:07:03: aktiviert sind, dann ist unser
00:07:04: Körper quasi, ja dann geht es
00:07:06: so richtig los mit diesem
00:07:08: Hormonausstoß.
00:07:09: Also das finde ich ganz wichtig,
00:07:10: jetzt gar nicht, um Social Media per
00:07:11: se zu verteufeln, sondern um zu
00:07:12: sagen, vielleicht wenn wir merken,
00:07:14: hey es gibt so Beziehungen, wo wir
00:07:16: uns angewöhnt haben, irgendwie
00:07:17: machen wir fast nur noch Videocalls
00:07:18: zum Beispiel, dann zumindest zu
00:07:20: sagen, hey, lass mal versuchen, ab
00:07:22: und zu auch wieder in echt
00:07:23: zusammenzukommen und
00:07:25: gesellschaftlich gesprochen halt
00:07:26: ganz wichtig, immer wieder Räume zu
00:07:28: schaffen, wo wir uns wirklich in
00:07:30: echt treffen können, mit all unseren
00:07:32: Sinnen eben.
00:07:33: In meiner Generation war
00:07:35: Telefonieren noch so ein Thema und
00:07:38: ich erinnere mich, dass ich mich mal
00:07:39: verwählt habe.
00:07:41: Ich hatte dann aber trotzdem
00:07:42: jemanden dran, den ich kenne,
00:07:44: weil ich einfach zwei Nummern
00:07:45: durcheinander geworfen habe.
00:07:46: Und mein kleiner Bruder sagte,
00:07:48: ach, ich dachte,
00:07:50: du kannst anrufen, wen du willst,
00:07:52: kennst du sowieso.
00:07:54: Und heute telefoniert man nicht
00:07:56: mehr, sondern man schickt sich
00:07:57: Messages.
00:07:58: Das heißt,
00:08:00: einerseits ist es nicht so
00:08:01: intruding, der andere hat die
00:08:03: Gelegenheit, wann höre ich das
00:08:04: wirklich ab, beziehungsweise die
00:08:06: andere, aber es ist
00:08:08: einfach auch nur noch, ich bin nur
00:08:09: noch Sender, es ist nicht Sender
00:08:11: und Empfänger, ich bekomme nicht
00:08:13: sofort eine Antwort, ich reagiere
00:08:14: nicht.
00:08:15: Wie erlebst du das,
00:08:17: wie ist es?
00:08:19: Sehr unterschiedlich. Ich telefoniere
00:08:20: tatsächlich noch manchmal, auch
00:08:22: nicht so viel wie früher, aber schon
00:08:24: noch ab und zu.
00:08:25: Und ich versuche tatsächlich, so oft
00:08:26: es geht, Menschen in echt zu
00:08:28: treffen. Ich habe natürlich auch ein
00:08:29: Handy, bei mir blinkt auch die ganze
00:08:31: Zeit, aber ich versuche tatsächlich,
00:08:33: wenn es irgendwie geht, es etwas
00:08:34: weiter weg von mir zu haben und dann
00:08:36: eher zu antworten und eher zu sagen,
00:08:37: komm lass uns mal treffen, lass es
00:08:39: mal irgendwie so besprechen.
00:08:40: Es klappt so mittelgut, also mal
00:08:41: klappt es besser, mal weniger gut,
00:08:42: aber... Ja, also ich persönlich
00:08:44: denke immer so, es bringt jetzt gar
00:08:46: nicht eine Sache so zu verteufeln,
00:08:48: weil sie ist nun mal da.
00:08:49: Es macht ja offensichtlich auch
00:08:50: vieles einfacher in unserem Alltag,
00:08:51: sonst würden wir es nicht so nutzen.
00:08:53: Klar, die sind auch ein bisschen
00:08:54: programmiert, dass sie uns süchtig
00:08:55: machen, aber es macht auch vieles
00:08:56: einfacher.
00:08:57: Und ich finde dann eigentlich, mein
00:08:59: Weg ist immer so zu schauen, okay,
00:09:00: wie können wir selber das in unserem
00:09:02: Verhalten ein bisschen anpassen,
00:09:04: damit wir eben mehr von diesen
00:09:05: eigentlich Superkräften bekommen,
00:09:07: die wir Menschen haben, dass wir uns
00:09:08: wirklich... Wir wissen aus der
00:09:10: Forschung, dass wenn wir uns
00:09:11: anlächeln oder wirklich ein, zwei
00:09:12: Sätze austauschen, dass unser
00:09:14: Adrenalin, also unser Glücksgefühl
00:09:16: messbar steigt.
00:09:17: Also das finde ich irre, dass wir
00:09:18: wirklich, dagegen können wir uns
00:09:20: auch gar nicht wehren. Selbst wenn
00:09:21: wir in dem Moment denken, was lacht
00:09:22: die jetzt so blöd?
00:09:23: Die andere Person, aber trotzdem tut
00:09:25: es unserem Körper gut.
00:09:26: Und das ist eben, finde ich, so eine
00:09:27: Superkraft, die wir als Menschen
00:09:28: eigentlich haben und die eben
00:09:30: eher aktiviert wird, wenn wir uns
00:09:32: vor Ort treffen.
00:09:33: Ich muss jetzt hier mal die triste
00:09:34: Wahrheit ins Spiel bringen,
00:09:37: denn Einsamkeit hat auch
00:09:39: Effekte für die Gesundheit.
00:09:41: Was ist die Gefahr?
00:09:43: Es gibt eine Studie von der
00:09:44: Harvard-Universität, die seit mehr
00:09:46: als 80 Jahren läuft, bei der sich
00:09:48: die Forschenden zu Beginn gefragt
00:09:49: haben, nicht, was macht uns krank,
00:09:51: sondern was macht uns eigentlich
00:09:52: gesund, was damals wirklich eine
00:09:54: revolutionäre Frage nahezu
00:09:56: war, weil die eigentlich keiner
00:09:57: gestellt hat, sondern damals wurde
00:09:58: sehr viel geschaut, was macht uns
00:09:59: denn krank, was schadet uns.
00:10:01: Und die haben dann eben im Laufe,
00:10:03: die läuft jetzt in der dritten, also
00:10:05: die haben ganz konkrete Menschen ihr
00:10:07: ganzes Leben lang beobachtet quasi.
00:10:09: Und die haben rausgefunden und waren
00:10:10: selber wirklich überrascht und ich
00:10:12: glaube man kann sogar fast sagen
00:10:13: geschockt von dem Ergebnis,
00:10:15: das Nummer-eins-Kriterium
00:10:17: für wie lang wir leben, wie
00:10:18: glücklich wir sind und wie gesund
00:10:20: wir leben, ist die Qualität unserer
00:10:22: sozialen Beziehungen.
00:10:23: Und jetzt anders gesprochen, wenn
00:10:25: wir uns sehr einsam fühlen, dann ist
00:10:27: das tatsächlich, die Forscherinnen
00:10:28: haben den Vergleich gezogen, in etwa
00:10:30: eine Gesundheitsschädigung von 15
00:10:32: Zigaretten am Tag.
00:10:33: Das heißt jetzt nicht, wenn ich mal
00:10:34: einen einsamen Tag habe oder so,
00:10:36: keine Sorge, aber wenn ich wirklich
00:10:38: so vereinsamt bin.
00:10:39: Also wenn ich merke, es gibt in
00:10:40: meinem Leben keine Person, der ich
00:10:42: anvertrauen kann, wenn es mir nicht
00:10:44: gut geht. Wenn ich eine Krise habe,
00:10:45: ich habe keinen Menschen, den ich
00:10:46: anrufen kann, das meint Einsamkeit.
00:10:48: Wir brauchen auch nicht zehn beste
00:10:50: Freunde oder Freundinnen, sondern es
00:10:51: geht wirklich darum, sag ich mal,
00:10:53: eine Person zu haben, wo wir wissen,
00:10:54: hey, wenn irgendwas ist, da kann ich
00:10:56: mich melden. Das ist schon mal was.
00:10:57: Aber wenn wir wirklich so ganz stark
00:10:59: vereinsamt sind, dann ist das
00:11:00: tatsächlich, ich benutze, würde
00:11:02: jetzt, also die Forschenden sagen,
00:11:03: es ist tödlich. Ich würde es nicht
00:11:04: so nennen, es ist sehr
00:11:05: gesundheitsschädigend, aber sie
00:11:07: vergleichen es eben mit 15
00:11:08: Zigaretten am Tag.
00:11:10: Anders gesagt, und das finde ich ist
00:11:11: das Tolle an dieser Studie, dass sie
00:11:13: sagen, mehr als alle anderen
00:11:15: Faktoren, mehr als Bildung, mehr als
00:11:17: unsere soziale Schicht, mehr
00:11:18: als die Frage, ob wir,
00:11:21: weiß ich nicht, ob wir eben rauchen
00:11:22: oder nicht oder, ob wir Alkohol
00:11:23: trinken oder all diese Sachen,
00:11:25: entscheidet eben wirklich die
00:11:26: Qualität unserer Beziehungen.
00:11:27: Und das gibt es so weit, dass wir
00:11:29: eben messen konnten, dass selbst bei
00:11:31: solchen Dingen wie einer
00:11:32: Krebserkrankung Menschen, die ein
00:11:34: stabiles soziales Netz haben,
00:11:35: eine höhere Wahrscheinlichkeit
00:11:37: haben, zu überleben.
00:11:38: Also das heißt, da geht es wirklich
00:11:40: um, es ist kein nice to have
00:11:42: irgendwie, Zusammenhalt und
00:11:43: Verbundenheit zu haben, sondern da
00:11:44: geht es wirklich um
00:11:47: Gesundheitsvorsorge, Altersvorsorge.
00:11:48: Katastrophenschutz, wenn man es
00:11:49: jetzt gesellschaftlich sieht.
00:11:50: Also all diese Dinge, die, wo wir
00:11:52: uns glaube ich schon als
00:11:53: Gesellschaft noch immer wieder
00:11:54: fragen, so um Himmels willen, wie
00:11:55: kriegen wir das denn hin, ist in
00:11:56: vielen Dingen Zusammenhalt, also
00:11:58: quasi das Gegenstück zur Einsamkeit
00:12:00: tatsächlich eine große Antwort
00:12:02: auf jeden Fall.
00:12:03: Jetzt haben wir ein bisschen auf
00:12:05: dem individuellen Level gesprochen,
00:12:08: aber man weiß heute ja auch,
00:12:10: dass Einsamkeitsgefühle und viele
00:12:12: Menschen, die sich einsam fühlen,
00:12:14: durchaus auch eine Gefahr für die
00:12:15: Gesellschaft und für den
00:12:17: Zusammenhalt sind.
00:12:18: Was weiß man da?
00:12:20: Wir wissen aus der Forschung und
00:12:21: zwar ganz aktuell, das sind Studien
00:12:23: z.B. aus den USA, von der ersten
00:12:25: Wahl von Trump, aber auch Studien
00:12:27: aus Deutschland, dass wiederum
00:12:29: statistisch gesehen Menschen, die
00:12:31: sich sehr stark vereinsamt fühlen,
00:12:33: dass die sehr empfänglich sind für
00:12:34: rechtsradikale Propaganda.
00:12:36: Und zwar funktioniert es so, wenn
00:12:38: wir als Mensch uns jetzt sehr stark
00:12:40: einsam fühlen, dann macht unser
00:12:42: Körper, gibt eigentlich so richtig
00:12:43: Alarm.
00:12:44: Weil evolutionsbedingt brauchen wir
00:12:46: andere Menschen. Also wir brauchen sie
00:12:47: heute immer noch, aber heute glaube
00:12:48: ich ist es nicht mehr so sichtbar,
00:12:50: dass wir ohne andere Menschen
00:12:51: tatsächlich nicht überleben können.
00:12:52: De facto können wir ohne andere
00:12:53: Menschen auch heute nicht überleben.
00:12:55: Aber früher war das natürlich noch
00:12:56: viel unmittelbarer so.
00:12:57: Also wir haben unsere Gesellschaft
00:12:59: wirklich, wirklich, wirklich
00:12:59: gebraucht, um von einem Tag zum
00:13:01: nächsten zu kommen.
00:13:02: Und unser Körper hat das noch
00:13:03: abgespeichert, der weiß das noch.
00:13:05: Das heißt, wenn wir wirklich so
00:13:06: vereinsamen, ist unser Körper
00:13:08: eigentlich in so einem
00:13:09: Überlebensmodus, in so einem
00:13:10: Alarmzustand.
00:13:11: Und was damit einhergeht, ist ein
00:13:13: großes Misstrauen.
00:13:14: Deswegen ist es für viele Menschen
00:13:15: auch so schwer, diese Einsamkeit zu
00:13:17: überwinden, weil wir eben plötzlich
00:13:19: misstrauisch sind gegenüber Menschen.
00:13:20: Aber auch gegen demokratische
00:13:22: Institutionen, gegenüber der
00:13:23: Regierung, also gegen all diese
00:13:25: Dingen, die unsere Gesellschaft ja
00:13:27: zumindest in Teilen irgendwie prägen
00:13:28: und stützen.
00:13:29: Noch dazu kommt, dass rechtsradikale
00:13:32: Gruppierungen das sehr schnell
00:13:33: verstanden haben und entsprechend
00:13:35: darauf eingehen.
00:13:36: Also wie machen sie das, indem sie,
00:13:38: Trump zum Beispiel spricht immer von
00:13:40: "unter seinen Leuten", wir sind eine
00:13:42: Familie, also dieses "wir halten
00:13:43: zusammen", Verbundenheit,
00:13:45: tatsächlich auch diese Worte.
00:13:46: Die AfD macht das auch.
00:13:48: Also das ist so eine Strategie,
00:13:50: die die fahren und das
00:13:52: heißt, da fühlen sich dann nicht
00:13:53: alle, aber statistisch gesehen eben
00:13:55: viele Menschen davon sehr
00:13:56: angesprochen, angezogen und
00:13:57: gleichzeitig setzt dann aber so eine
00:13:59: negative Spirale eigentlich ein,
00:14:01: weil Menschen, die sich
00:14:02: radikalisieren, rechtsextremes
00:14:05: Gedankengut aufnehmen und auch
00:14:06: selber dann verbreiten,
00:14:08: die haben es natürlich noch
00:14:09: schwieriger, im Rest der
00:14:10: Gesellschaft Anschluss zu finden.
00:14:11: Das heißt, die vereinsamen
00:14:12: eigentlich noch viel stärker.
00:14:14: Und jetzt könnte man ja sagen, ja
00:14:15: gut, aber die haben ja da ihre
00:14:16: Verbundenheit, ist doch gut, dann
00:14:17: sind sie nicht mehr einsam.
00:14:18: Da gibt es leider und zum Glück
00:14:19: vielleicht ein großes Aber,
00:14:21: weil Verbundenheit, die darauf
00:14:23: aufgebaut ist, dass sie auf
00:14:25: dem Hass auf andere Menschen
00:14:26: basiert, das merken wir tatsächlich,
00:14:28: weil wir ja merken, sobald wir jetzt
00:14:30: eine Meinung äußern würden, die
00:14:32: anders ist, oder sobald wir selber
00:14:33: plötzlich in eine Kategorie fallen,
00:14:35: die da missfällt, dann sind wir
00:14:37: da raus aus der Gesellschaft.
00:14:38: Das heißt, das ist für unseren
00:14:39: Körper eigentlich weiterhin noch
00:14:41: bedrohlich. Das ist jetzt nicht die
00:14:42: Verbundenheit, die wir uns als
00:14:43: Gesellschaft wirklich wünschen
00:14:46: quasi. Also das ist ganz wichtig,
00:14:47: dass eben tatsächlich: Diese echte
00:14:49: Verbundenheit basiert darauf, dass
00:14:50: wir uns verletzbar zeigen können,
00:14:52: dass wir uns tatsächlich so zeigen
00:14:53: können, wie wir sind als Menschen
00:14:55: und so akzeptiert werden.
00:14:56: Und das ist natürlich in diesen
00:14:57: Gruppierungen oder in diesem Umfeld,
00:15:00: da ist das nicht so.
00:15:03: Als dein Buch erschienen ist, war
00:15:04: Donald Trump noch gar nicht
00:15:05: wiedergewählt und
00:15:07: die Zeit hat sich ja unglaublich
00:15:10: schnell verschoben und verändert.
00:15:12: Also es ist gerade wirklich
00:15:13: beängstigend und wie du schon sagst,
00:15:15: also der Maga-Bewegung, "Make
00:15:17: America Great Again", ist es
00:15:19: sehr gut gelungen, dieses Wir-Gefühl
00:15:20: zu schaffen. Aber das ist eben ein
00:15:22: Wir-Gefühl, das ganz stark auf
00:15:23: diesem "wir gegen die"
00:15:25: beruht.
00:15:26: Was man dann jetzt ja merkt,
00:15:28: wenn er national gerade
00:15:31: also die Army darauf
00:15:33: einschwört, dass der Feind im Inneren
00:15:34: ist und die Nationalgarde jetzt
00:15:36: nach Chicago entsenden will.
00:15:38: Bei uns sind die Gräben noch
00:15:40: nicht ganz so tief, aber auch heute
00:15:41: ist in der Süddeutschen die
00:15:43: Geschichte, dass die Tories gerade
00:15:44: versuchen, die besseren Populisten
00:15:46: zu werden als Nigel Farage,
00:15:48: um wieder Land gut zu machen.
00:15:50: Was können wir tatsächlich tun?
00:15:53: Im Grunde genommen, wie finden wir
00:15:55: diese Verbündeten, damit diese
00:15:57: Gräben nicht so tief werden und wir
00:15:59: immer wieder Verbindungen
00:16:01: auch über die Gräben hinweg
00:16:02: schaffen?
00:16:03: Also dazu will ich vorwegschicken,
00:16:05: das habe ich nämlich vor zwei oder
00:16:06: drei Tagen gelesen, dass es jetzt
00:16:07: gerade eine ganz aktuelle Studie
00:16:09: dazu gibt, dass wir eigentlich gar
00:16:10: nicht so gespalten sind in
00:16:11: Deutschland, wie wir denken.
00:16:12: Also zu vielen politischen Themen
00:16:14: haben Menschen, also sowas wie
00:16:16: Klimaschutz oder Menschenrechte sind
00:16:18: eigentlich eine große Mehrheit der
00:16:19: Menschen, sind immer noch für diese
00:16:20: Rechte, aber dadurch, dass politisch
00:16:22: immer von Spaltung gesprochen wird
00:16:23: und medial auch sehr viel denken,
00:16:25: also empfinden das dann auch viele
00:16:26: Menschen so, dass wir sehr gespalten
00:16:28: sind, aber tatsächlich will ich
00:16:30: zumindest einmal sagen, dass wir das
00:16:31: auch ein bisschen anders sehen
00:16:32: können, und glaube ich große
00:16:33: Konfliktlinien bei
00:16:35: gesellschaftlichen Themen auch immer
00:16:36: schon so waren, also auch in den
00:16:37: 60er Jahren zum Beispiel oder so.
00:16:39: Aber was wir natürlich tun können
00:16:41: als Verbundenheit, da gibt es
00:16:42: wahnsinnig vieles.
00:16:43: Also auf individueller Ebene
00:16:45: tatsächlich, das klingt so banal,
00:16:46: war aber der Tipp, den ich bei all
00:16:48: meinen Recherchen am meisten gelesen
00:16:49: habe, vor die Tür gehen.
00:16:50: Wenn wir zu Hause bleiben, ist die
00:16:52: Wahrscheinlichkeit sehr gering, dass
00:16:53: jemand bei uns anklopft und sagt
00:16:54: "Hi, ich will dich kennenlernen"
00:16:56: oder "ich will mit dir einen Kaffee
00:16:57: trinken" oder "ich will dir auch nur
00:16:59: irgendwie den Satz mit dir reden".
00:17:00: Rausgehen.
00:17:01: Selbst und besonders an den Tagen,
00:17:03: wo wir wirklich das Gefühl haben,
00:17:04: so, oh Gott, heute will ich wirklich
00:17:05: niemanden sehen.
00:17:06: Und dann sowas wie in einem sicheren
00:17:08: Umfeld natürlich nur, sage ich jetzt
00:17:10: speziell, weil ja heute, wie schön
00:17:12: eigentlich, nur Frauen hier sitzen.
00:17:14: Also natürlich nur, wenn wir uns
00:17:15: sicher fühlen, einen anderen
00:17:16: Menschen anlächeln, vielleicht kurz
00:17:18: sprechen. Das kann wirklich sowas
00:17:19: sein, wie am Supermarkt zwei Sätze
00:17:21: wechseln oder an der Kasse
00:17:23: beim Bäcker oder wo auch immer, in
00:17:25: der S-Bahn, in der U-Bahn, weil wir
00:17:26: eben wissen... oder mir hilft das
00:17:28: total zu wissen, dass das unserem
00:17:30: Körper wirklich so einen Boost gibt,
00:17:31: dass wir uns schon eher trauen,
00:17:33: wieder in andere Beziehungen auch
00:17:35: rein zu investieren.
00:17:36: Den anderen Tipp, den ich sehr, sehr
00:17:38: schön fand, den ich auch immer
00:17:39: wieder gelesen habe, war zu sagen,
00:17:41: überleg mal, was du wirklich gerne
00:17:43: machst. Also irgendeine Tätigkeit,
00:17:45: bei der es dir eigentlich immer gut
00:17:46: geht. Und es ist völlig wurscht, was
00:17:47: das ist. Das kann Stricken,
00:17:49: Schwimmen, Klettern, Boxen,
00:17:52: Malen, Holzhacken, keine Ahnung,
00:17:54: irgendwas sein.
00:17:55: Und dann finde ich generell einen
00:17:56: guten Tipp fürs Leben, versucht das,
00:17:58: so viel wie möglich zu machen.
00:17:59: Einfach, weil dann geht es dir schon
00:18:00: mal häufig besser.
00:18:02: Und der andere, das ist jetzt der
00:18:03: Entscheidende: Und dann überleg mal
00:18:05: so nach und nach, wie kannst du da
00:18:06: Leute dazuholen?
00:18:07: Kannst du jemanden einladen?
00:18:08: Kannst du vielleicht mal zwei, drei
00:18:09: Leute einladen? Und wie gesagt, das
00:18:11: müssen gar nicht 10, 20, 100 Leute
00:18:12: sein. Sondern zwei, drei Menschen
00:18:14: können schon wirklich eine schöne
00:18:16: und hilfreiche Community sein.
00:18:18: Und wichtig ist aber auch noch, nur
00:18:19: den Punkt will ich noch machen, dass
00:18:20: ich es wichtig finde, solche
00:18:22: Probleme nicht zu individualisieren.
00:18:24: Also es gibt auch strukturelle
00:18:26: Hindernisse für Verbundenheit, das
00:18:27: heißt auch auf politischer Ebene
00:18:29: eben zu sagen, wir schaffen Räume,
00:18:31: wo Menschen sich treffen können, wo
00:18:32: sie nicht gezwungen sind, zu
00:18:33: konsumieren, wo sie einfach
00:18:34: zusammenkommen können.
00:18:35: So der klischee-italienische
00:18:37: Dorfplatz vielleicht, da können wir
00:18:39: es uns am ehesten vorstellen.
00:18:40: Büchereien sind solche Orte,
00:18:42: öffentliche Schwimmbäder,
00:18:44: wenn sie sehr, sehr günstig sind,
00:18:45: sodass tatsächlich auch alle
00:18:46: hingehen können. Also im Prinzip
00:18:47: alles Dinge, die momentan mehr und
00:18:49: mehr so, sage ich jetzt mal, nicht
00:18:51: unbedingt gefördert, sondern so
00:18:52: zurückgefahren werden, sind
00:18:54: eigentlich für uns total wichtig, um
00:18:56: diese Verbundenheit aufzubauen.
00:18:57: Und ich kann selber sagen, ich wohne
00:18:59: auf einem Dorf, 450 Leute,
00:19:02: sehr, sehr konservativ, 20 Prozent
00:19:04: AfD. Und es geht tatsächlich recht
00:19:06: schnell, ist meine Erfahrung zu
00:19:08: sagen, hey, wir probieren mal was.
00:19:09: Eine Leserin hat mir geschrieben,
00:19:11: sie hat gesagt, sie hat einfach nur
00:19:12: bei den Nachbarn den Zettel
00:19:13: reingeworfen und gesagt, wir sitzen
00:19:15: ab Freitag, sitzen wir jetzt immer
00:19:16: ab 19 Uhr auf der Bank.
00:19:17: Wenn jemand dazukommen will, kommt
00:19:18: dazu. Und seither trifft sich die
00:19:20: halbe Nachbarschaft da, ohne
00:19:21: irgendwas zu organisieren.
00:19:23: Also das sind so kleine Schritte,
00:19:24: die aber auch tatsächlich für unsere
00:19:26: große Gesellschaft ganz, ganz viel
00:19:27: verändern können.
00:19:28: Ja, ich finde das Niedrigschwellige
00:19:30: so ermutigend, dass du sagst, es hat
00:19:31: also schon Impact, ob ich einen Satz
00:19:33: mit der Frau in der Supermarktkasse
00:19:35: wechsle, ob ich da jemand anlächle
00:19:37: oder im Bus.
00:19:38: Es fühlt sich manchmal so komisch
00:19:40: an, aber es lohnt sich und es tut
00:19:42: gar nicht weh.
00:19:43: Ja, oder vielleicht tut es sogar
00:19:45: manchmal kurz weh, weil man
00:19:46: irgendwie zusammenzuckt und sich
00:19:47: denkt, ah, hätte ich das jetzt
00:19:48: machen wollen, aber da geht es ja um
00:19:50: Mut. Also das ist ja eine Frage von
00:19:51: Mut letztendlich, und Mut ist ein
00:19:53: Muskel. Es gibt nicht per se mutige
00:19:54: Menschen und unmutige Menschen, Mut
00:19:56: ist ein Muskel. Das heißt, wenn wir
00:19:57: den trainieren, werden wir immer
00:19:59: mutiger.
00:19:59: Und da kann so was Kleines sein, wie
00:20:01: wirklich mal, ich mache das mal bei
00:20:03: meinen Lesungen immer, dass ich am
00:20:04: Schluss sage, wir nehmen jetzt drei
00:20:05: Experimente, jede Person kann sich
00:20:06: eins aussuchen, für den nächsten
00:20:08: Monat entweder eine ganz fremde
00:20:09: Person ansprechen.
00:20:10: Oder bei einer Person melden, so aus
00:20:12: der Kategorie "ach, da wollte ich
00:20:13: mich schon immer mal lang wieder
00:20:15: melden", aber oder eben
00:20:17: bei Nachbarinnen oder Nachbarn
00:20:18: herausfinden, wie die heißen und
00:20:19: bitte die Leute dann auch mir zu
00:20:21: schreiben, wenn sie das gemacht
00:20:22: haben und was sie für Erfahrungen
00:20:23: haben. Und ihr glaubt nicht, was das
00:20:24: für schöne Geschichten sind.
00:20:25: Und das sind ja wirklich winzige
00:20:27: Schritte. Also ich sage das schon
00:20:29: immer so dazu, wenn ich das
00:20:30: empfehle, weil ich finde fast, es
00:20:31: klingt so banal.
00:20:33: Aber tatsächlich hat das eine große
00:20:34: Auswirkung, und was ich so schön
00:20:36: finde, ist, dass es so zwei Effekte
00:20:38: hat. Das eine, wenn wir jetzt
00:20:39: wirklich mal rein die Fakten aus der
00:20:40: Forschung anschauen, es hilft uns
00:20:42: selber, also wir schützen unsere
00:20:44: Gesundheit, wir sorgen,
00:20:46: unsere mentale körperliche
00:20:47: Gesundheit, wir sorgen dafür, dass
00:20:48: wir so lange wie es geht, leben,
00:20:50: wenn wir das denn möchten.
00:20:51: Und das andere ist, dass es aber
00:20:52: eben auch eine gesellschaftliche
00:20:54: Funktion hat.
00:20:55: Und das Bild, was ich da sehr schön
00:20:56: finde, ist, wenn wir uns vorstellen,
00:20:58: eine Demokratie, das ist ja so ein
00:20:59: großes Wort, wo wir alle sagen,
00:21:00: Demokratie ist wichtig, aber ich
00:21:02: weiß nicht, wie es euch geht, ich
00:21:03: habe überhaupt kein Bild vor Augen,
00:21:04: wenn ich an Demokratie denke.
00:21:05: Das ist einfach so ein, oh
00:21:06: Demokratie, wichtig!
00:21:08: und ich finde dieses Bild sehr
00:21:09: hilfreich, dass eine Demokratie aus
00:21:11: ganz, ganz, ganz vielen
00:21:12: Mini-Demokratien besteht.
00:21:14: Also Familie, Vereine, Schulklassen,
00:21:17: you name it, Kolleg:innen-Kreise,
00:21:19: Büros, was auch immer.
00:21:20: Also alle Orte, wo wir mit Menschen
00:21:22: zusammen sind.
00:21:22: Und je stärker diese
00:21:23: Mini-Demokratien sind, das wissen
00:21:25: wir tatsächlich aus der Forschung,
00:21:27: desto stärker ist auch unsere ganze
00:21:28: große Demokratie als Ganzes.
00:21:30: Das finde ich eigentlich total
00:21:32: super, ehrlich gesagt, dass es was
00:21:33: gibt, wo ich mir selber gut tun
00:21:35: kann, meinem Umfeld und gleichzeitig
00:21:37: noch weiß, hey, ich mach grad was
00:21:39: gegen, jetzt sag ich mal ein
00:21:40: bisschen klischeehaft, die AfD oder
00:21:42: was auch immer. Also ich schütze
00:21:43: unsere Demokratie.
00:21:44: Und das finde ich so schön, weil
00:21:45: wenn wir ehrlich sind, die meisten
00:21:47: von uns haben sehr beschäftigte
00:21:48: Alltage.
00:21:49: Wir haben einfach nicht die
00:21:51: Kapazitäten, oft alles zu machen,
00:21:52: was uns wichtig ist.
00:21:53: Und dann so Kleinigkeiten zu finden,
00:21:55: wo wir wissen, hey, zwei Minuten
00:21:56: eine Person angelächelt und ich hab,
00:21:57: in einem winzigen Schritt natürlich
00:21:59: nur, aber ich habe gerade diese
00:22:01: beiden Kategorien, da kann ich einen
00:22:02: Haken dran machen.
00:22:04: Und mich motiviert das sehr.
00:22:05: In meinem Buch, auch in allen meinen
00:22:06: Büchern, schreibe ich immer am Ende
00:22:07: vom Kapitel so drei Experimente
00:22:09: für den Alltag, weil eben meine
00:22:11: Erfahrung ist, ich lese selber
00:22:13: supergerne Sachbücher und denke
00:22:14: immer beim Lesen, oh ja, das mache
00:22:15: ich jetzt, das mache ich jetzt, das
00:22:16: mache ich jetzt. Und dann lege ich
00:22:17: das Buch weg und alles ist weg aus
00:22:19: meinem Kopf jedenfalls oder das
00:22:21: meiste. Und deswegen habe ich so
00:22:22: ganz kleine Experimente mit dran,
00:22:24: wo es eben genau wirklich in so
00:22:26: Minischritten darum geht, sowas mal
00:22:27: auszuprobieren.
00:22:29: Brauchen wir mehr
00:22:30: Kompromissbereitschaft und
00:22:32: wie wird die möglich, ohne dass man
00:22:34: die eigenen Werte verleugnet?
00:22:36: Also was ich gelernt habe, ich wohne
00:22:37: da jetzt seit fünf Jahren, davor
00:22:38: habe ich in Hamburg gewohnt, sehr
00:22:39: zentral, also ich glaube, krasserer
00:22:42: Kulturschock innerhalb von
00:22:43: Deutschland geht wahrscheinlich
00:22:43: kaum. Was ich gelernt habe,
00:22:46: ist, glaube ich, gar nicht so sehr
00:22:47: Kompromiss,
00:22:49: sondern anzuerkennen, dass ich
00:22:51: die andere Person nicht ändern kann.
00:22:54: Also in ein Gespräch nicht
00:22:55: reinzugehen mit der Überzeugung, ich
00:22:56: muss jetzt nur die richtigen Fakten
00:22:58: sagen und dann sieht die das am Ende
00:22:59: genauso wie ich, dann hat die auch
00:23:00: verstanden, endlich, dass
00:23:01: Menschenrechte doch einfach wichtig
00:23:03: sind.
00:23:04: Sondern zu merken, ne, das ist nicht
00:23:05: so, das ist nicht so.
00:23:06: Es gibt einfach, wir haben
00:23:07: verschiedene Mindsets, wir haben,
00:23:09: und es ist auch ganz logisch
00:23:10: eigentlich, wir haben so
00:23:12: unterschiedliche Lebenserfahrungen,
00:23:13: wir haben so unterschiedliche
00:23:16: Ängste, Sorgen, da
00:23:17: stehen vielleicht die gleichen
00:23:18: Gefühle dahinter, aber was konkret
00:23:20: die Ängste sind, ist so
00:23:21: unterschiedlich, dass es eigentlich
00:23:22: unglaublich wäre, wenn wir bei
00:23:24: sehr ähnlichen Meinungen oder
00:23:26: Ansichten landen würden.
00:23:27: Und seit ich nicht mehr so krass
00:23:29: diesen Impuls habe, immer, den habe
00:23:30: ich nämlich durchaus davor gehabt,
00:23:33: Leute zu bekehren oder jetzt zu
00:23:35: überzeugen oder es nur noch einmal
00:23:36: richtig zu sagen und dann haben sie
00:23:37: es auch endlich verstanden, seither
00:23:39: merke ich, dass ich tatsächlich mich
00:23:41: besser mit diesen Menschen verbinde.
00:23:42: Wir reden trotzdem politisch.
00:23:44: Ich sage auch trotzdem, du, das sehe
00:23:45: ich wirklich ganz anders.
00:23:46: Also es ist jetzt nicht so, dass ich
00:23:47: bei allen sage, ja stimmt, stimmt,
00:23:49: sondern ich bleibe bei meiner
00:23:50: Meinung, ich stehe da auch dazu, ich
00:23:52: verstecke da auch nichts, das wissen
00:23:53: auch alle, wo ich wohne.
00:23:54: Aber ich hab nicht mehr
00:23:55: diesen, sag ich jetzt mal,
00:23:57: zugespitzten, missionarischen Drang.
00:23:59: Und dadurch werden die Gespräche
00:24:01: etwas sanfter, würde ich mal sagen.
00:24:03: Das ist wahnsinnig kleinteilig
00:24:05: und braucht viel Zeit, aber meine
00:24:06: Erfahrung ist, dass das eigentlich
00:24:08: mehr Veränderung bringt,
00:24:10: in winzigen Schritten wiederum,
00:24:12: als so dieses, wie ich es davor
00:24:14: oft genug gemacht habe, so dieses
00:24:15: Aufeinanderkrachen
00:24:17: jetzt, sag ich mal,
00:24:19: mit den Meinungen.
00:24:20: Und Kompromisse, ja, na klar.
00:24:23: Auch wenn wir beide, ich glaube wir
00:24:24: sind politisch recht..
00:24:25: Auf einer ähnlichen
00:24:27: Insel befinden wir uns.
00:24:29: Und garantiert, wenn wir jetzt beide
00:24:30: irgendwas organisieren, beschließen,
00:24:31: sonst wie wollen würden, Kompromisse
00:24:33: brauchen wir immer.
00:24:35: Also das ist irgendwie so, ist doch
00:24:36: klar.
00:24:37: Sonst können wir nur mit uns selbst
00:24:38: arbeiten. Und auch da brauchen wir
00:24:40: wahrscheinlich Kompromisse, ehrlich
00:24:41: gesagt.
00:24:42: Du hast vorhin von marginalisierten
00:24:44: Gruppen gesprochen, die gefährdet
00:24:46: sind, einsam zu sein.
00:24:48: Ich stelle es mir aber für
00:24:50: marginalisierte Gruppen, die auch
00:24:52: immer wieder hinterfragt werden,
00:24:54: Anfeindungen erleben, auch schwerer
00:24:55: vor, großzügig zu sein,
00:24:58: was diese Kompromisse angeht.
00:25:00: Auf jeden Fall.
00:25:01: Also auf jeden Fall.
00:25:02: Ich will noch mal sagen, also
00:25:03: Kompromiss heißt für mich nicht,
00:25:05: dass irgendwie eine Meinung für
00:25:06: mich nicht okay ist, als okay
00:25:08: anzuerkennen oder das vorzutäuschen.
00:25:10: Ich grenze mich da schon immer sehr
00:25:12: deutlich ab und sage auch, dass ich
00:25:13: das nicht so sehe und warum.
00:25:16: Aber ich lasse es dann auch.
00:25:17: Also ich habe nicht so dieses: Und
00:25:18: dann sage ich es noch zehnmal.
00:25:19: Sondern ich sage es einmal und dann
00:25:21: wissen wir beide, wo wir stehen und
00:25:23: da stehen wir dann halt erst mal.
00:25:25: Also was bei dieser Einsamkeitsfrage
00:25:27: natürlich das
00:25:29: Ungerechte ist, ist, dass die
00:25:31: Menschen, die am meisten davon
00:25:32: betroffen sind, das ist ja kein
00:25:33: Zufall, also bei marginalisierten
00:25:35: Gruppen, sondern weil sie eben in
00:25:37: viele dieser Risiken
00:25:39: reingeraten dadurch,
00:25:41: dass sie marginalisiert werden.
00:25:42: Und dann ist es natürlich auch
00:25:43: ungleich schwieriger, da rauszukommen.
00:25:45: Also absolut. Das will ich jetzt
00:25:46: auch nicht irgendwie schönreden.
00:25:47: Ich persönlich finde es trotzdem
00:25:49: wichtig, immer so, Stichwort
00:25:50: Selbstwirksamkeit, so
00:25:52: gut wie möglich zu wissen, wie kann
00:25:54: ich eine Situation, die für mich
00:25:55: nicht gut ist, wie kann ich
00:25:57: da, wenn ich das möchte, auf der
00:25:59: individuellen Ebene was ändern?
00:26:01: Deswegen habe ich es vorhin aber
00:26:02: auch so betont.
00:26:03: Natürlich brauchen wir dafür
00:26:04: strukturelle Veränderungen auch,
00:26:07: mindestens genauso.
00:26:08: Und dafür sind natürlich die
00:26:10: Menschen verantwortlich, die in
00:26:11: Politik und in anderen
00:26:13: Machtzentren Verantwortung tragen.
00:26:16: Was mache ich, wenn ich
00:26:18: wahrnehme, dass jemand einsam ist?
00:26:20: Ich muss gestehen, ich hatte auch
00:26:21: die Angst, wenn ich damit jetzt
00:26:23: einmal anfange, dann bin ich
00:26:25: plötzlich der Mensch in der
00:26:26: Nachbarschaft. Wie kann man da so
00:26:27: eine Balance finden und eben jemand
00:26:29: auch eine Hand reichen, ohne dass
00:26:31: es übergriffig ist auf der einen
00:26:33: Seite und ohne dass man so
00:26:35: sehr, sehr verantwortlich wird?
00:26:37: Also ich fand diesen zweiten Punkt,
00:26:38: also ich finde, du hast die Balance
00:26:39: eigentlich schon gefunden, weil du
00:26:40: ja gemerkt hast, hey, ich bin denen
00:26:42: gerade nicht gewachsen und dann ist
00:26:43: das ja auch total okay.
00:26:45: Also das ist immer alle in unseren
00:26:46: Möglichkeiten und so, wie wir das
00:26:48: können und gerade auch wollen in dem
00:26:49: Moment. Ich glaube,
00:26:51: immer niedrigschwellig anfangen.
00:26:53: Also vielleicht tatsächlich einfach
00:26:54: einmal nur vorstellen und sagen,
00:26:55: hey, ich habe irgendwie gemerkt, wir
00:26:56: wissen noch gar nicht, wie wir
00:26:57: heißen. Ich wollte einfach mal Hallo
00:26:58: sagen, ich bin die Sylvie.
00:27:01: So, dann mal schauen, was passiert.
00:27:03: Ja, wenn man sich mal trifft
00:27:04: irgendwie. Also ich glaube, ich
00:27:05: würde eigentlich immer ganz
00:27:06: niedrigschwellig anfangen, weil dann
00:27:09: ist meine Erfahrung jedenfalls, dann
00:27:10: merken wir so ein bisschen, okay,
00:27:12: in welche Richtung geht es denn?
00:27:14: Und das muss ich wirklich auch dazu
00:27:16: sagen. Also alle Tipps, die ich
00:27:17: jetzt gesagt habe, die ersetzen
00:27:18: natürlich nicht professionelle
00:27:20: Betreuung. Du hast jetzt Sucht
00:27:21: angesprochen.
00:27:23: Also dagegen hilft, da ist ein
00:27:24: Lächeln auch wichtig und vielleicht
00:27:26: noch wichtiger als sonst.
00:27:27: Aber natürlich löst es nicht das
00:27:28: Suchtproblem der betroffenen Person.
00:27:30: Das sind einfach andere Kategorien.
00:27:31: Aber wenn es jetzt so um, sage ich
00:27:33: mal, Menschen geht, die vielleicht,
00:27:35: ich glaube, ich würde mal ein
00:27:36: anderes Beispiel nehmen.
00:27:37: Ich habe... bei einer Lesung ist
00:27:38: eine Frau zu mir gekommen, die
00:27:39: gesagt hat, ihr Mann hat vor 30
00:27:41: Jahren Suizid begangen und
00:27:43: alle ihre, ihr ganzer Bekanntenkreis
00:27:45: hat sich von ihr abgewendet, für
00:27:46: mehrere Monate.
00:27:48: Und sie hat überhaupt nicht
00:27:49: verstanden, was da passiert, weil
00:27:50: das waren enge Beziehungen und so.
00:27:52: Und bis sie irgendwann verstanden
00:27:53: hat, die wissen einfach nicht, was
00:27:54: sie sagen sollen.
00:27:55: Die wissen nicht, wie sie auf sie
00:27:57: zugehen sollen.
00:27:58: Und dann hat sie gesagt, ist sie bei
00:28:00: Person zu Person, also höchster
00:28:01: Respekt vor dieser Frau, ist sie
00:28:03: wirklich hingegangen und hat gesagt,
00:28:04: hey, ich wollte dir nur mal sagen,
00:28:05: du kannst einfach ganz normal mit
00:28:06: mir weiterreden quasi, das ist okay.
00:28:09: Und seither sind die wieder eng
00:28:11: befreundet wie eh und je.
00:28:12: Also ich glaube, sowas kann auch
00:28:14: manchmal sein, wenn eine Person -
00:28:15: muss jetzt auch nicht Suizid sein -
00:28:16: aber eine Person, die trauert, die
00:28:17: vielleicht einen schlimmen
00:28:18: Schicksalsschlag erlebt hat,
00:28:20: wo wir vielleicht einfach im ersten
00:28:21: Moment eben genau nicht wissen, was
00:28:23: sage ich denn jetzt oder: Ist das
00:28:25: übergriffig oder dann lieber
00:28:26: vielleicht nicht?
00:28:27: Warte ich erst mal, vielleicht ist
00:28:28: es in einem halben Jahr besser oder
00:28:30: so. Da würde ich persönlich immer
00:28:32: ermutigen, vielleicht trotzdem
00:28:33: irgendwie den Kontakt suchen, klar,
00:28:35: sich davor möglichst was überlegen,
00:28:37: was dann zu uns passt, was wir sagen
00:28:38: können. Aber das sind ja auch
00:28:40: so Einsamkeitssachen.
00:28:41: Es muss ja gar nicht immer das ganze
00:28:43: Große, Dramatische sein, sondern
00:28:44: vielleicht eben so eine Lebensphase.
00:28:46: Oder wenn wir wissen, in der
00:28:47: Nachbarschaft hat jemand gerade ein
00:28:48: kleines Kind bekommen oder dann
00:28:50: vielleicht einfach mal Essen vor die
00:28:52: Tür zu stellen oder keine Ahnung, in
00:28:53: dem Hintergrund, dass wir halt
00:28:54: wissen, ok, Umbruchsphase,
00:28:56: das könnte vielleicht gerade neben
00:28:58: allem Schönen auch ganz schön
00:28:59: anstrengend sein für die Eltern.
00:29:01: Du hast ja vorhin gesagt, das gehört
00:29:02: zum Wesen der Einsamkeit, dass man
00:29:05: selber gar nicht gut erkennt, dass
00:29:06: man es ist.
00:29:09: Wenn ich dieses Signalgefühl
00:29:12: jetzt doch begriffen habe und das
00:29:14: entschlüsseln kann, dass ich in eine
00:29:15: Phase der Einsamkeit gerutscht bin
00:29:17: oder mich aus welchen Gründen auch
00:29:19: immer einsam fühle und
00:29:20: dann gibt es keinen Impuls von
00:29:22: außen, wie finde ich aus dem
00:29:24: Schneckenhaus wieder raus?
00:29:25: Wir selber merken schon, dass wir
00:29:27: einsam sind, aber von außen ist es
00:29:29: schwer zu erkennen.
00:29:30: Also ich selber merke es eigentlich
00:29:31: schon. Manchmal haben Menschen oder
00:29:32: oft auch dann Schwierigkeiten es
00:29:34: auszusprechen, weil Einsamkeit halt
00:29:35: auch stark stigmatisiert ist.
00:29:37: Das sind tatsächlich ähnliche Dinge,
00:29:39: also vor die Tür gehen.
00:29:41: Vielleicht, wenn wir uns dann nicht
00:29:42: trauen, das ist ein bisschen
00:29:44: tatsächlich die Krux an der Sache.
00:29:46: Wenn wir uns so stark einsam fühlen,
00:29:48: haben wir nicht nur das Gefühl, ach
00:29:49: grad habe ich irgendwie zu wenig
00:29:50: Menschen, schade, muss man was
00:29:52: machen, sondern es ist ja ein sehr
00:29:53: großes, gewaltiges Gefühl, wo wir
00:29:54: eher denken: Oh Gott, niemand auf
00:29:57: der Welt mag mich.
00:29:58: Ich bin ganz allein, ich bin ganz
00:29:59: verlassen.
00:30:00: Und dann erfordert das natürlich
00:30:01: sehr, sehr, sehr viel Mut,
00:30:03: überhaupt mal vor die Tür zu gehen,
00:30:04: vielleicht. Oder jemandem nur in die
00:30:06: Augen zu schauen oder anzulächeln.
00:30:08: Leider und zum Glück, beides,
00:30:10: finde ich, müssen wir irgendwie
00:30:12: diesen Mut aufbringen in der
00:30:13: Situation.
00:30:15: Weil tatsächlich wir diese Schritte
00:30:17: machen müssen. Außer, wenn wir jetzt
00:30:18: von außen mitbekommen und wirklich
00:30:20: das Gefühl haben, naja,
00:30:21: wahrscheinlich irgendwas ist mit der
00:30:22: Person. Dann können wir der Person
00:30:24: natürlich entgegengehen und diese
00:30:25: ersten Schritte für die Person
00:30:27: machen oder der Person
00:30:29: entgegengehen.
00:30:29: Das ist jetzt alles auf der
00:30:30: individuellen Ebene.
00:30:31: Strukturell zum Beispiel gibt es
00:30:33: auch das sogenannte "Social
00:30:34: Prescribing" heißt das.
00:30:36: Da gibt es in Deutschland auch schon
00:30:37: einige Pilotversuche und Projekte,
00:30:39: wo das gemacht wird.
00:30:40: Das heißt, immer wenn eine Person
00:30:42: zum Arzt geht oder zur Ärztin,
00:30:44: egal wegen welcher Beschwerden, wird
00:30:46: immer auch abgefragt, wie ist denn
00:30:47: so dein Sozialleben, wie ist denn
00:30:49: dein Alltag, wie geht es dir?
00:30:50: Hast du das Bedürfnis, andere
00:30:52: Menschen kennenzulernen, brauchst du
00:30:53: irgendwie mehr Gemeinschaft und
00:30:55: falls diese Person dann sagt ja
00:30:56: oder irgendwie so dieser Verdacht
00:30:58: nahe liegt, dann eben zusammen zu
00:30:59: schauen, ok, was könnte denn sein,
00:31:01: was dir hilft, und dann wirklich
00:31:02: ganz konkrete Angebote zu suchen.
00:31:03: Weil das eben zum einen die mentale
00:31:05: Gesundheit stärkt, aber eben auch
00:31:07: die körperliche, dadurch, dass
00:31:08: Zusammenhalt so wichtig ist.
00:31:09: Und das wäre eben so eine
00:31:10: strukturelle Möglichkeit, wie wir
00:31:13: das Menschen, die eben vielleicht
00:31:14: einfach oder mit Sicherheit ganz
00:31:16: große Schwierigkeiten haben, aus
00:31:17: sowas rauszukommen im ersten Moment,
00:31:19: dass sie damit nicht so alleine
00:31:20: sind.
00:31:21: Ronja, du erzählst im Buch noch
00:31:23: eine schöne Geschichte von einer
00:31:25: Freundin von dir.
00:31:26: Ich hoffe, sie lebt noch. 103
00:31:28: ist sie im Buch.
00:31:31: Was macht diese Frau so
00:31:33: besonders?
00:31:34: Ja, das ist Aglaia, eine meiner
00:31:35: besten Freundinnen, die tatsächlich
00:31:37: 103 einhalb ist inzwischen.
00:31:39: Genau, wir haben uns zufällig
00:31:40: kennengelernt, da war sie 97, und
00:31:42: seit sie 101 ist, glaube ich, sehen
00:31:44: wir uns fast jede Woche.
00:31:45: Sie hat mich mit 97 kennengelernt,
00:31:47: so, ich finde, das sagt eigentlich
00:31:48: fast schon alles.
00:31:49: Das heißt, sie lernt immer noch
00:31:50: Menschen kennen, auch bis jetzt
00:31:51: noch. Und ich habe sie mal gefragt,
00:31:54: auch als ich das Buch geschrieben
00:31:55: habe, habe ich gesagt, Aglaia, wie
00:31:56: machst du das eigentlich?
00:31:57: Weil, muss ich dazu sagen, sie ist
00:31:58: 103, sie hat wirklich
00:32:00: Freunde und Freundinnen ab dem Alter
00:32:02: von 3.
00:32:03: Und das kann ich konkret erzählen,
00:32:04: das ist nämlich sehr nett, finde
00:32:05: ich. Sie wohnt auch in einem
00:32:06: kleineren Dorf.
00:32:07: Sie hat so eine Dartscheibe bei sich
00:32:09: im Gang aufgehängt.
00:32:10: Und die Kinder aus der Nachbarschaft
00:32:12: wissen das auch.
00:32:13: Also das hat sie gut gestreut.
00:32:15: Und die kommen dann immer zu ihr, um
00:32:17: da mit den Pfeilen quasi auf die
00:32:18: Dartscheibe zu werfen und bringen
00:32:20: halt immer ihre Freunde mit.
00:32:21: Und sie sagt immer, nene, die muss
00:32:22: hier drin bleiben. Und sie sagt, ja,
00:32:24: zum einen wegen Sicherheit, aber ich
00:32:26: will ja schon auch, dass sie zu mir
00:32:27: kommen.
00:32:28: Und dann habe ich sie eben mal
00:32:30: gefragt, wie machst du das
00:32:31: eigentlich, dass du so viele gute
00:32:32: Freundschaften tatsächlich auch
00:32:34: pflegst? Sie wohnt alleine immer
00:32:35: noch. Sie hat wirklich jeden Tag
00:32:36: Besuch, also ein unglaublicher
00:32:38: Mensch.
00:32:39: Und dann hat sie gesagt, naja, ich
00:32:40: habe über die Jahre gemerkt, man
00:32:41: muss sich halt bemerkbar machen.
00:32:43: Und ich fand dieses Wort so schön,
00:32:45: weil sie eben gesagt hat...
00:32:47: dann habe ich gesagt, was meinst du
00:32:48: damit? Na ja, einfach melden oder
00:32:49: vielleicht, wenn man sich trifft,
00:32:50: dann beim Abschied sagen, wann
00:32:51: treffen wir uns das nächste Mal?
00:32:53: Oder danach noch mal schreiben und
00:32:54: sich trauen zu sagen, hey, das war
00:32:55: so schön, wann können wir uns
00:32:56: wiedersehen oder wie auch immer.
00:32:58: Und dann hat sie so ein bisschen
00:32:59: geschmunzelt und gesagt, naja, aber
00:33:00: es muss halt auch was geben, was man
00:33:01: sich merken kann.
00:33:03: Und damit meine ich jetzt nicht,
00:33:04: dass wir irgendwie ganz spektakuläre
00:33:05: Sachen machen müssen, sondern dass
00:33:07: wir uns halt zeigen müssen.
00:33:08: Also wenn wir uns nur verstecken,
00:33:10: wenn wir nicht uns trauen, aus uns
00:33:11: rauszugehen, wenn wir nicht trauen,
00:33:13: auch uns verletzbar zu zeigen,
00:33:15: vielleicht mal zu weinen, wenn wir
00:33:16: gerade traurig sind, oder zu
00:33:18: schimpfen, wenn wir gerade wütend
00:33:19: sind, oder halt unsere Gefühle so zu
00:33:20: zeigen, wie sie da sind, dann ist es
00:33:22: halt auch schwer, ja,
00:33:24: diese Beziehungen so zu knüpfen.
00:33:25: Über Aglaia könnte ich jetzt vier
00:33:27: Stunden reden, aber das ist so
00:33:28: dieses Wort "bemerkbar machen", das
00:33:30: ist für mich so hängen geblieben bei
00:33:31: ihr.
00:33:48: Danke, dass du dabei warst.
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