Du kannst alles werden, aber alles zu seiner Zeit

Shownotes

Wenn man sich Nora Charlotte von Obstfelder anschaut, könnte man meinen, dass sie ihre beruflichen und privaten Ziele schon erreicht hat. Sie steht oben auf der Karriereleiter, schafft die Balance zwischen Managerin und Mutter, hat ganz nebenbei einen Verein zur Demokratieförderung gegründet und sich obendrauf noch das Ziel gesetzt, mehr Frauen für eine Karriere bei EY zu gewinnen. Welche Erkenntnisse sie auf dem Weg von der BWL-Studentin in Schottland bis zu ihrer Position als Payments Growth Driver in Frankfurt gewonnen hat – darüber spricht sie mit Julia Hägele im herCAREER Voice Podcast.

Themen: Vereinbarkeit | Wiedereinstieg | Working Parents

Angaben zur Referentin: Nora Charlotte von Obstfelder ist Senior Manager im Bereich EMEIA Financial Services Strategy and Transaction bei EY in Frankfurt und fokussiert sich dort auf den Payments Sektor. Sie ist seit 20 Jahren bei EY (wenn man einen zweijährigen Abstecher mitzählt) und hat sich in Deutschland und England immer wieder neuen und spannenden Aufgaben gestellt. Wachstum war ihr dabei schon immer wichtig – ob als Kollegin, Mutter, Ambassador oder Vorbild für weibliche Nachwuchstalente.

Über den Podcast der herCAREER: Im Podcast herCAREER Voice kommen Menschen zu Wort, denen eine vielfältige und gerechte Arbeitswelt am Herzen liegt – von der herCAREER Expo live und aus der herCAREER Community. Wir sprechen über weibliche Erfahrungen, Karrieren und Herausforderungen sowie darüber, wie wir Berufs- und Privatleben gut vereinbaren können. www.her-career.com/podcast

The herCAREER Voice podcast features people who care about a diverse and equitable workplace - from the herCAREER Expo live and from the herCAREER community. We talk about female experiences, careers and challenges, as well as how to achieve a good work-life balance. www.her-career.com/en/podcast

herCAREER Voice ist eine Produktion von hauseins für herCAREER – die Plattform für die weibliche Karriere. Projektleitung: Natascha Hoffner Redaktion und Produktion: Miku Sophie Kühmel Sprecherin: Katharina Alexander

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herCareer Voice mit Nora Charlotte von Obstfelder

Nora Charlotte von Obstfelder: Also ich glaube, als ich angefangen habe zu arbeiten, habe ich gedacht, Karriere, ist so ein Ziel. Man erreicht irgendwie eine bestimmte Position oder eine bestimmte Rolle und das ist dann die Karriere. Mittlerweile habe ich verstanden, dass Karriere eigentlich so ein Weg ist, und es viel mir darauf ankommt, was man für Erfahrungen gesammelt hat, was man gewonnen hat an Netzwerk und an Auslandserfahrung und an inhaltlicher Weiterbildung. Das ist für mich jetzt heutzutage viel mehr Karriere, als dass es eine bestimmte Position ist, die ich erreichen muss.

Anmoderation: Herzlich willkommen zum herCareer Voice Podcast. Du bist hier richtig, wenn du diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarktpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören willst. Lerne dabei von Rolemodels, ExpertInnen und Insidern und nimm wertvolle Anregungen für deine eigene Karriereplanung mit. Mit herCareer Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein. Von der herCareer Expo live und aus der herCareer Community.

Wenn man sich Nora Charlotte von Obstfelder anschaut, könnte man meinen, dass sie ihre beruflichen und privaten Ziele alle schon erreicht hat. Sie steht oben auf der Karriereleiter. Schafft die Balance zwischen Managerin und Mutter, hat ganz nebenbei einen Verein zur Demokratieförderung gegründet und sich obendrauf noch das Ziel gesetzt, mehr Frauen für eine Karriere bei EY zu gewinnen. Welche Erkenntnisse sie auf dem Weg von der BWL- Studentin in Schottland bis zu ihrer Position als Payments Growth Driver in Frankfurt gewonnen hat, darüber spricht sie mit Julia Hägele hier im herCareer Voice.

Julia Hägele: Hallo Nora, ich freue mich, dass du da bist. Lass uns direkt einsteigen. Was machst du bei EY?

Nora Charlotte von Obstfelder: Bei EY bin ich in der Transaktionsberatung. Und ich unterstütze vor allen Dingen Zahlungsdienstleister, bei allem, was sich irgendwie unter Transaktionen subsumieren lässt. Also ganz klassisch natürlich, ein Zahlungsdienstleister kauft einen anderen, oder ein Private Equity House kauft einen Zahlungsdienstleister. Manchmal auch so ein bisschen Sonderthemen, wie die Bankaufsicht prüft einen Zahlungsdienstleister, und das ist dann vom Aufwand her ungefähr vergleichbar mit einer Transaktion, solche Dinge. Und da mache ich das ganze Prozessmanagement und teilweise auch die Due Diligence, also die Prüfung der Dokumente, solche Dinge.

Julia Hägele: Das Beraterinnenleben stellt man sich ja gemeinhin nicht so vor, dass man sehr viel Zeit hat, um sich um Familie oder Hobbys, soziales Engagement, was auch immer zu kümmern. Wie ist das denn so für dich?

Nora Charlotte von Obstfelder: Also das kommt immer so ein bisschen drauf an, wie man das Beraterleben lebt, ne. Als ich meine Karriere begonnen habe und noch keine Kinder hatte und noch genau genommen völlig unabhängig war, da hat das schon meinen ganzen Tag ausgefüllt. Ich bin morgens ins Büro und abends spät wiedergekommen, vielleicht noch mal eine Stunde ins Fitnessstudio und das war's dann. Und am Wochenende hat man vielleicht auch noch mal was zu tun gehabt und ich war ja auch viel im Ausland unterwegs. Und das ha alles so seine Zeit. Das hat Spaß gemacht damals. Heute sieht das ganz anders aus. Heute arbeite ich Teilzeit und kann mir meine Arbeit auch einteilen. Jetzt im Moment habe ich aktuell grad ein Projekt, was auch viel vor Ort beim Mandanten stattfindet. Da muss man natürlich schon auch immer gut planen und schauen, wie man sich Termine legt, wann man da vor Ort ist und wie man das alles unter einen Hut kriegt. Aber ansonsten lässt sich das Beraterleben doch auch ganz gut vereinbaren mit Kindern.

Julia Hägele: Du hast einmal geschrieben, ich glaub's ich hab's auf LinkedIn gelesen: Ich habe zu Beginn meiner Karriere auf einiges verzichtet, um richtig durchzustarten. Auf was hast du denn verzichtet?

Nora Charlotte von Obstfelder: Na ja, hauptsächlich auf Freizeit, Das ist ein Beruf, den kann man wirklich mit Haut und Haar und 24 Stunden, sieben Tage die Woche betreiben. Und mir hat das ja auch unheimlich Spaß gemacht, so hautnah an den Transaktionen dran zu sein und die sind schnelllebig, das muss alles zeitnah passieren, man hat nicht viel Zeit ein Dokument vielleicht morgen zu lesen. Viele Berater sind dran beteiligt, die alle Vollgas geben und schafft man's kurz mal ins Fitnessstudio und das war’s. Also das war jetzt nicht so, dass ich dann

viel Freizeit hatte und da habe ich aber auch ganz gerne drauf verzichtet. Ich habe das nie als als Manko empfunden. Wie gesagt, jetzt zu dieser Zeit ist es aber auch durchaus möglich. Ich bin jetzt Seniora, das heißt, ich habe ein Team, ich kann auch was abgeben und ich kann mir meine Projekte so steuern, dass es auch irgendwie in meine Lebensphase passt.

Julia Hägele: Was bedeutet Karriere eigentlich für dich? Was hat sie damals bedeutet, was bedeutet sie heute?

Nora Charlotte von Obstfelder: Also ich glaube, als ich angefangen habe zu arbeiten, habe ich gedacht, Karriere, ist so ein Ziel. Man erreicht irgendwie eine bestimmte Position oder eine bestimmte Rolle und das ist dann die Karriere. Mittlerweile habe ich verstanden, dass Karriere eigentlich so ein Weg ist, und es viel mir darauf ankommt, was man für Erfahrungen gesammelt hat, was man gewonnen hat an Netzwerk und an Auslandserfahrung und an inhaltlicher Weiterbildung. Das ist für mich jetzt heutzutage viel mehr Karriere, als dass es eine bestimmte Position ist, die ich erreichen muss.

Julia Hägele: Michelle Obama hat mal gesagt, you can have it all, but not that the same time. Also du kannst als Frau alles haben: Familie, Karriere, was auch immer, nur eben nicht gleichzeitig. Siehst du das genauso?

Nora Charlotte von Obstfelder: Ja, ich glaube, da hat sie schon recht. Frauen können heutzutage alles haben, aber es geht nicht immer alles gleichzeitig. Man kann nicht die hingebungsvolle Mutter sein, die den ganzen Tag zu Hause ist und für die Kinder da ist, und gleichzeitig die große Karriere machen. Man muss schon bereit sein, dass dann auch nacheinander zu machen. Aber wie ich gesagt habe, also Karriere ist ja kein keine Rolle, keine Position, die ich zu einem bestimmten Zeitpunkt machen muss, sondern all das, was ich erlebt habe in meinem beruflichen Leben und das, was ich daraus gemacht habe.

Julia Hägele: Wie organisierst du deinen Alltag denn ganz konkret? Was hat sich als hilfreich erwiesen für dich? In Sachen Kinderbetreuung zum Beispiel.

Nora Charlotte von Obstfelder: Also ich glaube, das Hilfreichste ist unser ganz großes Whiteboard im Eingangsbereich, wo jedes Familienmitglied eine Farbe hat und Montag bis Sonntag alle Termine eingetragen werden und mein Mann und ich Sonntags da stehen und er sagt, oh guck mal, am Mittwoch bin ich mal nicht da, und aber am Dienstag kann ich den Mittleren zum Turnen fahren und hier bin ich abends da, wenn du einen Termin hast. Ohne dieses Whiteboard würden wir, glaube ich, weiß nicht, mindestens die Hälfte der Termine irgendwie vergessen oder zu spät kommen. Und das Zweite ist, dass man natürlich eine verlässliche Kinderbetreuung braucht. Und damit meine ich nicht, dass, ich die Kinder den ganzen Tag bis spät abends in den Kindergarten oder in den in die Nachmittagsbetreuung von der Schule schicke, sondern dass jemand zu Hause ist, die einfach da ist, während die Kinder auch mal in Ruhe einfach Lego spielen und vielleicht mal ein Brot schmiert oder sagt, du musst jetzt zum Hockey fahren, mach dich rechtzeitig fertig. Und da habe ich zum Glück eine ganz tolle Hilfe gefunden, die an vier Nachmittagen die Woche da ist und und mich da unterstützt, sodass ich mich dann auf die Arbeit konzentrieren kann.

Julia Hägele: Was war denn bisher die größte Zerreißprobe für dich?

Nora Charlotte von Obstfelder: Ich glaube, die größte Zerreißprobe für mich war tatsächlich die Coronapandemie, wo ich eigentlich in 2021 wieder zurückkehren sollte aus der Elternzeit und dann aber gemerkt habe, dass das mit drei Kindern zu Hause ohne Kindergarten, ohne Schule, Homeschooling und so weiter einfach überhaupt nicht passt. Und meine Kinder haben da auch sehr drunter gelitten, auf unterschiedliche Art und Weise, unter diesen ganzen Schließungen, kein Sport, keine Freunde und so weiter. Und da habe ich für mich gemerkt, dass funktioniert einfach überhaupt nicht mit arbeiten, und habe dann, weil ich zum Glück noch Elternzeit übrig hatte, diese auch noch genommen, EY war da auch sehr zuvorkommend und flexibel, was das anging, Und habe dann noch zwei Jahre Elternzeit hinten drangehängt. Es war natürlich eigentlich nicht das, was ich geplant hatte. Hat mich natürlich karrieretechnisch auch ein bisschen zurückgeworfen, Aber im Nachhinein bin ich sehr froh darüber, weil meine Kinder doch sehr dann durch diese ganze Pandemie und diese schwere Zeit gekommen sind.

Julia Hägele: Da haben ja viele Eltern und auch Kinder drunter gelitten, wie hat sich euer Alltag damals so gestaltet?

Nora Charlotte von Obstfelder: Also wir haben zum Glück die Situation, dass wir ein Haus mit kleinem Garten haben und die Kinder trotzdem raus konnten. Und ansonsten war das natürlich einfach eine, sag ich mal eine sehr irre Phase, nicht Also drei Kinder zu Hause, die die plötzlich keinen Sport mehr haben, die plötzlich keinen Rhythmus mehr haben, die sich da neu dran gewöhnen müssen. Ich meine, in der Zeit waren wir zwar mit dem Umbau unseres Hauses fertig, wir hatten kernsaniert. Der Garten war aber noch nicht fertig, sodass das für die natürlich auch ein großer Spaß war mit dem Matschplatz da hinten und so und wir dann in der ganzen Zeit so als Familie diesen Garten gestaltet haben. Aber insgesamt war das natürlich für die Kinder schon schwierig, nicht. Also mein Mittlerer ist dann auch ein Jahr später eingeschultworden, weil der das auch nicht so richtig gut mitgenommen hat. Der Jüngste hat das eigentlich gar nicht so mitgekriegt. Der Große, der hatte dann in der Schule ordentlich Probleme, als es wieder losging. Also das war schon eine große Herausforderung für uns alle.

Julia Hägele: Gibt es etwas, das du dir von unserer Gesellschaft wünschen würdest, wenn es um Vereinbarkeit geht?

Nora Charlotte von Obstfelder: Was ich mir wirklich wünschen würde, ist mehr Anerkennung für die Frauen, die sich ganz bewusst entscheiden auf Karriere zu verzichten oder Karriere hinten anzustellen, um wirklich für die Kinder da zu sein und für die Familie da zu sein. Ich habe manchmal so das Gefühl, das ist etwas, wofür man sich heutzutage rechtfertigen muss, wenn man als Mutter sich entscheidet, auszusteigen aus dem Beruf oder zumindest für eine Zeit den Beruf mal hinten anzustellen. Und das Zweite ist, dass ich mir wünschen würde, dass diese Entscheidung, wie ich mein, meine Kinderbetreuung gestalte, wesentlich mehr gefördert wird, nicht nur Kindergartenplätze schaffen, das ist unheimlich wichtig, aber auch den Eltern, die Möglichkeit geben, also vor allem die finanzielle Möglichkeit zu geben, Betreuung zu Hause stattfinden zu lassen, dass das nicht immer alles nur ausm Netto bezahlt werden muss.

Julia Hägele: Verstehe. Ich hätte eine kleine Nachfrage zu dem, was du als ersten Punkt genannt hattest, nämlich mehr Anerkennung für Mütter, die zu Hause bleiben. Hast du das Gefühl, dass Männer und Frauen hier unterschiedlich angeschaut werden, dass Männer vielleicht teilweise immer noch ein bisschen mehr Applaus bekommen, wenn sie in Elternzeit gehen und dass bei Müttern eigentlich eher als selbstverständlich gilt oder vielleicht irgendwie mittlerweile als gluckenhaft?

Nora Charlotte von Obstfelder: Na ja, ich finde das toll, dass mittlerweile immer mehr Männer auch in Elternzeit gehen und da ist es natürlich schon auch wichtig, das zu honorieren und sie darin zu bestärken. Ich finde andersrum, immer so ein bisschen schade, dass den Frauen meines Erachtens gesellschaftlich so viel Druck gemacht wird, unbedingt wieder arbeiten zu gehen, unbedingt sofort wieder einzusteigen und sich nicht zu erlauben, auch mal länger als ein Jahr zu Hause zu bleiben und da wirklich eine eine hohe Wertschätzung entgegenzubringen, weil das wirklich eine taffe Aufgabe ist, mit Kindern zu Hause zu bleiben, den Haushalt zu managen, die die Kinder zu managen. Das ist mitnichten so eine Latte-Macchiato-Geschichte, wo man den ganzen Tag im Café sitzt und dafür die die Anerkennung, das fände ich schon schön.

Julia Hägele: Warst du da ein bisschen zerrissen, als du vier Jahre zu Hause warst, oder warst du total d'accord mit deiner Entscheidung?

Nora Charlotte von Obstfelder: Na ja, ich war so ein bisschen zerrissen, weil das ja nicht ganz freiwillig war, sondern eben der Pandemie geschuldet war, und ich mich dann schon gefragt habe, kann ich da eigentlich wieder zurück in den Job, den ich gemacht habe?

Wenn man da so vier Jahre komplett raus ist, dann vergisst man so ein bisschen, was man da eigentlich kann. Also ich habe ganz viele andere Dinge gelernt in der Zeit. Ich habe zum Beispiel eine bundesweite Initiative gegründet, wo wir Eltern uns gegenseitig unterstützt haben und auch politisch uns engagiert haben, dass die Kinder nicht so hart von den Maßnahmen getroffen werden und so weiter. Da habe ich ganz viel dazugelernt, aber auf der anderen Seite habe ich mich gefragt, kann ich denn den Job eigentlich noch machen und akzeptieren die mich denn eigentlich noch?

Julia Hägele: Wie war denn der Wiedereinstieg dann?

Nora Charlotte von Obstfelder: Der war erstaunlich positiv. Also ich hatte so ein bisschen Befürchtungen als ich dann mit meinem Abteilungsleiter wieder gesprochen habe und mit ihm diskutiert habe, wie ich wieder zurückkomme. Und dann habe ich mir überlegt, wie er das wohl finden würde, wenn ich sage, ich möchte Teilzeit und ich möchte nicht mehr reisen und so weiter, aber das war unheimlich positiv und er hat mich bestärkt und gesagt, also wir machen das alles möglich und du sagst, was geht, war da total flexibel, sodass ich am Anfang eigentlich mit viel weniger Stunden eingestiegen bin und dann sukzessive immer erhöhen konnte, je nachdem, wie ich dann festgestellt habe, wie's gut funktioniert, ja? Und ich habe am Anfang eine interne Rolle gehabt, wo ich mich wirklich nur um den Markt gekümmert habe und dann, als ich so weit wieder drin war, dass ich auch mir zugetraut habe, wieder eigene Projekte mit Mandanten zu machen, dann konnte ich das auch wieder machen.

Julia Hägele: Verstehe. Heute erstreckt sich dein Verantwortungsbereiche EY auf den Wirtschaftsraum Europa, Naher Osten, Indien und Afrika. Wie ist es für dich so international zu arbeiten?

Nora Charlotte von Obstfelder: Also, wir arbeiten ja nicht immer alle so international. Ich habe vor den Kindern sehr, sehr international gearbeitet und viele Projekte im Ausland gemacht. Habe da mir ein ganz breites, weites Netzwerk aufgebaut und fand das immer ganz, ganz spannend. Ich bin nicht so ein Urlauber, da fahre ich lieber an die Ostsee, aber beruflich für ein Projekt kann man mich auf die ganze Welt schicken. Das fand ich immer toll, die Leute da kennenzulernen, mit den Leuten auch mal abends wegzugehen, die Städte zu erkunden mit den Locals und nicht als Tourist. Und einfach immer wieder was dazu zu lernen.

Julia Hägele: Weil du gerade sagtest, Netzwerk, was bedeutet denn ein gutes Netzwerk für dich? Hast du dir das aktiv aufgebaut oder kam das so mit der Zeit?

Nora Charlotte von Obstfelder: Ja, ich bin in einer Abteilung in einem Bereich, der sehr männerdominiert ist und leider auch immer weniger Frauen sich für den Bereich interessieren. Das finde ich sehr schade. Viele, weil sie glauben, dass Familie und Karriere in diesem Bereich nicht vereinbar wäre, was ich ja immer versuche an meinem Beispiel zu widerlegen. Und dieses Netzwerken EY-intern, also über alle Servicelines hinweg finde ich so wichtig, weil der Austausch stattfinden muss. Wie machst du das mit den Kindern? Wie machst du das mit dem Weiterkommen, was die Karriereleiter angeht? Hast du auch diese Probleme? Hast du auch diese Themen? Und ich merke, dass ich da ganz viel weitergeben kann an die jungen Frauen, wie sie sich vielleicht Dinge leichter machen können innerhalb der Firma. Und ich das aber genauso spannend finde, mit anderen Frauen darüber zu sprechen, wie sie das alles so hinkriegen und wie ihr Lebensmodell aussieht.

Julia Hägele: Was sind denn so die Punkte, die sich immer wiederholen, wenn du mit jungen Frauen sprichst? Also was macht deren Leben leichter?

Nora Charlotte von Obstfelder: Also was ich Ihnen immer wieder sage ist, hol dir das, was du willst. Niemand serviert hier irgendjemandem irgendwas aufm Silbertablett, sondern es ist wie ein selbstständiges Dasein. Guck was dich interessiert, wo du gut bist. Sprich die Leute an, nimm das Telefon in die Hand, schreib einfach eine E- Mail und geh proaktiv die Sachen an. Und man muss auch den Mut haben, auch mal zu scheitern, einfach mal „hier!“ schreien. Das machen wir Frauen ja immer nicht so gerne, nicht, also vor allen Dingen wenn wir das Gefühl haben, wir sind da noch nicht hundertprozentig perfekt in der Sache. Dann stellen wir uns immer lieber hinten an und sagen, ich gucke erstmal und da versuche ich immer, die Frauen zu ermutigen und zu sagen, mach einfach mal, die Jungs können das auch nicht besser.

Julia Hägele: Genau, man denkt immer, man braucht noch eine extra Ausbildung.

Nora Charlotte von Obstfelder: Genau. Aber auf der anderen Seite sage ich auch immer wieder, und da werde ich auch nicht müde, das immer wieder zu artikulieren, die Männer müssen sich auch ein bisschen anpassen. Die müssen auch lernen, wenn sie ein Projekt in den Raum werfen, mal zu gucken, ob da nicht Frauen sind, die jetzt nicht sofort hier schreien, aber die trotzdem super geeignet wären. Und diese Sensoren sich anzueignen und auszubilden, das finde ich eben genauso wichtig.

Julia Hägele: Wie bringt man denn mehr Frauen in die Financial Services?

Nora Charlotte von Obstfelder: Tja, das ist eine gute Frage, die ich mir auch schon gestellt habe und die wir ja auch viel diskutieren intern bei EY, wie machen wir das attraktiver, wo kriegen wir die jungen Frauen her, die sich dann bei uns bewerben? Ich glaube zum einen ist es das Aufbrechen dieses Mythos, das ist eine Männerwelt und da kann man als Frau, vor allen Dingen nicht als als Mutter nichts reißen. Das versuche ich immer wieder aufzubrechen, weil es einfach nicht stimmt. Ich sehe an vielen jungen Frauen, die unsere Abteilung verlassen haben mit dem Argument, woanders kann ich familienfreundlicher arbeiten., dass die jetzt das Problem haben, dass das alles viel unflexibler ist, wenn sie in so einer starren,

Organisation stecken und da einen ganz bestimmten Stundensatz liefern müssen oder auch einfach die Pflicht haben ins Büro zu kommen, kein Homeoffice machen können und so weiter. Da ist es bei – uns würde ich mal behaupten – fast der familienfreundlichste Ort, weil das alles irgendwie geht, wenn man zeigt, dass man trotzdem Chargeable ist, also trotzdem seine Stunden liefert und seine seine Projekte macht. Das andere ist, dass uns aufgefallen ist, dass schon an den Unis die Frauenquote in den relevanten Fächern, also Accounting, Finance, Banking, sehr sehr niedrig ist. Also es scheint schon ganz, früh in der in der Ausbildung für Frauen unattraktiv erscheint in diese Bereiche zu gehen und ich weiß nicht, ob das also an den Schulen liegt, dass diese mathematischen Fächer den jungen Mädchen irgendwie madig gemacht werden oder die da nicht richtig den Zugang finden. Und wir versuchen jetzt uns zumindest an der Uni, in den ersten Semester der Bachelorstudiengänge schon zu engagieren und den jungen Studentinnen aufzuzeigen, was der Job eigentlich bedeutet und was da eigentlich dahinter steckt. Es ist natürlich auch was sehr Abstraktes, nicht? Also finde ich Marketing studiert, dann stelle ich mir vor, ich mache mal tolle, bunte Werbung, aber wenn ich mich auf Accounting oder Finance spezialisiere, dann sitze ich vorm PC mit einem Haufen Zahlen, da kann man sich vielleicht weniger drunter vorstellen.

Julia Hägele: Du wirkst so, als hättest du überhaupt kein Problem damit, Entscheidungen zu treffen. Ist das so und wenn ja, wie geht das?

Nora Charlotte von Obstfelder: Also ich bin ein sehr entscheidungsfreudiger Mensch, das stimmt. Wie geht das? Ja, also abwägen, Pro, Contra, sich alle Argumente für die eine und für die andere Seite überlegen, und dann aber auch den Mut haben, das einfach zu machen und auch die Toleranz dafür, dass ich mit der Entscheidung dann auch leben muss. Aber das weiß ichgar nicht, ob man das lernen kann oder ob das eine Typfrage ist. Vielleicht hilft einem so ein Debattentraining, in dem man sich, auch immer für die Gegenseite die richtigen Argumente überlegt, um dann wirklich alle Argumente für oder gegen die Entscheidung zu haben.

Julia Hägele: Vielen Dank, Nora für das Gespräch.

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