Gewalt gegen Frauen – Wege zu Prävention und gesellschaftlichem Wandel

Shownotes

Wann erkennen wir Gewalt gegen Frauen endlich als gesamtgesellschaftliches Problem an, anstelle sie auf Einzelfälle zu reduzieren?

Die Expertinnen Maria Noichl, MdEP (Mitglied des Europaparlaments), Agota Lavoyer (Expertin für sexualisierte Gewalt) und Romy Stangl (Gleichstellungsbeauftragte und Menschenrechtsaktivistin) liefern politische, beratende und aktivistische Perspektiven. Die Journalistin Silvia Feist moderiert dieses Live-Gespräch, das zugleich ein Appell ist: Gewalt gegen Frauen darf nicht länger normalisiert und ignoriert werden.

Maria Noichl bezeichnet systemische Gewalt gegen Frauen und Kinder als "Krebs, der sich durch Europa und die Welt frisst". Agota Lavoyer zeigt anhand der Gewaltpyramide die direkte Verbindung von Catcalling und Vergewaltigung auf. Romy Stangl betont, dass es an der Zeit ist, die Täterschaft in den Fokus zu rücken, statt häusliche und digitale Gewalt lediglich aus der Perspektive der Betroffenen zu betrachten.

**Fragen aus dieser Folge: **

  • Wie wirkt die sogenannte „Rape Culture“ in unserer Gesellschaft, und wie beeinflusst sie die Wahrnehmung von sexualisierter Gewalt?

  • Welche Herausforderungen und neuen Formen geschlechtsspezifischer Gewalt entstehen durch digitale Medien und soziale Netzwerke?

  • Wie kann die Einbindung der Betroffenenperspektive in Politik und Hilfesysteme den Umgang mit Gewalt gegen Frauen verbessern?

  • Warum ist die Beteiligung von Männern als Allies entscheidend für die Veränderung, und wie können sie Verantwortung übernehmen?

Das Live-Gespräch beleuchtet die Ursachen systemischer Gewalt, aber sucht auch nach Lösungen. Die Speakerinnen blicken dabei auch auf andere europäische Länder: Österreich und Italien etwa zeigen politische Rückschritte, wenn „private Gewalt“ als Privatsache erklärt wird. Spanien verdeutlicht dagegen, wie Gesetzgebung und sichtbare legislative sowie gesellschaftliche Veränderungen drastische gesellschaftliche Veränderungen bewirken können.

**Einige Lösungsansätze aus der Folge: ** Auf individueller Ebene: Das Problem (an)erkennen! Weder Männer noch die Politik dürfen Gewalt an Frauen normalisieren. Sie müssen Verantwortung übernehmen.

Auf kommunaler Ebene: Projekte zur Prävention und Aufklärung besonders bei Kindern und Jugendlichen stärken. In Täterhilfe investieren, anstelle Opferhilfe zu reduzieren. Grundsätzlich: Ohne Investitionen wird sich nichts verändern.

Auf juristischer Ebene: Einhalt gebieten! Gesetzliche Mindeststandards europaweit verankern, etwa beim Straftatbestand Femizid und bei besseren Maßnahmen gegen digitale Gewalt.

Auf öffentlicher Ebene: Mitgestaltung statt Fremdbestimmung: Die Perspektive und Beteiligung von Betroffenen in allen Hilfesystemen und politischen Gremien erhöhen. Den Menschen zuhören!

Maria Noichl: https://maria-noichl.eu/ Agota Lavoyer: https://agotalavoyer.ch/ Buch „JedeFrau“ von Agota Lavoyer (2024): https://agotalavoyer.ch/buch-jede-frau

Verein One Billion Rising München (Romy Stangel, Menschenrechtsaktivistin): https://muenchen.onebillionrising.org

Europäisches Parlament – Unterausschuss für Menschenrechte (mit Fokus auf Frauenrechte und Gleichstellung): https://www.europarl.europa.eu/committees/en/human-rights/home.html

Projekt „Zebra ruft“ der Medienanstalt NRW (Hilfs- und Beratungsangebot gegen digitale Gewalt): https://www.medienanstalt-nrw.de/zebra-ruft

Informationen zur Fußfessel und Best Practice Spanien zum Thema Femizide: https://www.igualdad.gob.es/violenciaMachista/femincidios https://www.liberties.eu/en/news/spain-domestic-violence-foot-ankle-bracelet/25041

_Über herCAREER Voice _

Der Podcast herCAREER Voice liefert wertvolle Einblicke in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, immer verknüpft mit persönlichen Erfahrungen und vor allem aus weiblicher Perspektive. Wechselnde Moderator:innen und Gäst:innen aus unterschiedlichen Unternehmen, Redaktionen und Arbeitsumfeldern bieten vielseitige und praxisnahe Erfahrungswerte für die Hörer:innen. https://www.her-career.com/podcast

herCAREER ist die führende Plattform für die weibliche Karriere. Hier erwartet dich ein einzigartiges Netzwerk mit individuellen Job-Chancen und jede Menge inspirierendem Content wie Podcasts, Vorträgen und Panels live auf herCAREER Expo oder online im Rahmen unserer herCAREER Academy. Wir heißen alle Menschen willkommen – im Besonderen Frauen, denen wir die Chance geben, von diesem besonderen Möglichkeitsraum zu profitieren. https://www.her-career.com

Dieses Gespräch wurde im Rahmen der herCAREER Expo 2025 aufgezeichnet und als Podcast aufbereitet. Mehr über die herCAREER Expo unter www.her-career.com/expo

**Projektleitung: **Natascha Hoffner
**Redaktion: **Kristina Appel
**Produktion: **Bernhard Hiergeist

Transkript anzeigen

00:00:00: Das ist etwas, was auch in unserem

00:00:01: Land fehlt, dass wir den getöteten

00:00:03: Frauen einen Namen geben und

00:00:05: nicht nur eine Zahl in einer

00:00:07: Statistik.

00:00:08: Es geht tatsächlich darum, zu

00:00:09: beschreiben, dass sexualisierte

00:00:11: Gewalt eben nicht etwas Natürliches

00:00:13: ist, nicht "Männer sind

00:00:15: halt so", "boys will be boys",

00:00:17: all diese falschen Narrative,

00:00:20: sondern dass das wirklich etwas

00:00:22: kulturell Erzeugtes

00:00:24: ist, das eben auch kulturell

00:00:26: aufrechterhalten wird.

00:00:27: Ja, wir brauchen die Männer an

00:00:29: unserer Seite, wir brauchen

00:00:30: diejenigen, die kapieren, dass das

00:00:32: auch um ihre Gesellschaft geht,

00:00:34: nicht nur die Gesellschaft der

00:00:35: Frauen und von daher glaube ich

00:00:36: einfach, die richtigen Männer sind

00:00:38: Feministinnen.

00:00:49: Willkommen beim HerCareer Podcast.

00:00:51: Du interessierst dich für aktuelle

00:00:53: Diskurse aus Wirtschaft,

00:00:55: Wissenschaft, Politik und

00:00:56: Gesellschaft und das insbesondere

00:00:57: aus einer weiblichen Perspektive?

00:00:59: Vielleicht wünschst du dir

00:01:00: persönliche Einblicke in den

00:01:02: Arbeitsalltag von Menschen und

00:01:03: Unternehmen, die sich dem

00:01:04: gesellschaftlichen und

00:01:05: wirtschaftlichen Wandel stellen?

00:01:07: Dann bist du hier genau richtig.

00:01:12: Hass und Hetze im Netz, Catcalling

00:01:14: auf der Straße, Vergewaltigungen,

00:01:17: Femizide – alles keine Einzelfälle.

00:01:19: Wann erkennen wir Gewalt gegen

00:01:21: Frauen endlich als

00:01:22: gesamtgesellschaftliches Problem an?

00:01:24: In der folgenden Live-Aufnahme

00:01:25: sprechen die Expertinnen Maria

00:01:27: Noichl, Agota Lavoyer und

00:01:29: Romy Stangl über das Ausmaß

00:01:31: an digitaler, häuslicher und

00:01:32: sexualisierter Gewalt in unserer

00:01:34: Gesellschaft.

00:01:35: Die Journalistin Sylvia Feist

00:01:37: moderierte diesen Austausch, in dem

00:01:38: sich politische, beratende und

00:01:40: aktivistische Perspektiven

00:01:42: verbinden.

00:01:43: So wird die Folge auch zu einem

00:01:44: Appell: Wir können und dürfen

00:01:46: Gewalt an Frauen nicht weiter

00:01:48: normalisieren und ignorieren.

00:02:00: Wunderbar.

00:02:01: Ich freue mich schon, dass ihr dabei

00:02:03: seid.

00:02:04: Wir sprechen nämlich heute über

00:02:06: ein wichtiges Thema.

00:02:07: Ich stehe hier mit Maria Noichl,

00:02:10: Agota Lavoyer und

00:02:12: Romy Stangl.

00:02:14: Herzlich willkommen, ihr drei.

00:02:16: Ich stelle die drei ein bisschen vor

00:02:17: und dann gehen wir ins Gespräch.

00:02:19: Es geht heute um das Thema

00:02:21: Gewalt gegen Frauen.

00:02:23: Und in gewisser Weise auch Gewalt

00:02:25: gegen Kinder, weil das einfach eine

00:02:27: Struktur ist, die dann die gesamte

00:02:29: Gesellschaft durchzieht und alle zu

00:02:30: spüren bekommen.

00:02:32: Maria, die hier neben mir steht, ist

00:02:34: für die SPD im

00:02:36: Europaparlament und hat

00:02:38: einen Fokus auf die wirklich

00:02:40: grundlegenden Dinge im Leben,

00:02:42: nämlich Landwirtschaft und

00:02:44: Umweltfragen.

00:02:46: Aber deswegen bist du heute nicht

00:02:47: hier bei uns, denn du

00:02:49: bist auch im Unterausschuss

00:02:51: für Menschenrechte.

00:02:53: Menschenrechte sind ganz gewichtig,

00:02:55: auch Frauenrechte.

00:02:56: Das spielt also da auch schon mit

00:02:57: eine Rolle rein.

00:02:59: Und im Ausschuss für die Rechte der

00:03:01: Frauen und die Gleichstellung der

00:03:03: Geschlechter, wo es dann ganz

00:03:04: spezifisch auf das einzahlt, worüber

00:03:06: wir vier hier heute sprechen

00:03:07: möchten.

00:03:08: Du bist hier in Bayern,

00:03:10: das ist in gewisser Weise ein

00:03:11: Heimspiel für dich, weil du aus

00:03:13: Rosenheim kommst.

00:03:14: Und ich habe beschlossen, ich sage

00:03:16: hier mal, was die familiäre

00:03:18: Situation ist, in dem Sinn,

00:03:20: du bist Mutter von zwei Söhnen

00:03:22: und hast außerdem fünf

00:03:24: Enkelkinder, weil alles,

00:03:26: mit dem wir uns hier befassen, hat

00:03:28: einfach aus Auswirkungen

00:03:30: auf die Zukunft und auf die

00:03:32: Generation, die danach kommt.

00:03:34: Herzlich willkommen, Maria.

00:03:36: Neben Maria Noichl steht Agotha

00:03:38: Lavoyer.

00:03:40: Du bist eine der Schweizer

00:03:43: Expertinnen für sexualisierte

00:03:45: Gewalt und kennst das,

00:03:47: wie Romy, die neben dir steht,

00:03:48: auch aus der praktischen Beratung.

00:03:52: Von Opfern, wo wir schon

00:03:54: bei Begriffen sind, die schwierig

00:03:55: sind, denn es mag

00:03:57: sich nicht jede Frau Opfer nennen,

00:03:59: andere reden von Betroffenen, von

00:04:00: Überlebenden, und da sehen wir

00:04:02: schon, das ist ganz schwierig, sich

00:04:04: da auch selber zu verorten.

00:04:06: Du hast 2023

00:04:08: die Revision des

00:04:10: Schweizer Sexualstrafrechts

00:04:12: ganz maßgeblich mit vorangetrieben,

00:04:15: hast ein Kinderfachbuch zum Thema

00:04:17: geschrieben, "Ist das okay?" - ist

00:04:19: ein Bestseller

00:04:21: geworden, ne?

00:04:22: 15.000 Exemplare verkauft.

00:04:25: Und es geht darin eben um die

00:04:27: Prävention von sexualisierter

00:04:29: Gewalt.

00:04:31: Dein neues Buch "Jede Frau"

00:04:34: ist ein Buch gegen Rape Culture

00:04:37: und über eine Gesellschaft,

00:04:39: die sexualisierte Gewalt verharmlost

00:04:41: und normalisiert.

00:04:43: Du hast ebenfalls Kinder,

00:04:45: zwei Söhne, zwei Töchter.

00:04:47: Die ersten beiden davon im

00:04:49: Teenageralter angekommen, 13

00:04:50: und 14, wo genau solche Fragen

00:04:53: kommen und wo man sich trotzdem

00:04:55: von Mama auch nicht den Spaß daran

00:04:56: verderben lassen will, was es

00:04:58: da an aufregenden Dingen in der Welt

00:05:00: zu entdecken gibt.

00:05:02: Herzlich willkommen, Agota Lavoyer.

00:05:04: Die Dritte im Bunde hier mit uns,

00:05:06: Romy Stangl, du hast

00:05:09: einen Arbeitsalltag in der

00:05:10: Verwaltung, aber darum geht es auch

00:05:12: nicht, bist daneben

00:05:14: Gleichstellungsbeauftragte, da ist

00:05:15: dann die Connection zum Job.

00:05:17: Aber du bist auch

00:05:18: Menschenrechtsaktivistin,

00:05:21: Kolumnistin und Vorstandsfrau vom

00:05:23: Verein "One Billion Rising" in

00:05:24: München.

00:05:26: Du bist ebenfalls Co-Autorin

00:05:28: mehrerer Bücher.

00:05:29: Und am 25.

00:05:31: November, dem jährlichen Tag

00:05:33: gegen Gewalt gegen Frauen,

00:05:35: erscheint dein neues Buch, wo du

00:05:37: Mitherausgeberin bist.

00:05:39: Das Buch "Unerhört.

00:05:41: Frauen reden über häusliche Gewalt".

00:05:44: Und das ist etwas,

00:05:46: wo du offen darüber

00:05:48: sprichst, dass du das auch

00:05:50: selber erlebt hast und

00:05:52: deshalb genau weißt, wie wichtig

00:05:54: es ist, das Schweigen zu brechen,

00:05:57: also dass wir das aus der Tabuzone

00:05:58: holen.

00:05:59: Ich freue mich, dass ihr alle drei

00:06:00: hier seid.

00:06:01: Es gibt eine Frage, die möchte ich

00:06:03: ganz allgemein stellen und ich habe

00:06:04: mich gefragt, ob ihr glaubt,

00:06:06: dass wir an einem Punkt sind,

00:06:08: wo Menschen kapieren,

00:06:11: dass Gewalt gegen Frauen und eben

00:06:13: oft auch Kinder wirklich

00:06:15: ein gesellschaftliches Problem ist.

00:06:18: Ja, was heißt kapieren?

00:06:19: Ich würde mal sagen, viele kapieren

00:06:21: es. Viele kapieren, dass es eine

00:06:23: gesellschaftliche Situation ist und

00:06:24: dass auch eine Gesellschaft darauf

00:06:26: antworten muss.

00:06:27: Andererseits erleben wir jetzt im

00:06:29: europäischen Kontext, dass es wieder

00:06:31: Länder gibt, die sagen, private

00:06:33: Gewalt ist privat.

00:06:34: Angefangen hat es mit Österreich,

00:06:36: mit dem Thema, weil Strache damals

00:06:38: mit in der Regierung war und auf

00:06:40: einmal hieß es, private Gewalt ist

00:06:41: privat und Gelder für Frauenhäuser

00:06:43: wurden gestrichen.

00:06:44: Aber jetzt auch in Italien, Meloni

00:06:45: ist an der Führung und sagt, private

00:06:47: Gewalt ist privat.

00:06:48: Das heißt, es gibt natürlich

00:06:51: viele, die verstehen, dass

00:06:52: Gewalt und Gesellschaft hier eng

00:06:54: verknüpft ist.

00:06:55: Es gibt aber ebenfalls eine leider

00:06:57: immer größer werdende Gruppe,

00:06:59: die das Thema Gewalt ins Private

00:07:00: zurück drängen möchte und so

00:07:02: ungefähr sagt, wenn das Fenster zu

00:07:04: ist und niemand ist belästigt, dann

00:07:05: sollen wir uns nicht einmischen.

00:07:07: Ich glaube, die Gesellschaft muss

00:07:09: sich einmissen, es ist ein

00:07:10: gesellschaftliches Problem und es

00:07:12: ist momentan genau der Kampf, wird

00:07:14: progressiv nach vorne gegangen oder

00:07:16: eher rückwärts in eine Welt, in

00:07:18: die wir nicht zurückwollen.

00:07:20: Also ich hab schon das Gefühl, dass

00:07:21: sich im letzten Jahr auch medial was

00:07:23: getan hat, aber es ist dennoch so,

00:07:25: dass wir auch in der medialen

00:07:27: Sprache immer noch auch ein anderes

00:07:28: Wording brauchen, um einfach diese

00:07:30: Einzelfalldenkweise

00:07:32: abzulegen, die dort kommuniziert

00:07:34: wird, immer noch sehr oft mit

00:07:36: Familiendrama, Beziehungstat, etc.

00:07:38: Dort passiert auch immer noch in der

00:07:40: Berichterstattung teilweise

00:07:42: ein großer Fokus auf die Täter,

00:07:44: das heißt eine erklärende Funktion,

00:07:46: wo ich mir persönlich wünschen

00:07:48: würde, dass man die Perspektive der

00:07:50: Betroffenen, wo geht es los, was

00:07:52: passiert, wenn sie die Beziehung

00:07:53: verlässt, was sind die Folgen

00:07:56: von Partnerschaftsgewalt, dass

00:07:57: dieses Bild einfach auch

00:07:59: mitgezeichnet wird, dass es nicht so

00:08:01: weit weg ist, wenn man ständig hört,

00:08:03: Einzelfall, etc.

00:08:05: Und es ist schon noch so, dass das

00:08:07: für mich gefühlt ein Thema ist,

00:08:09: mit dem sich nicht, wir sehen es,

00:08:11: viele auseinandersetzen möchten,

00:08:13: aber wo noch viel Wissensbedarf auch

00:08:15: da ist.

00:08:16: Wenn ich in Kindergärten schaue,

00:08:18: wenn ich in Schulen schaue, wie da

00:08:19: auch teilweise die Überforderung

00:08:21: ist, mit diesem Thema umzugehen,

00:08:24: also müssen wir schon noch viele

00:08:25: große Schritte gehen, aber wir sind

00:08:26: auf einem guten Weg.

00:08:28: Also es geht nicht damit los,

00:08:30: so wie man oftmals auch meint, dass

00:08:31: es mit der körperlichen Gewalt

00:08:33: beginnt. Es beginnt viel subtiler,

00:08:36: es beginnt mit Worten, wo

00:08:37: man auch Abhängigkeiten schafft,

00:08:39: im Ökonomischen zum Beispiel auch.

00:08:42: Und es dreht sich dann hoch,

00:08:44: dass quasi das Schuldgefühl

00:08:46: der betroffenen Person gefördert

00:08:48: wird. Dass sie schuld an gewissen

00:08:49: Situationen ist, um diese

00:08:51: Gewalt, die dann emotional,

00:08:53: körperlich oder auf andere Art und

00:08:54: Weise ausgeübt wird,

00:08:56: gerechtfertigt wird.

00:08:58: Und letztendlich ist es dann so,

00:09:00: dass man diese Gewalt dann auch

00:09:01: als gerechtfertigt anerkennt,

00:09:04: wenn man in dieser Spirale drin ist.

00:09:08: Oftmals gelingt es auch nicht,

00:09:10: den Blick aus dieser Beziehung

00:09:11: herauszunehmen, wenn man

00:09:13: sich in dieser Bezieung befindet, um

00:09:15: zu sagen, ja, ich finde jetzt die

00:09:16: Kraft, herauszugehen.

00:09:18: Ich würde sagen, dass ein Großteil

00:09:19: der Frauen es nicht alleine schafft,

00:09:22: aus dieser Beziehungen herauszukommen.

00:09:24: Deswegen ist die

00:09:25: Informationsmöglichkeit,

00:09:28: die viele Menschen nutzen sollten,

00:09:29: um auch zu helfen, um Ansprache

00:09:31: zu ermöglichen, so, so wichtig.

00:09:34: Agota, du warst ja auch in der

00:09:36: Betroffenenberatung tätig und

00:09:38: du erzählst in deinem Buch halt

00:09:40: auch, dass allein schon die

00:09:41: Selbstbeschreibung so schwer ist,

00:09:44: weil sich Frauen gar nicht als Opfer

00:09:46: fühlen möchten und wenn man

00:09:48: sagt Betroffene, ist es vielleicht

00:09:49: trivialisierend.

00:09:51: Was hast du da erlebt in der

00:09:53: Auseinandersetzung mit

00:09:55: den, for a

00:09:57: lack of a better word,

00:09:59: Betroffenenen?

00:10:00: Ja, genau, also das mit den

00:10:01: Begrifflichkeiten, das ist ein

00:10:03: großes Thema, dort kann ich

00:10:05: vielleicht noch ganz kurz dazu

00:10:06: sagen, ich habe sehr, sehr viele

00:10:08: Betroffene oder Opfer oder

00:10:10: Überlebende gefragt, wie sie sich

00:10:12: selber nennen, welchen Begriff sie

00:10:14: am passendsten finden und die

00:10:16: Antworten sind unheimlich

00:10:17: unterschiedlich. Also ich denke,

00:10:19: wichtig ist, dass wir

00:10:20: verantwortungsvoll über Betroffe,

00:10:23: geschlechtspezifische Gewalt oder

00:10:24: überhaupt von Gewalt reden und

00:10:27: wahrscheinlich gibt es nicht denen

00:10:28: einen korrekten Begriff

00:10:30: für alle.

00:10:31: Du hättest es eigentlich noch

00:10:33: lieber, was jetzt so als Zeile

00:10:35: oben drüber steht, "Rape Culture"

00:10:37: genannt, weil es

00:10:40: unsere Kultur so stark durchzieht.

00:10:43: Und du hast gestern schon mit

00:10:45: Kristina gesprochen.

00:10:46: Die Situation auf dem Oktoberfest,

00:10:49: eigentlich ein großes Fest,

00:10:50: aufgeladen,

00:10:52: die Leute wollen miteinander feiern,

00:10:54: fröhlich sein.

00:10:54: Und dann gibt es eben doch über 70

00:10:56: gemeldete Übergriffe, fünf Vergewaltigungen.

00:11:00: Was macht es in unserer

00:11:02: Kultur möglich,

00:11:04: dass solche Übergriffe so alltäglich

00:11:06: sind?

00:11:06: Dieser Begriff Rape Culture, ich

00:11:08: denke, der stößt sehr häufig auf

00:11:10: Ablehnung und ich denke vor allem,

00:11:11: weil er nicht verstanden oder falsch

00:11:13: verstanden wird.

00:11:14: Es geht dabei wirklich darum, zu

00:11:15: beschreiben, dass wir in einer

00:11:16: Gesellschaft, in

00:11:18: einer Kultur der sexualisierten

00:11:20: Gewalt leben, das heißt, in

00:11:22: eine Gesellschaft, in der

00:11:23: sexualisierte Gewalt eben nicht eine

00:11:25: Ausnahme ist, nicht Einzelfälle oder

00:11:27: Einzeltaten sind, sondern

00:11:29: sexualisierte oder überhaupt

00:11:31: geschlechtsspezifische Gewalt

00:11:32: tatsächlich ein

00:11:34: leider sehr wirksames Instrument

00:11:36: sind, um die bestehenden

00:11:38: Machtverhältnisse auch

00:11:39: festzuerhalten.

00:11:41: Und es geht tatsächlich darum,

00:11:43: zu beschreiben, dass sexualisierte

00:11:44: Gewalt nicht etwas Natürliches

00:11:46: ist, "Männer sind

00:11:48: halt so", "boys will be boys",

00:11:51: oder sexualisiert Gewalt passiert

00:11:52: halt, weil die

00:11:54: Frau provoziert oder weil er

00:11:57: nicht anders konnte und es

00:11:58: eigentlich gar nicht so gemeint hat,

00:11:59: all diese falschen Narrative

00:12:01: oder Mythen, wie man sie heute

00:12:03: nennt, sondern dass das wirklich

00:12:05: etwas kulturell

00:12:07: Erzeugtes ist,

00:12:09: das eben auch kulturel

00:12:10: aufrechterhalten wird.

00:12:12: Nicht zuletzt, du hast es es vorhin

00:12:13: erwähnt, in der Populärkultur,

00:12:15: wenn wir schauen, was wir

00:12:17: an Kunst, an Literatur, an Filmen

00:12:20: konsumieren, dann wird die Rape

00:12:22: Culture eigentlich reproduziert.

00:12:25: Maria, wie sprecht ihr darüber im

00:12:27: Europaparlament?

00:12:29: Ja, mit all diesen Facetten.

00:12:30: Denn komischerweise ist das überall

00:12:32: gleich.

00:12:33: Und zwar sogar weltweit überall

00:12:34: gleich! Es gibt nicht so

00:12:36: diese europäische Art der Gewalt,

00:12:38: sondern es ist weltweit zu sehen,

00:12:40: dass es ein Kleinhalten von

00:12:42: Frauen gibt durch Gewalt.

00:12:44: Wie kann ich Frauen kleinhalten?

00:12:47: Sei es in der Gesellschaft, das

00:12:48: Wachsen verhindern, sei es in der

00:12:49: Familie, das Wachsen verhindern,

00:12:51: sie auf ihren Platz zurückdrängen,

00:12:53: auf den Platz, ich möchte mal sagen

00:12:54: am Herd und bei den Kindern, ja das

00:12:56: kann ich mit Gewalt und oftmals mit

00:12:58: sexualisierter Gewalt, auch im

00:13:00: Ehebett natürlich genauso oder

00:13:02: auch mit verbaler Gewalt.

00:13:03: Das ist überall gleich und es ist

00:13:05: wirklich wie ein Krebs.

00:13:07: Wie ein Krebs, der sich durch Europa

00:13:09: frisst und der ja jeden

00:13:10: Tag einige Tote mit sich

00:13:12: bringt. Femizide, die die Spitze

00:13:14: der Gewalt sind.

00:13:15: Das heißt: Wenn wir

00:13:17: ganz klar zu dem Projekt Europa

00:13:20: stehen, dann muss das bedeuten,

00:13:23: dass es ein Wohlfühlort

00:13:25: auch für Frauen,

00:13:27: ein Sicherheitsort natürlich

00:13:29: auch für Frau und das über

00:13:31: die Grenzen hinweg auf gleiche Art

00:13:33: und Weise. Es kann nicht sein, dass

00:13:35: eine Frau, weil sie in Rumänien

00:13:36: geboren ist, andere

00:13:37: Rechtssituationen hat, als wenn sie

00:13:39: in Deutschland oder in Spanien

00:13:40: geboren ist. Das heißt, unser Ziel

00:13:42: ist es, Mindeststandards

00:13:44: einzuführen, die auch von nationalen

00:13:46: Regierungen nicht gekapert

00:13:48: werden können, um deutlich zu

00:13:49: machen, Europa hat ein Standing,

00:13:51: ein Wertestanding und auch ein

00:13:53: Standing zum Thema Gewalt, das

00:13:55: wie gesagt Mindeststandards durch

00:13:57: alle 27 Länder bringt.

00:13:59: Ich will noch kurz anmerken, wir

00:14:01: sehen ja immer wieder neue Formen

00:14:03: geschlechtsspezifischer Gewalt, die

00:14:04: es so in der Form vor 10,

00:14:06: 20 Jahren nicht gab, jetzt zum

00:14:07: Beispiel, weil es die digitalen

00:14:09: Medien in der Form ja gar nicht gab

00:14:10: und ich finde das ganz wichtig,

00:14:12: sich auch bewusst zu sein, das zeigt

00:14:14: schlussendlich auch,

00:14:16: dass sexualisierter Gewalt,

00:14:17: geschlechtsspezifische Gewalt nicht

00:14:18: einfach verschwinden oder sich

00:14:19: vermindern wird, wenn wir nichts

00:14:21: dafür tun.

00:14:22: Und im Gegenteil, sie sucht sich

00:14:23: eigentlich immer neue Wege.

00:14:26: Also, genau, so das

00:14:28: zu dem. Ja, was rechtlich ist,

00:14:30: ich meine, wir müssen uns bewusst

00:14:31: sein, das Gesetz hinkt ja

00:14:32: gesellschaftlich immer

00:14:34: einen Schritt hinterher.

00:14:36: Ich finde es extrem wichtig, dass

00:14:37: wir wirklich, ja, wir haben gestern

00:14:39: darüber gesprochen und ich glaube in

00:14:40: Deutschland ist die Situation noch

00:14:42: etwas anders als in der Schweiz, was

00:14:43: genau wie auch im Punkt der

00:14:45: geschlechtsspezifischen Gewalt

00:14:46: strafrechtlich wie

00:14:48: geahndet wird, aber grundsätzlich

00:14:50: widerspiegeln ja Gesetze, was in

00:14:52: einer Gesellschaft als Recht und als

00:14:54: Unrecht gilt.

00:14:55: Deshalb ist es unheimlich wichtig,

00:14:57: dass tatsächlich all das, was wir

00:14:58: als gesellschaftlich heute

00:15:00: als verwerflich, als Unrecht

00:15:02: definieren, als Verbrechen

00:15:03: definieren, tatsächlich auch im

00:15:05: Gesetz so widergespiegelt

00:15:07: wird. Sei es jetzt zum Beispiel

00:15:08: Catcalling, das ist ja

00:15:10: die sexuelle Belästigung im

00:15:11: öffentlichen Raum, das jetzt ja

00:15:13: diskutiert wäre, ob das nicht auch

00:15:14: gesetzlich verankert werden soll,

00:15:16: oder daneben auch das Thema Femizid

00:15:18: als eigenen Straftatbestand.

00:15:21: Upskirting haben wir ja gestern auch

00:15:23: darüber gesprochen.

00:15:24: Also ich finde es gibt ja immer

00:15:25: wieder auch Kritik daran,

00:15:27: also das Strafrecht allein ist

00:15:29: natürlich nicht eine Prävention,

00:15:31: das wird nicht Gewalt verhindern,

00:15:33: aber ich denke es führt dazu,

00:15:35: dass viel, viel klarer ist, was

00:15:37: ist eigentlich die Haltung in

00:15:39: unserer Gesellschaft und eben was

00:15:40: akzeptieren wir und was akzeptieren

00:15:41: wir nicht mehr.

00:15:43: Ergänzend dazu, ich merke

00:15:45: es immer auch wieder im Austausch,

00:15:46: zum Beispiel mit Polizistinnen und

00:15:48: Polizisten, die mit dem Thema

00:15:49: behaftet sind, dass es sehr

00:15:52: schwierig ist, das nachzuverfolgen.

00:15:54: Also die Zahl der Frauen,

00:15:56: die sich meldet, ist schon relativ

00:15:58: hoch mittlerweile, dass auch

00:16:00: Anzeige erstattet wird, das ist ein

00:16:01: gutes Zeichen, finde ich,

00:16:04: aber es ist so, dass die Handhabe

00:16:06: einfach auch dann das strafrechtlich

00:16:08: zu verfolgen, bei uns noch nicht

00:16:10: in dem Maße, also ich spreche von

00:16:11: digitaler Gewalt, in dem Maße

00:16:13: gegeben ist.

00:16:15: Opfer sind meistens über Jahre

00:16:17: von, ich sage es bewusst so, von

00:16:19: Menschen, die sie terrorisieren

00:16:21: mit digitaler Gewalt, auch an ihre

00:16:23: mentalen und körperlichen Grenzen

00:16:24: damit gebracht werden, fühlen sich

00:16:26: oftmals verlassen,

00:16:28: verloren, nicht gehört.

00:16:30: Und die Polizei würde auch gerne

00:16:32: mehr tun, kann es aber leider nicht.

00:16:34: Also da braucht es auch für die

00:16:35: Menschen, die systemrelevant

00:16:38: mit Betroffenen zu tun haben,

00:16:40: einfach auch rechtliche Grundlagen,

00:16:42: um da besser agieren zu können in

00:16:43: unserem Land, definitiv im Bereich

00:16:45: digitale Gewalt.

00:16:47: Mir ist auch noch wichtig deutlich

00:16:48: zu machen, dass es nicht nur die

00:16:50: Täter und die Opfer gibt,

00:16:52: sondern es gibt dazwischen sowas wie

00:16:54: Gewalt-Zuhälter.

00:16:55: Es gibt sozusagen welche, die

00:16:57: verdienen da dran.

00:16:58: Das sind Plattformen unter anderem,

00:16:59: das sind die, die Klicks bekommen,

00:17:01: dort wo Werbung mitgeschaltet wird.

00:17:02: Das heißt, es gibt eine Gruppe von

00:17:04: Zuhältern, ich möchte wirklich das

00:17:06: Wort nehmen, die eigentlich an der

00:17:08: Gewalt, an der wirklichen

00:17:10: Stalking-Situation, an

00:17:11: dem Bashing auf den Online-Seiten,

00:17:13: daran mitverdienen und das ist so

00:17:15: pervers.

00:17:16: Natürlich müssen wir die Täter im

00:17:18: Blick haben und natürlich sage ich,

00:17:20: Täter gehören bestraft und zwar so

00:17:21: bestraft, dass sie es auch spüren.

00:17:23: Aber was wir unbedingt nicht aus dem

00:17:25: Blick lassen dürfen, dass ihnen das

00:17:27: Täter-Sein durch die Gewaltzuhälter

00:17:29: leicht gemacht wird.

00:17:30: Und hier schauen wir noch viel zu

00:17:32: lange weg. Man ist immer so der

00:17:33: Meinung, eine Plattform wäre etwas

00:17:34: Neutrales wie die Bundespost.

00:17:36: Sowas wie ein gelber Briefkasten.

00:17:38: Na ja, wenn da jemand einen Brief

00:17:39: reinschmeißt, wo schlimme Dinge

00:17:40: drinstehen, kann doch die Post

00:17:41: nichts dafür.

00:17:42: Wenn aber die Post daran

00:17:43: mitverdient, dass da schlimme

00:17:45: Dinge drin stehen und Nacktbilder

00:17:47: drin sind und die Post verdient mit

00:17:49: dran, diese Briefe zu befördern,

00:17:50: dann muss ich sagen, wäre auch die

00:17:51: Post ein Zuhälter.

00:17:52: Das müssen wir kapieren, dass die

00:17:54: Plattformen Zuhälter sind und da

00:17:56: müssen wir ran. Und da können wir

00:17:57: nur europäisch ran, denn das ist

00:17:58: grenzüberschreitend.

00:17:59: Das kann nicht irgendein Bundesland

00:18:00: oder ein Mitgliedsland alleine

00:18:02: machen. Das müssen man europäsch

00:18:04: machen und eigentlich müssen wir

00:18:05: sogar weltweit machen.

00:18:06: Aber es gibt auch schon

00:18:10: in der Jugendarbeit sehr positive

00:18:13: Projekte, die helfen,

00:18:16: dort Betroffene zu unterstützen.

00:18:18: Also die Medienanstalt NRW hat

00:18:19: dieses Projekt "Zebra ruft"

00:18:20: [www.fragzebra.de], wo man sich auf

00:18:22: einer Website anonym mit seinem

00:18:24: Anliegen hinwenden kann und dann auf

00:18:26: der anderen Seite Anwälte,

00:18:28: etc. Fachpersonen sich befinden,

00:18:30: die dann einfach auch Wege

00:18:32: aufzeigen, wie dass man diese

00:18:34: Chats fotografiert, d ass man das

00:18:36: nachhält.

00:18:36: Dann klärt man auch über

00:18:38: Cybergrooming und solche Dinge auf.

00:18:40: Also das ist auch etwas, dass

00:18:42: man bei jungen Menschen schon

00:18:43: anfängt, das würde ich mir

00:18:45: gerne multipliziert wünschen, auch

00:18:47: für das ganze Land solche Projekte,

00:18:49: die einfach eine Ansprache möglich

00:18:50: machen. Das ist bisher noch nicht...

00:18:52: also ich kenne zum Beispiel hier in

00:18:54: Bayern so ein Projekt nicht

00:18:55: wirklich.

00:18:56: Ich würde es mir wünschen, dass wir

00:18:58: einfach schon da bei den jungen

00:18:59: Leuten anfangen aufzuklären und,

00:19:02: ja, auch Sicherheit zu schaffen,

00:19:03: dass es Wege gibt, sich zu

00:19:05: informieren darüber.

00:19:06: Und vielleicht auch noch mal den

00:19:07: Link gemacht dann zur

00:19:08: Gewaltpyramide, weil eben das

00:19:10: Strafrecht, das setzt ja, das kann

00:19:12: ja höchstens in der Spitze der

00:19:13: Pyramide bei denjenigen

00:19:15: bestrafen, die tatsächlich

00:19:18: Gewalt ausgeübt haben.

00:19:19: Aber da gibt es ja noch ganz viele

00:19:20: andere, wie Sie gesagt haben,

00:19:22: die daran mitverdienen, die

00:19:24: profitieren.

00:19:25: Da möchte ich gerne noch mal einen

00:19:26: Link und gerne noch ein kurzes

00:19:27: Beispiel erwähnen, wo man so gut

00:19:29: aufzeigen kann, was eben diese Rape

00:19:31: Culture ist.

00:19:32: Und zwar ganz kurz, mit

00:19:34: dem Fall Gisèle Pelicot, einfach um

00:19:36: aufzuzeigen, wer hat eigentlich dort

00:19:38: alles, das diese Fälle

00:19:40: ermöglicht und diesen fast hundert

00:19:41: Männern überhaupt ermöglicht,

00:19:43: diese Vergewaltigungen auszuüben.

00:19:45: Und zwar hat ja der Ex-Mann von

00:19:47: Gisèle Pelicot diese Annonce

00:19:48: geschaltet gehabt, wo er ja ganz

00:19:50: klar geschrieben hat, was er vorhat,

00:19:52: dass er seine Frau sediert und

00:19:54: sie dann zu sexuellen Handlungen

00:19:56: anbietet.

00:19:57: Und als der ganze Fall aufgeflogen

00:19:59: ist und man die Webseite offline

00:20:00: genommen hat, hat man geschaut, wie

00:20:02: viele Menschen haben diese Annonce

00:20:04: gesehen, in all diesen 10

00:20:05: Jahren. Und das waren 50.000

00:20:08: Personen.

00:20:09: Und von diesen 50.00 Personen,

00:20:10: die diese Annonce, die ganz klar

00:20:12: sich um sexuisierte Gewalt

00:20:14: gedreht hat, haben genau

00:20:16: 0 Prozent eine

00:20:18: Meldung gemacht.

00:20:19: Eine Meldungen an die Plattform,

00:20:21: wo die Annonce stand, eine anonyme

00:20:23: oder nicht anonymen Meldung an die

00:20:24: Polizei. Also das heißt,

00:20:27: dass in dem Ausmaß

00:20:29: Gewalt gegen Frauen ausgeübt werden

00:20:31: kann, ist nur möglich,

00:20:33: weil unheimlich viele Menschen

00:20:35: zuschauen oder wegschauen,

00:20:37: ignorieren, verharmlosen, vielleicht

00:20:39: auch im Fall Gisèle Pelicot gedacht

00:20:41: haben, ist ja privat, oder

00:20:43: wer weiß, vielleicht will sie das

00:20:44: ja, oder geht mich nichts an, ich

00:20:46: klicke einfach weiter.

00:20:47: Ich glaube, das ist ganz, ganz

00:20:48: wichtig zu verstehen.

00:20:50: Also es wäre nicht möglich, dass

00:20:52: so viel Gewalt gegen Frauen ausgeübt

00:20:54: wird, wenn nicht ganz viele Menschen

00:20:56: profitieren würden, wegschauen

00:20:58: würden, ignorieren würden und

00:20:59: verharmlosen würden.

00:21:02: Gefühlsmäßig kommt auch immer noch

00:21:03: eins rüber, das Thema

00:21:05: Eigentum.

00:21:06: Ganz früher war ja sowas wie

00:21:08: Vergewaltigung als Eigentumsdelikt

00:21:09: eingruppiert.

00:21:10: Denn es war ja das Eigentum des

00:21:12: Vaters beschädigt oder das Eigentum

00:21:14: des Mannes beschädigt.

00:21:15: Es ging ja nicht um die Frau.

00:21:16: Die Frau ist ja erst ins Spiel

00:21:17: gekommen, als es um die sexuelle

00:21:18: Selbstbestimmung gegangen ist.

00:21:20: Also früher war Vergewaltigung ein

00:21:21: Eigentumsdelikt und ich muss sagen,

00:21:23: ich habe immer noch das Gefühl, dass

00:21:24: bei ganz vielen da oben das Wort

00:21:26: "meine Frau" nicht ein

00:21:28: Zugehörigkeitsartikel ist, sondern

00:21:30: ein Eigentumsartikel.

00:21:31: Und das merken wir auch gerade bei

00:21:33: den Femiziden, dass wenn sich eine

00:21:35: Frau dann trennen will, dass auf

00:21:36: einmal das Eigentum in Gefahr

00:21:38: ist und dann lieber sterben als das

00:21:41: Eigentum verlieren, also lieber die

00:21:42: Frau töten als das Eigentum

00:21:43: verlieren. Das ist etwas,

00:21:45: was immer noch in den Köpfen

00:21:46: wirklich, obwohl das schon lange

00:21:48: her ist, dass es bei uns als

00:21:49: Eigentumsdelikt eingestuft wird, ist

00:21:51: es aber immer noch in den Köpfen,

00:21:52: als wären Frauen, aber auch

00:21:54: Kinder Eigentum.

00:21:56: Und da müssen wir ran, natürlich

00:21:57: auch mit Erziehung, mit Prävention,

00:22:00: aber ich möchte schon nochmal sagen,

00:22:01: mit deutlich mehr Strafe.

00:22:03: Und nicht immer nur so ein bisschen.

00:22:05: Und wenn wir über Dunkelziffern

00:22:06: reden, wissen wir auch, je weiter

00:22:08: entfernt ein Täter ist, desto

00:22:10: kleiner ist die Dunkelziffer.

00:22:11: Also wer heute heimgeht und auf der

00:22:13: Straße vergewaltigt wird, geht

00:22:14: statistisch oft zur Polizei.

00:22:16: Fast immer.

00:22:17: Wenn es daheim im Ehebett passiert,

00:22:19: aber statistisch nicht.

00:22:20: Dort ist die Dunkelziffer so groß

00:22:22: und dort sind wirklich die, die

00:22:24: tagtäglich leiden.

00:22:25: Und die ganz klar in ihrer

00:22:27: Entfaltung der Persönlichkeit

00:22:28: eingeschränkt werden, weil es um

00:22:30: Macht geht.

00:22:31: Romy, du bist

00:22:33: ja ganz stark dabei, hast eine

00:22:34: Petition gestartet, dass die

00:22:36: Betroffenenperspektive stärker

00:22:38: einbezogen werden muss, weil das

00:22:39: dann auch wiederum eine

00:22:40: Ausbildungsfrage ist für

00:22:42: Polizisten, Polizistinnen in

00:22:45: der Justiz.

00:22:46: Was stellst du dir vor?

00:22:47: Was können diese Betroffenenräte

00:22:49: wirklich miteinbringen?

00:22:50: Es ist natürlich auch immer noch so,

00:22:52: dass eine Stigmatisierung erfolgt,

00:22:54: wenn gerade auch Betroffene von

00:22:56: sexualisierter Gewalt den

00:22:58: Vorfall melden.

00:22:59: Es ist immer noch im Raum, was

00:23:00: hattest du an?

00:23:01: Ja, und solche Dinge, die einfach

00:23:03: aufhören müssen und zum

00:23:05: Thema, was du gesagt hast, liebe

00:23:07: Maria, glaube ich,

00:23:09: wir haben auch immer noch dieses

00:23:10: Thema, dass Frauen in Frauenhäuser

00:23:12: gehen müssen und

00:23:14: nicht, dass Täter

00:23:15: sich in verpflichtende Prävention

00:23:18: begeben müssen, dass sie, in

00:23:19: Frankreich gibt es ja diese

00:23:21: Täterhäuser, die sehr erfolgreich

00:23:22: auch sind, wo dann auch die

00:23:24: Rückfallquote zu Gewalt einfach

00:23:26: sich minimiert hat.

00:23:28: Neben der Fußfessel, die im Raum

00:23:29: ist, braucht es auch begleitend

00:23:31: trotzdem Projekte, die

00:23:33: Prävention ermöglichen und

00:23:35: die Täterarbeit verpflichten.

00:23:37: Also das muss parallel laufen, weil

00:23:39: nur die Fußfessel ist nicht das

00:23:41: Nonplusultra.

00:23:42: Und warum Betroffenenperspektive?

00:23:44: Also ich glaube, ich habe das auch

00:23:45: im Austausch mit vielen, natürlich

00:23:47: mit Verbänden, mit Trägern und so

00:23:49: weiter, immer wieder auch

00:23:51: gehört, dass man sich das sogar

00:23:52: wünscht. Weil so ist das,

00:23:54: wer kann besser sagen, was es

00:23:56: braucht an verschiedenen Stellen als

00:23:58: die Menschen, die das System

00:24:00: erleben Tag für Tag, die sich

00:24:02: in diesem System befinden und die

00:24:04: es einfach auch spiegeln können und

00:24:06: wiedergeben können, was es

00:24:08: braucht, natürlich ergänzend zu

00:24:10: Fachmenschen in dem Bereich.

00:24:12: Ja, und es gab ja auch ein

00:24:13: Pilotprojekt mit dem Betroffenenrat

00:24:15: in Bremen, der sehr erfolgreich

00:24:17: jetzt in die zweite Legislatur

00:24:19: geht und wo auch die Evaluation

00:24:22: einfach gezeigt hat, dass

00:24:24: es sehr positiv aufgenommen wurde

00:24:26: von Hilfe- und Beratungsstellen,

00:24:28: auch teilweise von der Politik

00:24:30: etc.

00:24:31: etc. Und da braucht es einfach

00:24:33: Multiplikation, weil wir haben in

00:24:35: jedem Bundesland auch andere

00:24:37: Voraussetzungen im Hilfesystem,

00:24:39: die aufgenommen werden müssen und

00:24:40: die auch wiedergegeben werden

00:24:42: müssen.

00:24:43: Und andere rechtliche Vorausetzungen

00:24:45: haben wir auch in den Ländern

00:24:46: teilweise. In Bayern ist es ja

00:24:49: noch ein bisschen schwieriger, habe

00:24:50: ich zum Beispiel das Gefühl.

00:24:51: Ja, und das finde ich wichtig, dass

00:24:53: wir hier die Betroffenen mit an die

00:24:54: Tische nehmen.

00:24:55: Im Hilfessystem ist jede dritte

00:24:57: Person, das weiß man, selbst

00:24:59: betroffen, die dort mit

00:25:01: schon an runden Tischen jetzt sitzen

00:25:03: und in Gremien sitzen.

00:25:04: Das heißt, da muss einfach ein

00:25:06: gemeinsamer Weg entstehen und die

00:25:08: Betroffenenperspektive miteinbezogen

00:25:10: werden. Ganz dringend.

00:25:12: Du hast gerade eben erzählt, dass

00:25:13: du dich selber halt auch schuldig

00:25:15: gefühlt hast und diese

00:25:17: Täter-Opfer-Umkehr, die der Täter

00:25:19: dann macht, tatsächlich auch eine

00:25:20: Weile verinnerlicht hast, bevor du

00:25:22: dich hast befreien können.

00:25:24: Und Agota, du schreibst in deinem

00:25:25: tatsächlich auch, wie viel

00:25:27: alltägliche Gewalt du übers

00:25:29: Leben erlebt hast, bis

00:25:31: hin zu einer sehr schwierigen

00:25:33: Situation, als du als junge Frau

00:25:35: in Indien warst, wie man

00:25:37: das vor sich selber runterspielt.

00:25:39: Nicht nur als Selbstschutz, sondern

00:25:41: weil die Message immer ist, komm

00:25:42: jetzt stell dich nicht so an, es

00:25:43: gibt echt Schlimmeres.

00:25:45: Was hast du in deiner

00:25:46: Beratungsarbeit da

00:25:48: erfahren und was wünschst du dir

00:25:50: an Umdenken?

00:25:52: Ja, tatsächlich werden, ich

00:25:54: würde behaupten, die allermeisten

00:25:56: Frauen dahingehend sozialisiert,

00:25:58: dass wir eigentlich unserer

00:25:59: Wahrnehmung nicht vertrauen dürfen.

00:26:01: Das fängt an mit Sätzen, die man ja

00:26:03: oft schon als Kind, als Jugendliche

00:26:05: zu hören bekommt, sei nicht so, oder

00:26:06: Mädchen sind immer so kompliziert,

00:26:08: die sind so überempfindlich,

00:26:10: die werden gleich so hysterisch und

00:26:11: so weiter.

00:26:13: Ich denke, das haben wir alle

00:26:14: gehört, meistens in den Momenten, in

00:26:15: denen wir versucht haben, Nein zu

00:26:17: sagen oder unsere Grenzen zu wahren.

00:26:20: Und das macht natürlich unheimlich

00:26:21: viel mit einem und ich habe das

00:26:23: tatsächlich, also mich hat das

00:26:25: fast schon erschreckt oder

00:26:26: schockiert, bei den Opferberatungen

00:26:28: zu realisieren, ich habe ja bei

00:26:29: einer Opferhilfestelle gearbeitet,

00:26:31: die ausschließlich Betroffene von

00:26:33: sexualisierter Gewalt beraten hat.

00:26:34: Wir waren für alle Fälle zuständig,

00:26:36: tendenziell kamen Betrofene von

00:26:38: schwerwiegenderen Gewaltvorfällen,

00:26:41: also die von denen betroffen waren.

00:26:42: Und die allermeisten sind

00:26:44: eingestiegen mit den Sätzen, ja,

00:26:46: vielen Dank, dass die sich Zeit

00:26:47: nehmen für mich.

00:26:48: Andere haben sicher viel Schlimmeres

00:26:50: erfahren und wahrscheinlich bin ich

00:26:51: einfach zu empfindlich, Aber mir

00:26:53: geht's nicht gut.

00:26:54: Und dann erzählen sie, wie sie

00:26:55: vergewaltigt wurden.

00:26:57: Also, wie zu merken, sogar bei

00:26:59: den schwerwiegendsten Formen

00:27:01: sexualisierter Gewalt sind so

00:27:03: viele unsicher, ob das, was sie

00:27:04: erfahren haben, wirklich

00:27:06: Gewalt war.

00:27:08: Und dafür können sie nichts, sondern

00:27:09: das hat eben das, das du

00:27:11: angesprochen hast, damit zu tun,

00:27:12: dass wir in einer Gesellschaft

00:27:13: leben, in der die allermeisten

00:27:15: Formen sexualisierte Gewalt, wenn

00:27:17: sie nicht am Stereotyp von

00:27:19: "auf der Straße, der Täter, der

00:27:21: Psychopath springt aus dem Busch

00:27:23: und vergewaltigt", wenn es nicht dem

00:27:24: entspricht, dann sehen wir

00:27:26: es eben nicht als sexualisierte

00:27:28: Gewalt an.

00:27:29: Das hat natürlich auch großen

00:27:31: Einfluss auf die Betroffenen selber,

00:27:33: die dann so verunsichert sind.

00:27:35: Und ich glaube, das wiederum führt

00:27:36: dazu, dass es sich sehr viele

00:27:38: Menschen, auch im Helfersystem,

00:27:40: im besten Fall jetzt nicht bei der

00:27:41: Opferhilfe, es sich sehr

00:27:43: einfach machen und sich sagen, ja

00:27:45: gut, also wenn nicht mal sie sicher

00:27:46: ist, ob das wirklich Gewalt ist, ob

00:27:48: jetzt häusliche oder sexualisierte,

00:27:50: dann wird's das wohl nicht sein,

00:27:51: weil das ist doch etwas, das man

00:27:53: weiß, das man spürt, das man sofort

00:27:55: versteht.

00:27:56: Und dort finde ich es einfach ganz

00:27:57: wichtig, sich bewusst zu machen,

00:27:59: dass wir eben, wie schädlich auch

00:28:01: diese sogenannten Vergewaltigungsmythen

00:28:02: oder all diese Mythen rund um

00:28:04: häusliche und sexualisierte Gewalt

00:28:06: sind, und eben auch dazu führen,

00:28:08: dass Betroffene selber nicht

00:28:09: erkennen, wo Gewalt

00:28:11: anfängt oder wann sie Gewalt

00:28:13: erfahren.

00:28:16: Die gesellschaftliche Sichtweise,

00:28:17: auch die teilweise innerfamiliär bei

00:28:19: häuslicher Gewalt passiert, ja dass,

00:28:21: oftmals bekomme ich heute noch die

00:28:23: Frage, warum bist du nicht gegangen?

00:28:25: Viele gehen davon aus, dass wenn man

00:28:27: gegangen ist, dass dann sich alles

00:28:29: auflöst und alles gut wird.

00:28:31: Das ist aber mitnichten so.

00:28:32: Da stehen den Betroffenen ganz viele

00:28:34: schwere Wege noch bevor,

00:28:36: ehe sie überhaupt wieder in ein

00:28:38: normales Leben in Anführungszeichen

00:28:40: starten können.

00:28:41: Und es ist auch immer so, dass diese

00:28:43: Fragen einfach auch falsch gestellt

00:28:45: sind, finde ich.

00:28:46: Warum fragt niemand, warum durfte er

00:28:48: das tun?

00:28:49: Warum schlägt er sie?

00:28:50: Diese Frage ist einfach

00:28:52: zu wenig gestellt oder auch in der

00:28:54: Berichterstattung.

00:28:55: Da sagt man nicht, der Mann hat die

00:28:57: Frau geschlagen, sondern die Frau

00:28:58: wurde geschlagen.

00:29:00: Diese Täterbenennung ist

00:29:02: einfach viel zu

00:29:04: versteckt.

00:29:05: Im Gegenteil, es wird oftmals auch

00:29:07: noch eine Entschuldigung gesucht für

00:29:08: den Mann, der geschlagen hat, er

00:29:10: hatte eine schwere Geschichte etc.

00:29:12: Also es ist auch so, dass sie

00:29:14: das dann auch oftmals kommt, sie hat

00:29:16: ihn provoziert, aber es wird schon

00:29:17: irgendwas gewesen sein, dass er

00:29:19: zugeschlagen hat.

00:29:20: Weil man diesen Kontext,

00:29:22: familiäre Beziehungstat,

00:29:24: auch immer so ein bisschen darüber

00:29:26: legt, ja und das macht das Thema

00:29:27: einfach, führt es in eine falsche

00:29:29: Richtung.

00:29:30: Das heißt, der Fokus ist nicht auf

00:29:32: dem, wie erlebt die Betroffene

00:29:34: das.

00:29:35: Sondern auf der anderen Seite, es

00:29:37: gibt Erklärungen dafür und

00:29:39: wir müssen einfach, finde ich,

00:29:41: um auch diese Nähe zum Thema zu

00:29:43: haben und auch das zu verstehen,

00:29:45: andere Fragen stellen gesellschaftlich

00:29:47: in dem Bereich.

00:29:48: Ja, genau solche: Warum darf er das

00:29:50: tun? Warum schafft es unsere

00:29:51: Gesellschaft nicht,

00:29:53: das einzudämmen?

00:29:54: Warum? Und nicht die

00:29:56: anderen Fragen. Warum ist sie nicht

00:29:57: gegangen? Das ist die falsche Frage.

00:30:00: Es ist ja nicht nur die spanische

00:30:01: Fußfessel, die als Konzept

00:30:03: im Bewusstsein hier auch angekommen

00:30:05: ist, sondern die Spanier

00:30:07: und Spanierinnen haben ja ganz viele

00:30:09: flankierende Maßnahmen.

00:30:10: Was ist da im

00:30:12: Schwang, was es

00:30:14: massiv eingedämmt hat?

00:30:16: Na ja, da war die Not so groß.

00:30:18: Also in Spanien war die Not so groß,

00:30:19: es gab so viele Femizide, es gab

00:30:21: auch diesen sogenannten "machism",

00:30:23: also diese Art von Männlichkeit,

00:30:25: ich sag einmal, breitbeinig im Bus

00:30:27: sitzen, das haben wir bei uns schon,

00:30:28: aber das gabs dort auf einem

00:30:30: anderen Niveau und irgendwann hat

00:30:32: Spanien deutlich gemacht, hey jetzt

00:30:34: müssen wir die Reißleine ziehen.

00:30:35: Sie haben zum Beispiel kurz vor acht

00:30:37: Uhr, wenn die Nachrichten begonnen

00:30:38: haben im Fernsehen, diesen Slogan

00:30:40: "Private Gewalt ist nicht privat"

00:30:42: immer wieder gebracht, also wirklich

00:30:43: im Fernsehen deutlich gemacht, wir

00:30:44: stehen so. Sie haben endlich die

00:30:46: Richter und Richterinnen speziell zu

00:30:48: diesem Thema ausgebildet und in

00:30:50: separate Gerichte positioniert.

00:30:52: Das bedeutet, dass dann ein Richter

00:30:53: oder Richterin nicht einmal einen

00:30:54: Drogenabhängigen hat, das nächste

00:30:56: Mal jemand mit Fahrerflucht und

00:30:58: dann kommt irgendeine Frau, die

00:30:59: daheim geschlagen wurde, so ein

00:31:00: bisschen zwischendrin, so als

00:31:02: Petersilie am normalen Tag eines

00:31:04: Richters oder einer Richterin,

00:31:05: sondern das sind speziell

00:31:06: Ausgebildete, die ganz konkret

00:31:08: lernen wie die Psychodynamik, das

00:31:10: ist ja eine Dynamik in einer

00:31:12: Familie, die ich verstehen muss, um

00:31:13: überhaupt agieren zu können.

00:31:15: Ich muss verstehen, dass wenn das

00:31:16: eingeschüchterte Opfer drin

00:31:18: sitzt und nur noch nickt oder nur

00:31:20: noch Nein sagt, dass das noch lange

00:31:21: nicht der Wahrheit entsprechen muss,

00:31:22: weil einfach die Anwesenheit des

00:31:24: Täters schon so einen Druck ausübt,

00:31:25: dass es gar nicht mehr möglich ist,

00:31:27: richtig ins Gespräch zu kommen.

00:31:28: Sie haben dann das mit der Fußfessel

00:31:30: eingeführt, die Fußfessel, jetzt

00:31:31: immer genannt als technische

00:31:33: Möglichkeit, Frauen zu schützen.

00:31:35: Die Fußfessel soll einfach ein

00:31:36: Umdrehen entstehen lassen.

00:31:38: Dass nach einer Trennungssituation

00:31:40: zum Beispiel oder nach einer

00:31:41: Gewaltsituation, wo der Täter

00:31:43: die Fußfessel bekommt, deutlich

00:31:45: wird, dass nicht die Frau ihr Leben

00:31:47: ändern muss und den

00:31:48: Lieblingsitaliener im Restaurant

00:31:50: aufgeben muss und den

00:31:51: Lieblingsspielplatz der Kinder

00:31:52: aufgeben muß und den Badeplatz

00:31:54: am See aufgeben mus, so

00:31:56: ist es nämlich in Deutschland.

00:31:57: Wenn du dich in Deutschland trennst

00:31:59: und du weißt, dein Mann, dein

00:32:00: ehemaliger Mann, weiß ganz genau,

00:32:02: wo ich immer bin, ja, dann gehe ich

00:32:04: genau dort nicht mehr hin.

00:32:05: Weil ich weiß, dort wartet er auf

00:32:06: mich und in Spanien ist es eben

00:32:08: genau andersrum.

00:32:09: Die Männer haben zu verstehen, dass

00:32:10: dort, wo sie wissen, dass die Frau

00:32:12: sich aufhalten könnte, sie nichts zu

00:32:14: suchen haben, weil sonst die

00:32:15: Fußfessel einen Alarm ausführt.

00:32:17: Das heißt, dieses Stalking,

00:32:19: Stalking, ein Wort aus der

00:32:21: Jägersprache.

00:32:22: Ja, wo kommt Stalking her?

00:32:24: Das ist, mit dem Gewehr im

00:32:26: Zielfernrohr zu schauen,

00:32:28: auf der Jagd zu sein.

00:32:31: Also dieses Stalking wird damit

00:32:33: eigentlich umgedreht.

00:32:35: Und ich glaube, das ist schon

00:32:36: wichtig, aber noch mal, das

00:32:38: hat Spanien nicht gemacht,

00:32:40: weil sie einfach nur aus Kopfgründen

00:32:42: sagen, das war wichtig, sondern weil

00:32:44: die Not so groß war.

00:32:46: Die Ursache, warum Spanien

00:32:47: letztendlich auch die Gesetzeslage

00:32:49: etc.

00:32:50: wirklich auch gestrafft hat, war,

00:32:52: weil eine Frau ist öffentlich

00:32:53: gegangen im Fernsehen

00:32:55: und ist danach von ihrem Mann

00:32:57: angezündet worden und ist daran

00:32:58: gestorben. Und es gab dort einen

00:33:00: sehr großen gesellschaftlichen

00:33:01: Aufschrei, den ich bei

00:33:03: uns im Land ein wenig vermisse,

00:33:05: dass wir wirklich auch dafür auf die

00:33:07: Straße gehen und laut werden.

00:33:08: Das haben die Frauen in Spanien

00:33:10: gemacht und die haben damit etwas

00:33:11: erreicht.

00:33:12: Und das Zweite ist, neben der

00:33:13: Gesetzeslage, ist so eine

00:33:15: persönliche Sache, die ich einfach

00:33:17: auch finde, dem Thema eine

00:33:18: Öffentlichkeit gibt.

00:33:20: Das Parlament in Spanien hält

00:33:22: bei jeder getöteten Frau eine

00:33:24: Gedenkminute ab.

00:33:25: Und das ist einfach auch ein

00:33:26: öffentliches Zeichen,

00:33:28: dass das ganze Land, das sind ja

00:33:30: die Vertreterinnen und Vertreter,

00:33:32: die die Bevölkerung gewählt hat,

00:33:34: dahinter steht, aufsteht und sagt,

00:33:36: wir solidarisieren uns mit diesen

00:33:38: getöteten Frauen, wir lassen sie

00:33:40: nicht irgendwo im Nichts

00:33:41: verschwinden.

00:33:42: Und wir geben ihnen auch Namen,

00:33:44: das ist etwas, was auch in unserem

00:33:46: Land fehlt, dass wir den getöteten

00:33:48: Frauen einen Namen geben und

00:33:50: nicht nur eine Zahl in einer

00:33:51: Statistik.

00:33:53: Was wir ganz deutlich merken in

00:33:54: Europa ist, immer wenn wir eine

00:33:56: Krise haben, steigt Gewalt.

00:33:59: 2008, 2009 als die Finanzkrise

00:34:01: in Griechenland war, war massiver

00:34:03: Gewaltanstieg in Griegenland.

00:34:05: Das heißt, Gewalt ist oftmals auch

00:34:07: so ein Schatten einer

00:34:09: jeder Krise.

00:34:10: Als jetzt der Krieg in der Ukraine

00:34:12: ausgebrochen ist und viele Frauen

00:34:13: hierher geflüchtet sind, sofort

00:34:15: waren die Plakate in den

00:34:17: Bahnhöfen, "Achtung, Frauen werden

00:34:18: eingeladen", kommt mit und in

00:34:20: Wirklichkeit steckt Gewalt dahinter.

00:34:22: Vergewaltigung, wenn Männer Frauen

00:34:23: mit nach Hause nehmen und sagen, ich

00:34:25: biete dir einen Platz zum schlafen

00:34:26: an. Wenn die Wohnungslosigkeit

00:34:28: steigt, dann haben wir das Thema,

00:34:29: dass Frauen irgendwo zum Übernachten

00:34:32: - die sogenannte Sofaprostitution

00:34:34: für eine Nacht - wo schlafen dürfen,

00:34:36: sich auch prostituieren.

00:34:38: Das heißt, wenn irgendwo eine Krise

00:34:39: eintritt und es gibt einen Runden

00:34:42: Tisch zu der Krise, dann muss dort

00:34:44: das Thema Gewalt gegen Frauen immer,

00:34:45: immer, mit dabei sitzen.

00:34:47: Natürlich auch unbedingt mit

00:34:48: Betroffenen mit dabei sitzen,

00:34:50: denn das wissen wir, jede Krise

00:34:52: zieht einen Schatten von Gewalt nach

00:34:54: sich, die auf die normale Gewalt,

00:34:55: normal in Anführungszeichen, noch

00:34:57: oben drauf kommt.

00:34:58: Lass uns noch einmal kurz die

00:34:59: Perspektive wechseln, denn wir

00:35:01: sind zwar etwas mehr als

00:35:03: die Hälfte der Gesellschaft,

00:35:05: als Frauen und Personen,

00:35:07: die sich als Non-binär/trans

00:35:09: verorten, aber

00:35:11: gut die Hälfte sind immer noch

00:35:12: Männer, und ohne die werden

00:35:14: wir nichts verändern können, und

00:35:16: ich glaube fast alle von uns kennen

00:35:18: diesen Hashtag #NotAllMen,

00:35:20: weil Männer, es für die auch so

00:35:22: unangenehm ist, sich darunter

00:35:23: subsumiert zu fühlen.

00:35:25: Und du hast es tatsächlich auch in

00:35:27: deinem Buch nochmal angesprochen,

00:35:29: wie man es anspricht und

00:35:31: was passieren muss, damit die Männer

00:35:33: halt auch Allies werden.

00:35:35: Ich denke, es darf sinnbildlich für

00:35:37: das Problem, dass eben

00:35:39: in allen Ländern, würde ich sagen,

00:35:41: in der Schweiz auch vor allem

00:35:43: Frauen und queere Menschen,

00:35:45: diejenigen sind, die sich für das

00:35:46: Thema einsetzen, die sich

00:35:47: engagieren, die politisch engagieren

00:35:49: in den NGOs und so weiter, bei der

00:35:51: Opferhilfe und so,

00:35:53: und die Männer fehlen.

00:35:55: Und das geht nicht.

00:35:56: Das ist wirklich unabdingbar, dass

00:35:58: Männer sich dem Thema annehmen.

00:36:00: Sexualisierter Gewalt,

00:36:01: geschlechtsspezifischer Gewalt ist

00:36:02: nicht ein Frauenthema, ist ein

00:36:03: Männerthema.

00:36:04: Wenn wir es schon so festlegen

00:36:06: wollen, Männer

00:36:08: müssen anfangen, einander

00:36:10: in die Verantwortung zu ziehen.

00:36:11: Also es gibt ja auch so dieses ganz

00:36:13: furchtbare problematische Narrativ,

00:36:15: das ja auch ständig reproduziert

00:36:16: wird, wenn es um Beziehungen

00:36:18: geht, Mann/Frau, dass

00:36:20: Männer ja Frauen beschützen sollen

00:36:22: und Frauen wollen ja von Männern

00:36:24: beschützt werden und ich sage dort

00:36:25: immer, wir brauchen nicht Männer,

00:36:27: die Frauen beschützen, sondern

00:36:28: Männer, die endlich aufhören, sich

00:36:30: untereinander zu beschützen.

00:36:32: Und wirklich sich selber in die

00:36:33: Verantwortung nehmen und auch ihre

00:36:35: Kollegen und Kumpels, die können sie

00:36:37: überschreiten oder sexistisch,

00:36:39: frauenfeindlich sich verhalten, in

00:36:40: die Verantwortung nehmen.

00:36:42: Es gibt ja auch wirklich schon

00:36:43: positive Beispiele wie die

00:36:45: "HeForShe"-Bewegung zum Beispiel,

00:36:48: die wirklich Pionierarbeit auch in

00:36:49: dem Bereich macht, wo

00:36:51: sich Männer einfach auch schon als

00:36:53: Feministen sehen und

00:36:55: bezeichnen, wo einfach auch dieses

00:36:57: Narrativ ein Stück weit eine

00:36:59: andere Richtung, also die richtige

00:37:01: Richtung aufnimmt.

00:37:02: Ja, und es gibt auch

00:37:04: schon Beispiele, wo

00:37:06: also diese Allies, die in Firmen zum

00:37:08: Beispiel schon da gute Arbeit

00:37:10: leisten.

00:37:11: Also wir sind, glaube ich, hier gibt

00:37:12: es schon eine gute Bewegung, aber es

00:37:14: ist natürlich viel mehr

00:37:14: wünschenswert.

00:37:16: Als in Irland das Thema Abtreibung

00:37:19: durchgekämpft wurde und sie es

00:37:20: geschafft haben, dass es dort auch

00:37:21: die Möglichkeit für

00:37:23: Schwangerschaftsunterbrechungen

00:37:24: gibt, da waren es Männerplakate,

00:37:26: die in Irland aufgehängt wurden.

00:37:27: Da haben Männer gesagt, wir fordern

00:37:29: das und dann hat es geklappt.

00:37:31: Das muss man sich mal vorstellen,

00:37:32: dass das, was die Frauen vorher

00:37:33: schon 30 Jahre gefordert haben, hat

00:37:35: nicht wirklich gut gegriffen.

00:37:37: Ich denke mal auch zu Aktionen, ich

00:37:39: weiß noch vom Eishockey, "Hart auf

00:37:41: dem Eis, aber fair zu Frauen".

00:37:43: Solche klaren Aussagen, auch im

00:37:44: Sportbereich.

00:37:45: Das ist ganz, ganz, wichtig und ich

00:37:47: erwarte mir einfach von jedem Mann,

00:37:49: natürlich von jedem Mensch, aber

00:37:50: ganz besonders von jedem Mann eine

00:37:52: klare Positionierung zu null

00:37:54: Toleranz gegen Gewalt.

00:37:56: Null Toleranz gegen Gewalt, das ist

00:37:57: das Mindeste, was ich erwartet,

00:37:59: die eigene Positionierung.

00:38:01: Das nächste wäre dann nach außen

00:38:03: zu gehen und auch andere

00:38:04: anzusprechen und deutlich zu machen,

00:38:06: hey Burschi so geht das nicht, das

00:38:07: wäre natürlich das Bessere.

00:38:08: Ja, wir brauchen die Männer an

00:38:10: unserer Seite, wir brauche

00:38:11: diejenigen, die kapieren, dass es

00:38:13: auch um ihre Gesellschaft geht.

00:38:15: Es betrifft ihre Gesellschaft,

00:38:17: wie wir zusammenleben.

00:38:18: Nicht nur die Gesellschaft der

00:38:19: Frauen, sondern auch die

00:38:20: Gesellschaft der Männer und von

00:38:22: daher glaube ich einfach, die

00:38:23: richtigen Männer sind Feministinnen.

00:38:38: Danke, dass du dabei warst.

00:38:40: Wenn dir die Folge gefallen hat,

00:38:41: schenk uns ein Like und empfehle uns

00:38:43: weiter. Oder noch besser, abonniere

00:38:45: gleich den Podcast.

00:38:46: Und wenn du mehr über HerCareer

00:38:48: erfahren möchtest, besuche uns im

00:38:49: Web unter her-career.com

00:38:52: und abonnier den Newsletter unter

00:38:53: her-career.com/newsletter.

00:38:57: So bleibst du informiert über neue

00:38:58: Beiträge, Termine der HerCareer

00:39:00: Academy, aktuelle Podcast-Episoden

00:39:02: und Programm-Highlights der

00:39:04: kommenden HerCareer Expo in München.

00:39:06: Wir freuen uns sehr, wenn du Teil

00:39:07: unserer Community wirst.

Neuer Kommentar

Dein Name oder Pseudonym (wird öffentlich angezeigt)
Mindestens 10 Zeichen
Durch das Abschicken des Formulars stimmst du zu, dass der Wert unter "Name oder Pseudonym" gespeichert wird und öffentlich angezeigt werden kann. Wir speichern keine IP-Adressen oder andere personenbezogene Daten. Die Nutzung deines echten Namens ist freiwillig.