Konsequent 60 Prozent – Wie du aufhörst, für das Patriarchat zu funktionieren
Shownotes
Martha Dudzinski entlarvt in diesem Live-Gespräch die patriarchalen Strukturen, die es einigen wenigen (Spoiler: Männern!) erlauben, sich einzureden, sie hätten energieeffiziente Arbeitsweisen erfunden. Tatsache ist, dass sie die Arbeit, die sie einsparen, meist nur auf die Tische anderer verlagern. In der Regel sind es Frauen oder marginalisierte Personen, die ihnen den Rücken freihalten. Dudzinski, die an Long-Covid erkrankt ist, und sich seitdem vermehrt mit Produktivität, Leistung und dem Konzept “Funktionieren” auseinandersetzt, macht darauf aufmerksam: Delegieren gehört für viele Frauen und marginalisierte Menschen überhaupt nicht zu den realistischen Möglichkeiten.
**Fragen, die diese Folge u.a. stellt: ** Wem nutzt es eigentlich, wenn wir als Frauen* immer denken, im kapitalistischen Sinne „funktionieren" zu müssen? Mit Marthas Worten: „Wer hat beschlossen, was volle Leistung ist, was wenig Leistung ist und aus welchen Gründen wohl?“ - Martha Dudzinski
Wer übernimmt eigentlich die delegierten Aufgaben von all den High-Performern? Und wer hat in unserer Gesellschaft die Möglichkeit, (Care-)Arbeit weg zu delegieren?
Mit Marthas Worten:
„Delegieren können Männer, weil Männer haben Frauen – Männer haben Kolleginnen, die müssten nicht mal unbedingt Praktikantinnen oder Assistentinnen sein, das können auch Kolleginnen auf Augenhöhe sein.“ - Martha Dudzinski
**Praktische Methoden für alle, die nicht den Luxus haben, zu delegieren: **
Batching:
Ähnliche Aufgaben werden gebündelt und hintereinander abgearbeitet, um den Fokus zu behalten und Multitasking zu vermeiden.
Time-Boxing:
Bestimmte Zeitblöcke werden für spezifische Aufgaben reserviert, um Struktur und klare Prioritäten im Arbeitsalltag zu schaffen.
Und Marthas Gegenentwurf zur Eisenhower-Matrix: ### Marthas Magenkrampf-Matrix
Quadrant A: „Alles rein, was sich schnell abhaken lässt, kurz eine E-Mail, die man kurz beantwortet, Termine, die man kurz ausmacht, alles, was schnell und einfach von der Hand geht.“ – Marta Dudzinski
Quadrant B: „Die Sachen, die mir Freude bereiten, das ist etwas, wofür ich auch bewusst Platz schaffen wollte, wo ich sage, das sind die Sachen, die mache ich gern.“ – Marta Dudzinski
Quadrant C: „Da landen alle Sachen, wo ich weiß, okay, das wird mich viel Kraft kosten, das wird anstrengend und da muss ich mich wirklich darauf konzentrieren.“ – Marta Dudzinski
Quadrant D: „Der Quadrant D ist Bauchweh. Und dort werden Sachen geparkt, die ich nicht anrühre, weil ich alleine beim Gedanken daran Bauchweh bekomme.“ – Marta Dudzinski
**Weiterführende Links: **
SWANS Initiative – Mehr Fatmas in die Führungsetagen!
Buch von Martha Dudzinski: Konsequenz 60 Prozent
Über den Podcast der herCAREER: Der herCAREER Podcast liefert wertvolle Einblicke in Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, immer verknüpft mit persönlichen Erfahrungen und vor allem aus weiblicher Perspektive. Wechselnde Moderator:innen und Gäst:innen aus unterschiedlichen Unternehmen, Redaktionen und Arbeitsumfeldern bieten vielseitige und praxisnahe Erfahrungswerte für die Hörer:innen. https://www.her-career.com/podcast
The herCAREER podcast provides valuable insights into business, science, politics and society, always linked to personal experiences and above all from a female perspective. The podcast features a variety of presenters and guests from different companies, editorial teams and working environments, offering listeners a wide range of practical experiences. https://www.her-career.com/en/podcast
Projektleitung: Natascha Hoffner Redaktion: Kristina Appel Produktion: Bernhard Hiergeist
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00:00:00: Martha Dudzinski: Deswegen muss man auch gerade diese Ratgeber mit sehr, sehr viel Vorsicht genießen. Ich habe ein ganzes Kapitel dem Thema gewidmet und einfach mal alle Männerratgeber, die in den letzten Jahren irgendwie in den Verkaufscharts mit den Bestseller-Aufklebern versehen wurden, warum die eigentlich alle total weltfremd sind und mich - das merkt man mir vielleicht ein bisschen an- mich sehr auf die Palme bringen. Der große Fehler, den wir als Frauen ja begehen, ist, dass wir auf Substanz setzen und auf Kompetenz. Ja, und dass wir vergessen, dass es darum halt nicht geht auf dem Arbeitsmarkt.
00:00:29: *Musik*
00:00:35: Kristina Appel: Willkommen beim HerCareer Podcast. Du interessierst dich für aktuelle Diskurse aus Wirtschaft, Wissenschaft, Politik und Gesellschaft, und das insbesondere aus einer weiblichen Perspektive? Vielleicht wünschst du dir persönliche Einblicke in den Arbeitsalltag von Menschen und Unternehmen, die sich dem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandel stellen? Dann bist du hier genau richtig. Wir kennen sie alle, diese Tipps. Steh früher auf, sag öfter nein, setz bessere Prioritäten. Aber funktioniert das? Eher nicht. Martha Dudzinski entlarvt in diesem Live-Gespräch die patriarchalen Strukturen, in denen wir alle versuchen, einfach zu funktionieren. Sie rechnet mit Produktivitätsgurus ab, die proklamieren, sie hätten zeit- und energieeffiziente Arbeitsweisen gefunden, wenn sie am Ende doch eigentlich nur eines tun: wegdelegieren. Nur: Das gehört für viele Frauen und marginalisierte Menschen überhaupt nicht zu den realistischen Möglichkeiten. Dudzinski ist an Long Covid erkrankt. Im Gespräch mit Michaela Ernst, Herausgeberin des Wirtschaftsmagazins SHEconomy, macht sie klar, dass ein besseres Mindset keine Erschöpfung heilt, und sie erzählt, welche pragmatischen Arbeitsmethoden sie für sich gefunden hat.
00:01:56: Michaela Ernst: So, dann starten wir! Schönen Nachmittag, schönen Abend. Ich bin ganz begeistert, dass so viele Frauen da sind, obwohl es mich - wir haben vorher gerade festgestellt: Wundern tut es uns beide nicht, weil es wirklich so ein typisches Frauenthema ist, dem wir uns jetzt widmen werden. "Konsequent 60 Prozent. Wie du mit weniger Arbeit mehr schaffst." In Klammer vielleicht auch: mehr Geld, weil das ist ja auch immer ein wichtiges Frauenthema. Ich freue mich sehr, Martha Dudzinski neben mir willkommen zu heißen. Mein Name ist Michaela Ernst, ich bin Mitgründerin und Herausgeberin von SHEconomy. Ein paar Worte zu dir, liebe Martha, du bist Mitgründerin von SWANS, du bist dort geschäftsführende Gesellschafterin. Das ist eine Organisation, die sich darum kümmert, Frauen mit Migrationshintergrund bzw. Women of Color, die in Deutschland studiert haben, dann auch faire Jobs, angemessene Bezahlung und angemessenen Aufstiegschancen zu ermöglichen. Ich würde sagen, gehen wir gleich zum Buch über. Wenn man beginnt das Buch zu lesen, hat man das Gefühl, dass du so eine Hochleisterin warst in deinem vorigen Leben. Ich sage immer: eine berufliche Spitzensportlerin. Und wie du dann so die Phase nach deiner Krankheit, nach der Long-Covid-Erkrankung schilderst, denkt man sich, also ich hab mich zumindest dabei ertappt, dass ich mir gedacht habe, naja, jetzt ist sie eigentlich auf so ein normales Arbeitspensum in die Wirklichkeit heruntergeschrumpft. Ist dir das beim Schreiben, hast du dir das nicht auch irgendwie gedacht, dass das schon ein Wahnsinn ist, wenn man mit so einer Leistungsfähigkeit ausgestattet ist?
00:03:37: Martha Dudzinski: Also, das wurde mir immer wieder so ein bisschen als Vorwurf gesagt, quasi so, hey, das ist doch voll normal. Und dann saß ich immer dran, ich so, naja, es hängt ja daran an, an wem man das misst, wenn du irgendwie so mittelmäßigen Gerald aus einem mittleren Management aus einer Behörde nimmst. Ja, gemessen an ihm auf jeden Fall, schaffe ich immer noch sehr viel, aber gemessen dem, was ich halt früher gemacht habe, nicht. Und gleichzeitig ist mir natürlich auch die Ironie nicht entgangen, hey, was ist denn das für eine Sache? Ich werde erst mal krank, mir geht's richtig beschissen. Also schreibe ich jetzt erst mal ein Buch. Also das war natürlich auch so ein bisschen kontraintuitiv, das heißt die Frage, was ist 100 Prozent, stellt sich ja auch ganz ganz früh in dem Buch, wer hat beschlossen, was sind 100 Prozent, wer hat beschlossen was volle Leistung ist, was wenig Leistung und aus welchen Gründen wohl ist.
00:04:24: Michaela Ernst: Jetzt ist Veränderung, wie wir wissen, immer anstrengend und was mich auch besonders interessieren würde, was war eigentlich anstrengender in dieser Phase? Die Selbstkorrektur des eigenen Bildes oder das Finden einer neuen Struktur?
00:04:41: Martha Dudzinski: Definitiv das Erste, also das mit der neuen Struktur, das ging relativ gut, weil ich immer schon ein sehr so organisiertes Kind war. Also gerade dadurch, dass ich so viel gemacht hab, war das für mich irgendwie von Kind auf, also ich hab auch Ordnung immer geliebt und immer so viel... Irgendwie meine Mutter meinte letztens, Martha, du hast deine Stifte nach Farbe und Größe gleichzeitig sortiert. Ich weiß gar nicht, wie du es geschafft hast, dass es auch gepasst hat. Also ich war immer ordentlich und immer ein bisschen mit System, deswegen das war für mich weniger das Thema, dieses neue Bild von sich selber. Also, ich würde jetzt auch lügen, wenn ich sagen würde, dass ich damit nicht mehr hadere. Ich bin jetzt seit zweieinhalb Jahren krank und wenn ich behaupten würde, ich habe da jetzt irgendwie meinen Frieden damit geschlossen, wäre das eine sehr große Lüge. Also, das ist ein Kampf, den ich auch tagtäglich aufs neue ausfechte, auf den Tatendrang, den habe, auf die Lust, all die Sachen, die ich gerne machen würde. Und mein Körper, der sagt, nö, wir bleiben jetzt liegen. Also, dass ist ein Kampf, den auch bis heute nicht beendet habe auf jeden Fall, auch dieses neue Selbstbild von mir zu akzeptieren.
00:05:43: Michaela Ernst: Holst du dir da Unterstützung oder wie... was unternimmst du, dass es für dich leichter auszuhalten ist?
00:05:50: Martha Dudzinski: Das Buch war für mich tatsächlich, der Schreibprozess so therapeutisch, so ein bisschen mir so die Gedanken von der Seele zu schreiben, die Recherche, also gerade mit Marina Weisband habe ich ja auch gesprochen, die an ME/CFS, also am Chronischen Fatigue-Syndrom erkrankt ist und auch die verschiedenen Erfahrungen, die dann eben verschiedene Parallelen auch mit sich bringen. Ich bin auch in verschiedenen Long-Covid-Communities, wo man sich austauscht auch zu verschiedenen medizinischen Behandlungsmethoden, die funktionieren oder nicht funktionieren. Und am Ende war es auch ganz viel dieses Reinhorchen und dieses dann auch Akzeptieren: Der Körper gibt vor und er ist der Einzige, der jetzt quasi das Sagen hat. Und einfach wenn ich merke, so: Mir geht es schlecht, dass ein so kleines Wettrennen gegen die Zeit beginnt, wie schnell höre ich drauf und welchen Preis will ich dafür bezahlen, wenn ich nicht auf ihn höre. Und das ist tatsächlich das Relevanteste tatsächlich, was mir hilft, trotzdem meinen Alltag zu bewältigen, weil ich halt mit meinem sehr niedrigen Batteriestatus halt besser haushalten muss.
00:06:43: Michaela Ernst: Mir hat auch gut gefallen, wie du in deinem Buch geschrieben hast, das du jetzt auch gelernt hast, den Leuten, deinen Freunden und deinem Umfeld auch einfach zu sagen, es geht mir schlecht und deshalb muss ich das absagen oder deshalb schaffe ich das heute nicht. Ich erzähle deshalb diese Passage, weil von meiner beruflichen Erfahrung und auch persönlichen Lebenserfahrung her tun sich ja Frauen wahnsinnig schwer, das zuzugeben, weil sie ja sowieso dann oft als das Mängelwesen gelten, mit PMS-Syndrom und Menopause und was weiß ich. Und dann auch noch zu sagen, es geht mir schlecht, dass sie dann noch mal so eins draufgießen. Und deshalb möchte ich eben diese Passage hervorheben. Wie hast du gelernt, das zu sagen?
00:07:25: Martha Dudzinski: Also ich glaube, für mich war der wichtigste Lehrprozess schon ein paar Jahre vorher. Als ich festgestellt habe, wenn man Ausreden erfindet, merken das die Leute und sind sauer. Und wenn man einfach sagt, mir gehts scheiße, dann sagen die meisten, oh ja, das Gefühl kenne ich, alles klar. Also, dass die Leute, wenn man einfach ganz klare Ansagen macht, dann eher ein Verständnis dafür haben. Nicht immer, nicht alle. Aber dass die Wahrscheinlichkeit halt signifikant steigt. Und ich meine, das Schöne ist ja, man muss ja nicht an Long Covi erkrankt sein, um ständig müde überarbeitet etc. zu sein. Und alle kennen das Gefühl, geschlaucht zu sein und gleichzeitig: Ich glaube, was mein Lieblingsphänomen ist, dass wir alle bestimmt das Gefühl kennen, wenn jemand uns absagt und wir erleichtert sind und denken, boah, geil. Und das ist genau, was ich in dem Buch schreibe, so: Ihr könnt die Person sein, die jemand anderen diese Erleichterung verschafft. Ja, in dem Moment, wo du absagst, kann jemand anders erleichtert sein und du nimmst das nicht persönlich, sondern das ist halt ein Win-Win. Und ich glaube, mit dieser Einstellung reinzugehen, zu wissen, eigentlich sind wir alle überlastet. Und wenn wir absagen, hat das, und das ist bei mir auch ein ganz großes Thema, nichts mit Lust zu tun. Ja, ich habe immer Lust, ich hab immer überschwänglichen Tatendrang. Und dann kommt immer, ja komm, wir treffen uns, aber nur, wenn du Lust hast. Ich sehe, das hat nichts mit Lust zu tun, so wenn es nach mir ginge, wäre das schon passiert. Aber dass man eben umgekehrt dann eben auch sagen muss, hey, ich hab mega Bock, aber ich kann grad einfach nicht mehr. So, ich bin schlapp, ich bin müde, ich bin überarbeitet. Da muss man, wie gesagt, nicht chronisch krank sein, da gibt es genug andere, mehr als legitime Gründe im Patriarchat und im Kapitalismus, um zu sagen: Hey ganz ehrlich, Couch und Lieferando, und mehr geht heute einfach nicht.
00:09:04: Michaela Ernst: Du schreibst auch, diese ganzen Beraterbücher, die du gelesen hast, die dich inspiriert haben, und nimmst ganz stark zu Beginn auch Bezug auf das Ungleichgewicht zwischen Männerarbeit und Frauenarbeit. Und was mich wirklich erschüttert hat, du zitierst eine Umfrage, nach der 30 Prozent, ich glaube in Großbritannien war das, 30 Prozent aller Männer sagen, sie stellen sich bewusst ungeschickt an, damit die Frauen dann die Arbeit weitermachen. Und ich sehe da einige mit dem Kopf nicken. Ein ganz praktischer Tipp, wie kommt man aus dieser Falle raus?
00:09:41: Martha Dudzinski: Die Männer denken ja, sie wären besonders clever, obwohl wir es alle durchschaut haben. Da ich persönlich geschieden und kinderfrei bin, würde ich mir jetzt nicht anmaßen zu sagen, wie man das handhabt, weil ich habe eine andere Lösung dafür gefunden. Diejenigen, die sich in einer anhaltenden heterosexuellen Partnerschaft befinden, werden das wahrscheinlich besser sagen können, wann man kapituliert, wann man diese Kämpfe ausficht. Ich kenne genug Frauen, die dann sagen, man muss das halt aushalten und seinen Mann erziehen. Ich wollte keine Kinder und ich werde erst recht nicht Verantwortung für ein erwachsenes Kind übernehmen. Deswegen maße ich mir es da nicht an, zu sagen, wie man damit umzugehen hat, weil ich glaube, dass auch sehr viel davon abhängt, welche Art von Arbeit man bereit ist, in diese Beziehung reinzustecken und was der Return on Investment ist. Also was muss ein Mann bieten, damit ich diese Art von Erziehungsarbeit bei ihm leiste?
00:10:26: Michaela Ernst: Bei den Ratschlägebüchern, die du zitierst, bei den Büchern die von Männern geschrieben sind, da wird immer alles ganz schnell besser und eigentlich der einzige Grund, weshalb man scheitert ist, weil die innere Strahlkraft nicht passt. Und bei Frauen ist es viel praxisbezogener. Und ich fand das so interessant, weil mir ist das vorher nicht aufgefallen, diese Diskrepanz, dass man den Eindruck hat, dass Frauen eigentlich viel besser wissen, wie es geht, aber trotzdem immer wieder sich in diese Arbeitsfalle reinjagen lassen. Also die wissen es ja und agieren gegen die eigenen Interesse. Kannst du darüber ein bisschen was sagen?
00:11:11: Martha Dudzinski: Der große Fehler, den wir als Frauen ja begehen, ist, dass wir auf Substanz setzen und auf Kompetenz. Ja, und dass wir vergessen, dass es darum halt nicht geht auf dem Arbeitsmarkt. Gerade bei den Ratgebern, also Gendern nicht notwendig, die ich zitiere, geht es halt ganz viel um das Thema Manifestation. Ganz kurz nochmal, wer kennt alles als Konzept der Manifestaion? Ok, dann erklär ich's doch mal kurz für die anderen. Also Manifestation kommt eigentlich aus spirituellen religiösen Bewegungen, die nicht den Kolonialherrschern von gestern entsprechen, also quasi nicht unseren weißen Vorfahren. Jedoch: Trotzdem haben es die Brians und Birgits dieser Welt übernommen, um damit Geld zu verdienen und zu sagen, also Geld ist wie Energie unendlich. In der Welt und in Bewegung. Und Geld und Energie können aber nur zu dir fließen, wenn du in Kontakt bist mit dem Universum. Und in unserer individualistischen Gesellschaft haben wir den Kontakt zum Universum verloren und erst, wenn wir diesen Kontakt wieder herstellen, kommt alles automatisch zu uns geflossen. Und bis zum gewissen Grad, finde ich, geht das, weil ja, irgendwie wir alle bestehen auf atomarer Ebene aus Kohlenstoff, so fair enough, so da gibt es irgendwie physikalische Gemeinsamkeiten, die wir mit dem Rest des Planeten und vielleicht auch mit dem Universum haben. Aber da geht es dann quasi darum, wenn deine Träume dir nicht einfach, dir nicht alles zufließt, dann musst du einfach wieder in Touch mit dem Unversum kommen und dann wird automatisch all das Geld zu dir kommen, dass du möchtest, alle Jobs zu dir zu kommen und du darfst auch nicht hart arbeiten, so, das widerspricht den Naturgesetzen des geringsten Widerstandes, sondern das fließt alles automatisch zu dir zu. Und ja, das ist natürlich ein Riesenhaufen Scheiße. Und es ist einfach nur super wichtig, dass wir uns dessen bewusst sind, dass in dem Moment, wo Sachen von selbst zu uns kommen, das nicht ist, weil wir besser in Touch mit dem Universum sind als die anderen, sondern weil wir erstens Leute kennen, die Ressourcen haben, ob das Geld ist, Netzwerke, Zugänge, Jobs, Wissen. Und vor allem, zweitens, diese Leute auch diese Ressourcen mit uns teilen. Ja, also wenn ein Job aus dem Nichts kommt, dann kommt er nicht aus dem Nichts, sondern ich habe irgendeine Form von Zugang, eine Form von Netzwerk. Wenn Geld aus dem Nichts kommt, eine Steuerrückerstattung, ein Erbe, dann kommt das nicht aus den Nichts, sondern es gibt Leute in meinem Leben, die Geld haben und dieses Geld zu mir fließen lassen. Mein Opa, Gott hab ihn selig, war ein ganz großer Fan des Manifestierens. Man merkt, dass es mich sehr geprägt hat, als Kind schon, dieses Denken und mich schon damals genauso nicht begeistert hat wie heute. Aber das heißt, wenn uns die Männer halt sowas einreden wollen, und ich weiß, vielen Leuten redet Instagram das auch ein, ist es halt wichtiger, nochmal auf diese realistische Schiene zu gehen, die du jetzt beschrieben hast, dass Frauen sagen, ja gut, aber wenn ich mir was ganz doll wünsche und es trotzdem nicht kommt, dann hab ich halt keine Lust mehr, mir einreden zu lassen, dass ich nicht genug mit dem Universum in Kontakt bin. Wenn ich hart arbeite, lasse ich mir nicht einreden, dass ich weniger hart arbeiten müsste, dass "work smarter, not harder" die Lösung gewesen wäre. Wenn ich eine schlecht bezahlte Reinigungskraft bin, dann werde ich mir nicht einreden lassen, ich muss einfach alle Rechnungen bezahlen und von irgendwo wird dann schon das Geld kommen für die nächste Rechnung, weil nur wenn Geld und Energie fließen, werden sie auch automatisch zu mir zurückkommen. Und ich glaube, am spannendsten in diesem Kontext fand ich tatsächlich eine TikTokerin, die meinte, dass sie berufliche Ratschläge von Männern nicht mehr ernst nehmen kann, weil diese einfach Lebensrealitäten zum Beispiel gerade von Müttern komplett ausblenden. Und diese eine Lektion, die sie von Männer quasi mitgenommen hat, ist, sie haben Karriere gemacht, weil sie Frauen in ihrem Leben hatten. Frauen, die ihm den Rücken gestärkt haben, Frauen, die sich um das Kind gekümmert haben, während er in irgendwelchen Großstädten auf der Couch seines Kumpels nächtelang irgendwelche Ideen irgendwie herumgesponnen und sonst was hat. Und deswegen ist es so, Männer können groß labern, im Endeffekt, und das wissen, glaube ich, alle von uns, die zwei Monate im Arbeitskontext irgendwo unterwegs waren. Und Frauen sind dann diejenigen, die halt auch kucken, okay, aber was ist denn jetzt die Methode, die Lösung, wie gehen die das an, wie packen wir das an? Und auch wenn ich kein großer Fan bin von Margaret Thatcher, hat die ja auch diesen berühmten Satz gesagt: "Wenn ich will, dass etwas gesagt wird, frage ich einen Mann. Wenn ich will, dass was gemacht wird, dann frage ich eine Frau." Und ich glaube, deswegen muss man auch gerade diese Ratgeber mit sehr viel Vorsicht genießen - du hast jetzt die Formulierung benutzt: Ich habe mich von ihnen "inspirieren" lassen. Das ist ironisch gemeint. Also ich habe ein ganzes Kapitel dem Thema gewidmet, wie das Buch nicht sein soll. Und einfach mal alle Männerratgeber, die in den letzten Jahren irgendwie in den Verkaufscharts mit den Bestseller-Aufklebern versehen wurden, warum die eigentlich alle total weltfremd sind und mich, das merkt man mir vielleicht ein bisschen an, mich sehr auf die Palme bringt.
00:15:50: Michaela Ernst: Zurecht. Du hast jetzt vorhin Margaret Thatcher zitiert und du schreibst eben auch sehr viele Tipps, das finde ich ja toll, was man machen kann, um eben sich diesen "Konsequent 60 Prozent" zu nähern. Und da gibt es ganz verschiedene Modelle. Ich habe mir ein paar rausgeschrieben, "Zero Inbox", das ist, glaube ich, für ganz viele eine Herausforderung, dass man sozusagen in der Mailflut eine Struktur schafft, dass man nicht zu viel Zeit mit diesen Mail-Beantwortungen verbringt. "Batching" fand ich ganz interessant. Vielleicht erzählst du ein bisschen was darüber, weil ich glaube, das ist nicht so bekannt.
00:16:29: Martha Dudzinski: Ich habe am Anfang so ein paar gängige Methoden zusammengetragen. Genau, also "Zero Inbox" ist ja, wie man quasi seine E-Mail-Postfach aufräumt und das "Batching" ist eine der Methoden, von der ich verwirrt war, dass man das als Methode bezeichnet. Weil "Batching" bedeutet eigentlich nur, dass du ähnliche Aufgaben hintereinander abarbeitest. Also, dass du alle Anrufe auf einmal machst hintereinander, dass du alle Briefe gleichzeitig runterschreibst oder Rechnungen und sowas. Also "Batching" ist eigentlich das englische Wort für Stapeln. Dass man ähnliche Aufgaben zusammen innerhalb eines Arbeitsblocks erledigt. Oder halt also nacheinander.
00:17:02: Michaela Ernst: Und dann hast du auch noch erwähnt die "Alpen-Methode". Und hast selber gesagt, dass das eine Methode ist, die dir eben besonders geholfen hat. Vielleicht erklärst du auch nochmal, wofür Alpen steht.
00:17:16: Martha Dudzinski: Genau, gut, dass ich nicht nochmal nachgeschaut habe, ob ich das Akronym zusammenbekomme. Also bei der Alpen-Methode geht es darum, dass man quasi plant mit Puffer. Wieder: Puffer ist mein großes Herzchen-Thema. Welche Aufgaben möchte ich morgen machen? Wie lange werde ich für jede Aufgabe brauchen? Sich realistisch einzugestehen, wie lange die Aufgaben tatsächlich dauern werden, und dann quasi im Laufe des Tages mit den gezielten Puffern gucken, wie weit man kommt und dann vor allem am Abend immer noch mal reevaluiert, wo war das realistisch, was dauert länger, als ich dachte, weil das ist ja das, worüber wir meistens stolpern, dass wir denken, dass wir Aufgaben schneller erledigt bekommen, als wir tatsächlich brauchen und deswegen finde ich die Alpen-Methode so toll, weil es da wirklich tatsächlich darum geht, erst mal grundsätzlich schon mit Puffer zu planen und mehr Zeit einzuplanen, als man braucht, denkt zu brauchen, und dann aber vor allem sich jeden Abend ehrlich noch mal zu evaluieren, wie lange hat das denn wirklich gedauert? Ging das schneller oder wie muss ich den nächsten Tag neu planen, damit ich eben nicht mehr in Verzug komme? Und das Schöne an Puffern ist - und deswegen bin ich auch so ein großer Fan davon - ist, man kann sich selber überholen. Ich persönlich mag das Gefühl nicht, am Ende des Tages nicht so viel erreicht zu haben, wie ich mir vorgenommen habe. Was ich aber sehr toll finde, ist, wenn ich feststelle, oh mein Gott, ich kann auch diese eine Sache angehen, weil ich bin schneller fertig, als ich dachte. Und es gibt eine ganz berühmte Youtuberin zum Thema Zeitmanagement, die heißt Ella TheBee, die bezeichnet das als "sich selbst überholen". Und das heißt, ich bin eine ganz große Anhängerin, auch wenn es darum geht, eben netter zu uns selber zu sein, uns nicht zu viel Druck zu machen, uns nicht zu sehr fertig zu machen. Zu sagen, hey, wenn ich mir Zeitpuffer einplane, weil wir wissen alle: Irgendwas Unvorhergesehenes kommt immer dazwischen. Eine Person labert uns am Telefon zu, wir haben einen familiären Notfall. Wir stehen länger im Stau, als wir dachten, es gehen die Briefmarken aus und ich muss nochmal zur Post. Und dass man das eben nicht als Ausnahmezustand irgendwie denkt, alles wäre gut gelaufen, wenn das nicht dazwischen gekommen wäre, sondern dass man explizit darauf vorbereitet ist, dass immer was dazwischen kommt. Und wenn mal wider Erwarten doch nichts dazwischen kommt, dann wird man schneller fertig, als man dachte. Und das ist so ein schönes Gefühl. Deswegen gefällt mir die Alpenmethode so gut, weil man da explizit ehrlich mit sich selber sein muss. Und zweitens, weil neben der Planungssicherheit und der Reevaluierung man eben explizit sagt, Puffer gehören zu meinem Zeitplan.
00:19:50: Michaela Ernst: War das die Methode, die dir sozusagen in diese neue Art zu denken hineingeholfen hat? Weil es geht ja ganz viel um Struktur und ich denke, Struktur ist ja auch so ein bisschen wie ein Handwerk. Das kann jeder lernen. Manche tun sich leichter damit, andere schwerer. Aber man braucht mal so die eine Methode, wo man sagt, es ist eigentlich leichter als ich gedacht habe. Ist das diese alte Methode oder würdest du da eher etwas anderes empfehlen?
00:20:18: Martha Dudzinski: Also bei mir war es tatsächlich eher umgekehrt, dass ich quasi von dem, wie ich gemerkt habe, wie ich intuitiv angefangen habe zu arbeiten, versucht habe, quasi so einen Schritt zurückzugehen und zu sagen, was mache ich hier eigentlich gerade, was ist das System, was sich bei mir jetzt etabliert hat, und dann quasi noch mal einen weiteren Schritt zurückgegangen bin, hab geschaut, was gibt es schon, was ist ähnlich, was unterscheidet sich davon und da am ehesten noch gesagt hab, die Alpenmethode ist ein menschenfreundlicher Ansatz. Deswegen fand ich ihn so gut, gerade weil er auch wie ich das Thema Puffer drin hat. Und von der Struktur: Ich glaube, das ist schwierig allgemeingültig zu beantworten. Da muss ich jetzt vielleicht auch eine enttäuschende Sache sagen. Es gibt keinen allgemein gültigen Geheimtipp, der für alle Menschen funktioniert. Was ich halt versucht habe zu machen, ist tatsächlich zusammenzutragen, was gibt es. Es ist mir nicht gelungen, wertfrei zu sagen, warum manche Sachen nicht für mich funktionieren oder ich sie für nicht so geeignet halte. Aber dann eben zu sagen, das ist die Struktur, die für mich funktioniert. Das sind Strukturen, die für mich nicht funktionieren. Aber nichtsdestotrotz möchte ich sie niemandem vorenthalten, weil vielleicht jemand anders sich damit identifiziert und damit gut arbeiten kann. Und im Endeffekt ist ja auch das Thema Struktur - zu haben, zu wollen, zu brauchen - auch krass individuell. Ja, also das hängt ja auch ganz viel damit zusammen, was für eine Lebenssituation du hast. Wie gesagt, ich wohne alleine, ich habe keine Partnerschaft, ich bin alleine, ich habe keinen Kinder, ich hab keine pflegebedürfenden Angehörigen, ich habe keine Haustiere und ich habe eine Orchidee, die katastrophal aussieht, seit das Buch rausgekommen ist. Davor hatte ich auch keine Zimmerpflanzen. Also ich trage nur Verantwortung für mich selber, das heißt, wie ich so meinen Tagesablauf gestalte, da werden mir die Mütter im Raum schon den Vogel zeigen. Also mir ist klar, dass nicht alle den Tag so selbstbestimmt gestalten können wie ich. Bei mir ist es ja so ein bisschen erzwungenes Time-Boxing, weil ich halt einfach weiß, ich kann bis zu zwei Stunden am Stück etwas machen. Ja, also da werde ich nicht sagen, ihr müsst jetzt alle genauso denken wie ich, ihr müsst alle so funktionieren wie ich. Weil die Lebensrealitäten natürlich ganz unterschiedlich sind, weil eben die Gehirnstrukturen für alle ganz unterschiedliche sind. Und das heißt, was ich halt versuche, ist ein möglichst menschenfreundliches Bild zu machen und möglichst wirklich verschiedene inklusive Konzepte und auch, wie gesagt, auch gesellschaftskritische Aspekte mit reinzubringen, dass wir mitbedenken, dass wir nicht alle unter denselben Bedingungen arbeiten und auch gar nicht arbeiten können, weil wir nicht dieselben Verpflichtungen haben, weil wir nicht dieselben Bedingungen haben und dann hoffentlich jede Person für sich selber was rausziehen kann, obwohl wir wissen, dass ich im Gegensatz eben zu den Herren nicht behaupte, irgendwie die einzige Lösung zu haben und wer es mit meiner Methode nicht schafft, hat halt versagt.
00:22:55: Michaela Ernst: Ich finde aber auch, dass du diesen Bogen sehr gut ziehst in dem Buch. Also dadurch, dass so viele Lösungen vorgeschlagen werden, kann ich mir gut vorstellen, dass jeder einen Lösungsansatz für sich findet. Und einer dieser Lösungsansätze, der spiegelt sich in einem Lieblingssatz von mir, den du in diesem Buch sagst, und zwar lautet der: Du musst gar nichts. Punkt. Und dieses "Du musst gar nichts" ist ja für Frauen oft viel schwerer zu realisieren. Nein sagen. Nein sagen ist auch schwer, aber du musst gar nichts... weil wir einfach so sozialisiert sind, speziell meine Generation, aber wenn ich so herumschaue, habe ich das Gefühl, das hält sich recht hartnäckig. Es wird besser, aber nur sehr, sehr langsam. Und was rätst du eigentlich den Frauen, dass man so dieses "Du musst gar nichts" abschüttelt?
00:23:46: Martha Dudzinski: Ich würde da vielleicht kurz zum Einordnen: Also es gibt im Buch verschiedene Methoden, die ich vorstelle, bevor ich zu meiner eigenen Methode komme. Dafür habe ich drei Grundregeln, die man quasi so voraussetzt oder vorausschiebt, um erstmal grundsätzlich die To-Do-Liste zu enttrümpeln und dann final quasi: Was mache ich dann mit den Aufgaben, die tatsächlich übrig bleiben? Und eine von den drei Grundregeln ist eben "Du musst gar nichts". Vielleicht ganz kurz zur Info: Die Erste ist Energiemanagement. Es geht nicht darum, dass wir nicht genug Zeit haben, sondern wir haben nicht genug Energie. Das Zweite ist "Du musst gar nichts". Und das Dritte ist eben Nein sagen und Grenzen setzen. Sind ja jetzt per se alles Banalitäten, wo ich das Rad nicht neu erfunden habe. Also jetzt, ihr habt wahrscheinlich schon mal alle gehört, ja du musst deine Grenzen setzten, auch mal Nein sagen und denk so, boah, Martha, krass, endlich sagt es mal jemand. Aber ich finde bei dem Thema "Du muss gar nichts" ist halt die Sache, dass wir uns gerade als Frauen erstens von uns aus immer verpflichtet und schuldig fühlen. Und zweitens, dass wir auch von anderen Leuten zum Teil gezielt emotional manipuliert werden, sowohl gesellschaftlich als auch individuell. Du musst mir helfen, das kann sonst niemand. Und dann hörst du immer diese Geschichten von Ehemännern, die irgendwie auf der Arbeit von der Frau anrufen, weil sie die Butterdose im Kühlschrank nicht finden. Ich sage so, warum dürfen solche Leute Auto fahren? Warum dürfen die wählen? Also ich finde so, warum dürfen diese Leute in Vorständen sitzen? Also das sind ja dann die Punkte, wo man immer feststellt, es ist super leicht zu sagen, aber es ist ja viel schwerer das auch umzusetzen. Ich muss das nicht machen. Ich habe für mich, was es mir leichter macht, mich dagegen zu wehren, ist, dass ich eine - das könnt ihr euch gar nicht vorstellen, dass ich ein sehr trotziger Mensch bin - ich weiß nicht, ob ihr diesen Song kennt von [der Band] "Großstadtgeflüster". "Ich muss gar nichts!" Und das heißt, ich hab dann immer wieder, wenn so was kommt, du musst mir helfen, ist mein erster Punkt erst mal: Uff. Und dann schaue ich nochmal. Und ja, ich bin auch eine People-Pleaserin und ich mache oft Sachen trotzdem und ärgere mich dann über mich selber. Ich lebe auch meine Regeln konsequent zu 60 Prozent. Also muss man sich auch keine Illusion machen, dass ich irgendwie jetzt alles durchschaute und perfekt irgendwie im Griff habe. Aber gerade dieses Müssen finde ich ganz, ganz schlimm, weil wir auch zum Teil bewusst, zum Teil unbewusst auch manipuliert werden und als ob es nicht ausreicht, viel Druck für uns selber machen, den halt noch von außen mitbekommen. Und das ist auch so ein bisschen der Sinn von der Regel, von dem Kapitel, wo es geht, noch mal ein bisschen in uns rein zu horchen und zu merken, was löst diese Aufgabe in mir aus. So, möchte ich das machen? Zum Beispiel, weil es zu meinem Job gehört oder weil der Person wirklich auch helfen möchte, weil es mir Freude bereitet, weil sie mir wichtig ist. Merke ich, dass ich hier gerade irgendwie ausgenutzt werde, merke ich, das ich manipuliert werde? Da geht es auch ganz viel, wie gesagt, das klingt jetzt wieder so ein bisschen pseudo-spirituell, auf den eigenen Körper zu hören. Und was mache ich jetzt mit dieser, mit den Gedanken, die dabei rumkommen? Sich zumindest dieses Entscheidungsprozesses bewusster zu werden und bewusst zu reflektieren, wie wir in so vielen Sachen drin landen, weil wir denken, ja, es geht halt nicht anders.
00:26:49: Michaela Ernst: Du hast jetzt vorher auch gesagt, man muss ein bisschen in sich hineinhorchen, wann so dieser innere Widerstand kommt. Und du hast ein ganz tolles Modell entwickelt, die "Magenkrampf-Matrix". Und das finde ich auch irgendwie vom Bild so schön. Das sind so vier Kästchen und du wirst uns jetzt auch noch was zu deiner Magenkrampf-Matrix sagen.
00:27:11: Michaela Ernst: Ja, also ich bin eine ganz große Anhängerin von Alliterationen, deswegen heißt das Ganze eben auch "Marthas Magenkrampf-Matrix", außerdem wusste ich, das ist meine eine historische Gelegenheit, meinen Namen metaphorisch in den Schnee zu pinkeln und deswegen musste ich das mal eben kurz nach mir selber benennen. Genau, also wir haben quasi die drei Grundregeln, Energiemanagement, "Du musst gar nichts" und "wie setze ich Grenzen und sage nein?". Und wenn man die auf den dreien quasi schon mal ausgemistet hat, habe ich die Eisenhower-Matrix überarbeitet. Kurze Frage, wer kennt die Eisenhower-Matrix? Haben alle schon mal, ja die meisten vom Gehör. Genau, also ich habe quasi die Eisenhower-Matrix überarbeitet, weil ich gemeint habe, dass mit dem "wichtig und dringend", "wichtig, aber nicht dringend", "dringend, aber nicht wichtig" und "weder wichtig noch dringend", das funktioniert für uns halt überhaupt nicht. Und ich weiß nicht, ob es irgendwann mal für irgendjemanden funktioniert hat. Schon alleine, weil die Box C bei Eisenhower ist ja Delegieren und, naja, delegieren können Männer. Weil Männer haben Frauen, Männer haben Kolleginnen, die müssen nicht mal unbedingt Praktikantinnen oder Assistentinnen sein. Das können auch Kolleginnen auf Augenhöhe sein, bei denen man die Sachen delegiert, mehr oder weniger bewusst. Und das heißt, das Ganze ist super unrealistisch. Und worauf ich das aufgelegt habe, ist, wie der Name schon sagt, auf das Bauchgefühl buchstäblich, also mein Magenkrampf. Und das heißt, ich habe meine Aufgaben zwar auch in diesen vier Boxen quasi aufgeteilt, aber die Priorisierung läuft bei mir anders. Also ich mache als allererstes Quadrant A, ich mache das jetzt mal spiegelverkehrt, also A ist quasi hier für euch. In Quadrant A geht alles rein, was sich schnell abhaken lässt. Genau, und der zweite Quadrant sind quasi bei mir die Sachen, die mir Freude bereiten. Ich will nicht nur Sachen machen, weil sie wichtig sind oder dringend, sondern ich will auch einfach ein bisschen Freude an dem empfinden, was ich habe. Wenn es in eurer bezahlten Erwerbstätigkeit nichts gibt, was euch Freude bereitet, kann ich euch jetzt keinen Tipp geben, wie ihr eigentlich den Quadranten B füllen sollt. Ja, was man da genau reinmachen kann, wenn euch gar nichts vorbereitet. Aber für mich war das quasi alles, was ich gerne mache. Für mich gehören zum Beispiel das Schreiben dazu. Ich schreibe wahnsinnig gerne, mir macht das sehr viel Spaß. Je nach energetischer Verfassung kann das auch was mit Menschen zu tun haben oder irgendwelche Ideen. Ich schreibe eigentlich auch super gerne Förderanträge oder denke mir Konzepte für Unternehmenskooperation aus. Sind aber alles Sachen, die auch sehr bei mir energetisch-gesundheitlich abhängig sind. Und das heißt, ich habe auch eine sehr hohe Mobilität zwischen den Quadranten. Dann haben wir den Quadraten, also: A, B, C. Im Quadranten C, da landen alle Sachen, wo ich weiß, okay, das, das wird mich viel Kraft kosten. Das wird anstrengend und dafür, dann sind wir wieder beim Thema Time-Boxing, da muss ich wirklich Raum für schaffen und drumherum muss viel Luft sein, weil ich werde davor kaputt sein und ich werde danach kaputt sein, und wenn ich davor was anderes gemacht habe, dann werde ich mich dazu nicht aufraffen können. Und der wichtigste Quadrant, glaube, ich und der der originellste, wenn ich mir das so anmaßen darf, ist tatsächlich der Quadrant D und der Quadrant ist Bauchweh. Und dort werden Sachen geparkt, die ich nicht anrühre, weil ich alleine beim Gedanken daran Bauchweh bekomme. Und da ist mir das Allerwichtigste, dieses netter zu sich selber zu sein, sich keine Vorwürfe zu machen, sondern zu sagen, wenn ich mir jetzt auch noch Vorwürfe mache, dass ich das nicht erledige, dann habe ich ja noch mehr Energie verbrannt und dann werde ich noch länger mich nicht dazu aufraffen können, weil die wenige Energie, die ich vielleicht aufgespart habe, durch das Noch-nicht-Machen alles wieder kaputt gegangen ist, weil ich mich die ganze Zeit schuldig fühle. Mir ist klar, dass das nicht für sämtliche Aufgaben in sämtlichen Lebensbereichen immer realistisch ist. Ja, also ich mache mir da auch keine Illusionen, denn es geht jetzt auch nicht um darum, dass wir alles, worauf wir keine Lust haben, bis aufs Nimmerwiedersehen, bis zum St.-Nimmerleins-Tag, heißt es so schön, einfach aus dem Weg schieben und sagen, ja, aber Martha hat gesagt, wenn ich davon Bauchweh bekomme, dann mache ich das nicht, sondern es geht mehr darum, in dem Moment, wo wir merken, uns stresst das zu sehr, uns zu erlauben, den Schritt zurückzugehen, zu sagen, ich kann das gerade nicht, gezielt Kraft tanken, Energie tanken, um dann eben ranzugehen zu einem Zeitpunkt, wo uns diese Aufgabe halt nicht so fertig macht. Und ich habe letztens zum Beispiel ein Gespräch darüber geführt, dass ich persönlich dachte, das kennen alle. Ich weiß nicht, ob das ein Gefühl ist, das ihr auch schon kennt oder ob ich da von mir auf alle geschlossen habe, dass es so Aufgaben gibt. Man schiebt sie monatelang vor sich her und dann, wenn man sie erledigt, waren es irgendwie drei Minuten. Und es war überhaupt nicht schwer und es war nicht anstrengend. Kennen das alle? Ja, das bin nicht nur ich. Darum geht es auch ein bisschen: zu sagen, hey, wir können nicht immer nur darauf spekulieren, irgendwann wird der Tag magisch kommen, an dem wir das in drei Minuten leicht von der Hand gekriegt haben. Weil mich jetzt auch noch reinzusteigern, dass es nicht geht, wird es noch länger herausschieben, bis ich überhaupt wieder arbeitsfähig bin. Ja, also ich möchte, dass euch klar ist, ich nehme das nicht auf die leichte Schulter mit dem "wir schieben das vor uns hin, bis wir Bock drauf haben", sondern das ist bei mir auf einer relativ klar ausgeprägten Ebene, aber viele kennen das, wie gesagt, ihr habt ja auch schon alle genickt und gelacht, kennen das Gefühl, eine Zeit lang vor sich hinschieben und plötzlich geht das, sich einfach diesen Prozess zu erlauben, um zu wissen, da geht es vielleicht auch schneller leicht von der Hand, als wenn wir uns länger jeden Tag aufs neue Vorwürfe machen.
00:32:25: *Musik*
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