Digitale Gewalt und Hass im Netz - Was können wir tun?
Shownotes
Wir dürfen das Netz nicht den Tätern überlassen. Nur wie?
Wenn Frauen sich im Netz öffentlich oder politisch äußern, riskieren sie Hasskommentare, sexistische, beleidigende Sprüche, Gewaltandrohungen. Die Folge: viele ziehen sich aus Angst vor Angriffen aus den sozialen Medien zurück. Anna-Lena von Hodenberg möchte dem entgegenwirken. Die gelernte Journalistin ist die Geschäftsführerin von HateAid, einer Beratungsstelle, die Betroffene von digitaler Gewalt berät und unterstützt. Diese hat sie gemeinsam mit Campact e.V. und Fearless Democracy e.V. gegründet. HateAid ist Ansprechpartnerin in Policy- und Rechtsfragen zum Thema digitale Gewalt und arbeitet mit mehreren spezialisierten Kanzleien, Sonderstaatsanwaltschaften und diversen Bundes- und Landesbehörden sowie mit europäischen Entscheidungsträger*innen zusammen.
Themen: Hate Speech | Social Media | Debattenkultur | digitale Gewalt
Angaben zu den Referentinnen: Anna-Lena von Hodenberg wurde 2020 mit dem Digital Female Leader Award 2020 ausgezeichnet und von der Zeitschrift Focus zu einer der “100 Frauen des Jahres 2020” gewählt. Im Jahre 2021 wurde sie von der Zeitschrift Capital zu den 40 unter 40 gekürt. An ihrer Seite ist heute Franziska Hilfenhaus, seit über 15 Jahren freie Journalistin beim Westdeutschen Rundfunk. Sie hat u.a. für das Instagram-Format @maedelsabende von FUNK und WDR gearbeitet, das mit dem Grimme-Online-Award ausgezeichnet wurde. Außerdem ist sie langjährige Autorin bei dem gesellschaftspolitischen TV-Magazin Frau tv. Mit Anna-Lena von Hodenberg spricht sie darüber, warum Frauen häufig Betroffene sind, was die Politik unternehmen müsste und welche Strategien es gegen Gewalt und Hass im Netz gibt.
Über den Podcast der herCAREER: Du bist hier richtig, wenn Du diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarkpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören willst. Lerne dabei von Role Models, Expert:innen und Insidern und nimm wertvolle Anregungen für Deine eigene Karriereplanung mit. Mit herCAREER Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein. Besuche uns auf her-CAREER.com und lerne uns besser kennen.
herCAREER Voice ist eine Produktion von hauseins für herCAREER – die Plattform für die weibliche Karriere. Projektleitung: Natascha Hoffner Redaktion und Produktion: Miku Sophie Kühmel Sprecherin: Katharina Alexander
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HerCareer Voice Live mit Anna-Lena von Hodenberg
Katharina Alexander [00: 00:09] Herzlich willkommen zum herCareer Voice Podcast. Du bist hier richtig, wenn du diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarktpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören willst. Lerne dabei von Role Models, Expertinnen und Insidern und nimm wertvolle Anregungen für deine eigene Karriereplanung mit. Mit Career Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein – von der herCareer Expo live und aus der herCareer Community.
Wir dürfen das Netz nicht den Tätern überlassen. Nur wie? Wenn Frauen sich im Netz öffentlich oder politisch äußern, riskieren sie Hasskommentare, sexistische und beleidigende Sprüche, Gewaltandrohungen. Die Folge: viele ziehen sich aus Angst vor Angriffen aus den sozialen Medien zurück. Anna-Lena von Hodenberg möchte dem entgegenwirken. Die gelernte Journalistin ist die Geschäftsführerin von HateAid, einer Beratungsstelle, die Betroffene von digitaler Gewalt berät und unterstützt. Diese hat sie gemeinsam mit Campact e.V. und Fearless Democracy e.V. gegründet. HateAid ist Ansprechpartnerin in Policy und Rechtsfragen zum Thema Digitale Gewalt und arbeitet mit mehreren spezialisierten Kanzleien und Staatsanwaltschaften zusammen sowie mit diversen Bundes und Landesbehörden und europäischen EntscheidungsträgerInnen.
Wir dürfen das Netz nicht den Tätern überlassen. Nur wie? Wenn Frauen sich im Netz öffentlich oder politisch äußern, riskieren sie Hasskommentare, sexistische und beleidigende Sprüche, Gewaltandrohungen. Die Folge: Anna-Lena von Hodenberg wurde 2020 mit dem Digital Female Leader Award ausgezeichnet und von der Zeitschrift Focus zu einer der 100 Frauen des Jahres 2020 gewählt. Im Jahr 2021 wurde sie von der Zeitschrift Capital zu einer der 40 unter 40 gekürt. An ihrer Seite ist heute Franziska Hilfenhaus, seit über 15 Jahren freie Journalistin beim Westdeutschen Rundfunk. Sie hat unter anderem für das Instagram Format Mädelsabend von Funk und WDR gearbeitet, das mit dem Grimme Online Award ausgezeichnet wurde. Außerdem ist sie langjährige Autorin bei dem gesellschaftspolitischen TV-Magazin Frau TV. Mit Anna-Lena von Hodenberg spricht sie darüber, warum Frauen häufig Betroffene sind, was die Politik unternehmen müsste und welche Strategien es gegen Gewalt und Hass im Netz gibt.
Franziska Hilfenhaus [00: 02:33] Anna-Lena, schön, dass du da bist und wir jetzt Zeit finden, miteinander zu plaudern.
Anna-Lena von Hodenberg [00: 02:37] Vielen Dank. Ja, ich freue mich sehr, hier zu sein.
Franziska Hilfenhaus [00: 02:40] Sehr schön. Anna-Lena, ich würde tatsächlich gerne mal direkt mit so einer Frage einsteigen. Wir haben Freitag, die Woche ist quasi, die Arbeitswoche neigt sich dem Ende. Wie viel Hass im Netz, gigitale Gewalt hast du … mit wie viel hast du dich in dieser Woche schon beschäftigen müssen?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 02:54] Gott sei Dank nicht so viel, wie man denken würde, weil ich ja als Geschäftsführung mich ganz gut abschotten kann. Ich kann mir immer nur so … Die Anfragen kommen in der Beratung an, da haben wir bis zu zwischen 25 und 30 Anfragen, 25 bis 30 Personen, die sich pro Woche an uns wenden und da kommen, sozusagen melden sich Menschen per Email, per Telefon und kommen dann eben mit total unterschiedlichen Sachen. Wir sprechen über digitale Gewalt, das sind Vergewaltigungsandrohungen im Netz, das ist Stalking, das ist eine Morddrohung. Beleidigung ist natürlich der Klassiker, aber auch genau gefakte Pornobilder und solche Sachen. Also mit sowas kommen Leute in die Beratung und ich sehe eigentlich immer nur so, genau, wenn es irgendwas neues gibt, besondere Fälle. Und so weiter. Und das wird sozusagen eher in der Beratung wird das bearbeitet. Und ich sage dir auch warum. Weil man das sonst nicht aushält. Du hältst es nicht aus. Auch wenn du mit diesem Thema arbeitest, musst du darauf achten, dass du dich selber schützt und dass du auch selber ein erstes nicht abstumpft oder dass dich das selber auch nicht so deprimiert und depressiv macht, weil das kann es tatsächlich machen. Und deswegen ist für mich und für mein Team und für uns alle immer ganz wichtig, dass wir sozusagen uns eine Zeit auch aussetzen, weil das eben das ist, womit wir uns auch beschäftigen, aber gleichzeitig uns auch schützen.
Franziska Hilfenhaus [00: 04:12] Du hast das gerade angesprochen 25 bis 30 Fälle pro Woche. Wer sind denn die Betroffenen? Gibt es da Erkenntnisse? Also wer ist Zielscheibe von digitaler Gewalt?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 04:22] Also genau, Man kann auch sagen digitale Gewalt, Hass im digitalen Bereich. Das kann eigentlich jeden und jede treffen. So pauschal kann man das erst mal so sagen. Aber wir sehen aus unseren eigenen Statistiken, aber auch durch wissenschaftliche Untersuchungen, dass eben bestimmte Gruppen besonders angegriffen werden und vielleicht auch besonders heftig angegriffen werden. Keine Überraschung. Die Gruppen, die schon im analogen Bereich besonders angegriffen wurden und diskriminiert wurden, werden auch im Digitalen angegriffen. Das heißt größte Gruppe sind Frauen, sind Schwarze Menschen, sind Muslima, ganz oben auf der Liste sind Jüdinnen, sind behinderte Menschen. Also genau, wenn irgendwie diskriminiert, wenn es so was gibt, was man auch irgendwie diskriminieren kann. Und was wir eben auch sehen ist, wenn es intersektional ist, ist es noch mal heftiger. Das heißt, wenn du jetzt eine Schwarze Frau hast, wird die noch mal heftiger angegriffen oder eine lesbische Jüdin zum Beispiel wird dann auch noch mal heftiger angegriffen. Also diese Intersektionalität spielt auf jeden Fall noch mal eine ganz große Rolle.
Franziska Hilfenhaus [00: 05:22] Und gibt es auch bestimmte Themen, sag ich mal, die Hater besonders anzieht?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 05:27] Total. Es gibt Reizthemen und mit allen Frauen, auch gestern, mit allen Frauen, mit denen ich spreche, und zu denen, die auch eine große öffentliche Präsenz oder eine Präsenz überhaupt auf den sozialen Medien haben, in der Öffentlichkeit stehen, sich politisch äußern, im Journalismus arbeiten, die sagen, es gibt immer die 1, 2, 3 Themen, wo ich genau weiß, wenn ich da jetzt was poste, dann geht was los. Thema Nummer eins Feminismus, Thema Nummer zwei Migration. Thema Nummer drei Rassismus. Und das sind so … und jetzt Thema Nummer vier – wir haben auch Luisa Neubauer zum Beispiel von Fridays for Future ist ja auch eine Klientin von uns der ersten Stunde – Klima ist auch ein riesen Thema.
Franziska Hilfenhaus [00: 06:08] Was weißt du denn über, sie haben ja über die Betroffenen gesprochen. Was weißt du denn über die Menschen, die den Hass verbreiten? Gibt es da auch Erkenntnisse?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 06:17] Also wir wissen, dass gerade bei diesen ganz orchestrierten Angriffen … also ich habe Klientinnen, die bekommen zum Beispiel innerhalb von zwei Wochen 4.000 Hasskommentare. Das ist überhaupt gar keine Seltenheit. Das geht wirklich dann los, geht so, wie so eine Kurve, kann man auch richtig auch grafisch darstellen, Da macht das dann auch pling, pling, pling, pling, pling, pling, pling, pling, pling. Und das ist kein Zufall. Also wir wissen, dass es organisierte Gruppen gibt. Zu Anfang waren es vor allen Dingen rechte und rechtsextreme Gruppen, die sich eben erst noch so auf Gaming Channels, auf Discord, das ist so eine ganz bekannte Gaming Plattform getroffen haben. Mittlerweile sind die meisten bei Telegram, die werfen dann einfach Namen in der Telegram Gruppe und dann wissen … da muss auch gar nicht stehen: Greift jetzt mal die Person an. Die posten einfach nur Namen und dann ist das klar für alle.
Anna-Lena von Hodenberg [00: Wir müssen auf dieses Profil gehen und zwar relativ schnell. Das jetzt sozusagen unser Auftrag, also das ist schon so eingeübt und dann gibt es eben diese Auswüchse. Und was bei denen eben auch so ist, die sind total professionell, die reagieren sehr, sehr schnell und die haben alle Fake Accounts, das heißt, das sind vielleicht 10.000 Leute und die haben dann alle fünf Fake Accounts. Das heißt, das sind dann 50.000 Stimmen, sind 50.000 Hasskommentare. So muss man das exponentiell sehen. Und das sehen wir natürlich nicht. Wir, die jetzt alle uns angucken, die nur die Hasskommentare sehen, sehen ja nicht, dass das eigentlich eine viel kleinere Zahl an Personen ist.
Anna-Lena von Hodenberg [00: Man kann das analysieren. Wir haben das auch gemacht. Hier dieses Beispiel. Das war ein Bundespolitiker, der eben diese 4.000 Hasskommentare in zwei Wochen bekommen hat. Da konnte man sehen, dass eben 50% der Hasskommentare kam von nur 250 Accounts. Das heißt, das war eine ganz kleine Gruppe, die war aber dafür sehr aktiv und hat immer wieder gepostet und immer wieder gepostet, um eben so eine Masse auch zu machen und die Leute unter Druck zu setzen. In der Coronakrise haben wir gesehen, dass genau diese Strategien eben auch so von diesen ganzen Impfgegner*innen – da gab es ja auch Überschneidungen mit der rechtsextremen Szene, das heißt, da wurde auch Wissen weitergegeben – dass das eben da auch benutzt wurde, um dann eben auch Politiker*innen zum Beispiel anzugreifen. Leute, die sich eben zu Impfungen äußern. Wir hatten ganz viele Fälle von Arztpraxen, von Menschen, die eben auch Kinder impfen, wo eben es Telefonanrufe gab und die Leute den Leuten gesagt haben, sie werden jetzt umgebracht Ende der Woche, wo eben die Arztpraxen geflutet wurden. Also das haben wir wirklich … Das ist ein ganz neues Thema geworden. Auch Wissenschaftlerinnen, die zu Corona arbeiten, also die eben auf der wissenschaftlichen, nicht nur Christian Drosten, sondern eben auch viele, viele andere, die eben zu diesem Thema arbeiten. Also das hat man gesehen, dass eben diese Szene das auch übernommen hat. Und jetzt sieht man eben im Rahmen des Ukraine Kriegs und da können Sie einfach schon sehen, so von Krise zu Krise wird das so mitgenommen, während das Ukraine Krieg es jetzt auch eben so Russlandfreund*innen eben auch wieder diese Strategien, vor allen Dingen auch Desinformation-Strategien eben aufnehmen. So, das sind die Organisierten und die sind die, die die Brände legen. Das heißt, die fangen erst mal an, mit einer kritischen Masse das so zu machen. Ind dann haben sie sozusagen, ich nenne es immer noch freundlich die Opportunist*innen, die vielleicht auch ein bisschen rassistisch sind, oder denen die Frauen, die jetzt emanzipiert sind, auch vielleicht ein bisschen auf die Nerven gehen. Und die kommen dann nach einem schlechten Tag nach Hause und die sehen ja, die wird da gerade irgendwie angegriffen und die hat sowieso schon irgendwie 200 Hasskommentare. Kann ich eigentlich meinen Ärger hier auch noch ablassen. Und die dann da sozusagen in der Anonymität des Netzes …
Franziska Hilfenhaus [00: 09:50] So Mitläufer.
Anna-Lena von Hodenberg [00: 09:51] Genau, die da noch mal so mit draufschlagen. Und das sind zum Beispiel auch Täter, die wir – wir machen ja auch Prozesskosten-Finanzierung – dann zum Teil auch vor Gericht bringen. Und das sind zwischen 50 und 70 ältere weiße Herren, die dann da ja im Netz dann zum Teil auch unter Klarnamen sich dann da so anschließen. Die gehören nicht zu organisierten Gruppen, aber die, ja, die machen dann da so mit und die machen natürlich dann auch noch mal die Masse.
Franziska Hilfenhaus [00: 10:16] Ich komme gleich noch mal darauf, wie ihr quasi bei HateAid unterstützt, aber tatsächlich noch mal auf diese Verfahrensweise oder wie das Social Media an der Stelle eben auch funktioniert. Die sozialen Medien, unterstützen die tatsächlich dann eben auch die Hater und Hass im Netz? Also sage ich mal befruchten ist das falsche Wort, aber nimmt es dadurch noch mehr Fahrt auf, oder welche Rolle spielen die sozialen Medien selbst?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 10:39] Also es ist ja nicht so, dass wir in Deutschland jetzt plötzlich soziale Medien gibt, alle nach Hause gehen. Sie und ich, also über 80 % der Deutschen habe schon Hass im Netz gesehen. Das heißt, wo sind denn diese ganzen Hater? Es ist ja nicht so, dass sie jetzt alle nach Hause gehen, sich so eine Sturmhaube überziehen und dann so eine Hasser *in werden, wie Dr. Jekyll und Hyde. Gott sei Dank nicht.
Die sozialen Medien sind ein ganz wesentlicher Faktor dafür, dass kleine Gruppen, eigentlich wirklich kleine Gruppen, plötzlich so eine große Reichweite und so eine große Sichtbarkeit bekommen können. Und Sie müssen sich das vorstellen wie so ein Marktplatz. Und die sozialen Medien sind eben nicht ein Marktplatz, wo wir alle gleichberechtigt stehen, wo Sie irgendwie stehen und was erzählen und ich meine Meinung sagen und Sie vielleicht auch noch Ihre Meinung sagen, sondern einige Leute stehen eben zum Beispiel auf einer Bühne mit einem Mikrofon, andere Leute stehen nur ganz unten, andere Leute haben vielleicht überhaupt, die haben eine ganz leise Stimme, die dringen überhaupt irgendwie gar nicht durch. Und wer bestimmt, dass einige Leute eben so sichtbar werden, dass die eben wie in diesem Beispiel eben auf einem Podium stehen und Mikro in der Hand haben? Das ist der Algorithmus der sozialen Medien. Und von Facebook wissen wir schwarz auf weiß, nach denen, nach der Whistleblowerin Frances Haugen, die diese ganzen Papiere ja auch veröffentlicht hat, dass der Algorithmus bei Facebook Inhalte fördert, die emotionalisieren, sind Junk Content, Inhalte, die wütend machen, die aggressiv machen und eben da sozusagen solche Inhalte, die Spalten und solche Inhalte eben besonders durch den Algorithmus gefördert werden, weil die uns emotionalisieren und weil wir dann darauf reagieren, weil das Inhalte sind auf die wir eher … Das ist einfach ein Impuls. Sie müssen sich vorstellen. Sie kennen das von sich selber, wenn Sie wütend sind. Es ist eher so, dass man dann, wenn man etwas liest, was einen wütend macht, das teilt man eher. Dann sagt man: Mensch, guckt euch das mal an! Ist ja wohl eine Unverschämtheit. Wenn man irgendwas Neutrales liest, liket man das vielleicht, aber dann war es das auch. Und die Plattform möchte natürlich, dass Sie so viel Content wie möglich teilen, dass Sie so lange wie möglich auf der Plattform bleiben, weil dann verdient sie Geld. Das heißt, das ist ein rein kommerzielles Interesse. Die haben auch kein Interesse daran, dass Leute Hass abkriegen. Das würde ich denen überhaupt nicht unterstellen. Die wollen einfach nur Geld verdienen. Und dann am Ende ist es dem Algorithmus völlig egal mit was. Das heißt, die Plattformen spielen eine riesengroße Rolle und denen ist es relativ … Also für die ist das jetzt erst mal nicht im Vordergrund, ob da jetzt irgendwie Hass verbreitet wird oder nicht. Aber für uns als Gesellschaft sollte das im Vordergrund stehen und eben auch wenn wir da darüber nachdenken, wie müssen diese Plattformen gestaltet werden? Dann müssen wir eben darüber nachdenken, wie viel Schaden das eigentlich unserer Gesellschaft anrichtet.
Franziska Hilfenhaus [00: 13:21] Du sprichst das gerade an, es ist ein gesamtgesellschaftliches Thema. Es ist ja nicht nur ein Thema, sage ich mal, für die Menschen, die dann vielleicht eben dezidiert betroffen sind, sondern wie wir auch als Gesellschaft damit umgehen. Und wir sind ja hier live auf der herCareer und so in Gesprächen kriege ich eben auch viel mit, dass wenn es darum geht, gehe ich auf Social Media, präsentiere ich mich, dass dann auch Ängste da sind. Wie erlebst du das im Gespräch mit Menschen?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 13:43] Total. Also das erlebe ich ganz genauso und in allen Bereichen eigentlich. Wenn ich in die großen Funkhäuser komme, in die großen Medienunternehmen. Das ist dann so, dass also vor allen Dingen auch Frauen, aber auch diverse Personen sofort auf mich zukommen und sagen: Ich weiß, ich exponiere mich jetzt hier zu einem Thema. Ich weiß, da kommt was auf mich zu. Soll ich das machen oder nicht? Frauen, die in die Öffentlichkeit gehen, Journalistinnen, Politikerinnen. Vor den Wahlen haben wir so viele Anfragen von Frauen, die sich das erste Mal als Bürgermeisterinnen zu Wahl gestellt haben und gesagt haben: Wie muss ich mich vorbereiten? Ich weiß, ich werde das abkriegen. Wie kann ich mich und meine Familie schützen? Weil darum geht es ja am Ende auch.
Und das Problem ist, die sind ja noch nicht Opfer geworden. Die haben ja nur gesehen, wie andere Leute Opfer geworden sind. Das heißt, wenn Menschen gerade von bestimmten Gruppen, sagen wir Frauen, die sich zu Feminismus engagieren, die sich gegen Rassismus engagieren, wenn die öffentlich, in der Öffentlichkeit so fertig gemacht werden, so geshamet werden, wenn sie nicht nur die sich zurück, sondern das ist ein Signal an alle anderen, die sich überlegen, gehe ich auf Social Media oder nicht? Und die im Zweifelsfall dann sagen: Mach ich lieber nicht, weil das tue ich mir nicht an.
Und das Problem ist, die sind ja noch nicht Opfer geworden. Die haben ja nur gesehen, wie andere Leute Opfer geworden sind. Das heißt, wenn Menschen gerade von bestimmten Gruppen, sagen wir Frauen, die sich zu Feminismus engagieren, die sich gegen Rassismus engagieren, wenn die öffentlich, in der Öffentlichkeit so fertig gemacht werden, so geshamet werden, wenn sie nicht nur die sich zurück, sondern das ist ein Signal an alle anderen, die sich überlegen, gehe ich auf Social Media oder nicht? Und die im Zweifelsfall dann sagen: Aber was passiert dann? Die sozialen Medien sind der wichtigste Debatten Raum, den wir mittlerweile in dieser Gesellschaft haben, vor allen Dingen nach Corona. Diese Stimmen fehlen dort und es sind die gleichen Stimmen, die eigentlich früher auch schon im Analogen gefehlt haben. Es sind die Stimmen von Frauen, es sind die Stimmen von marginalisierten Gruppen. Also alle diese Gruppen, die sozusagen im Analogen diskriminiert werden, die eigentlich auf Social Media überhaupt erst mal eine Stimme bekommen haben. Weil eigentlich ist ja die Verheißung von Social Media, dass jeder und jede kommunizieren kann, dass jede und jeder plötzlich auch eine Senderin sein, keine Stimme haben kann, dass es eben nicht diese Gatekeeper Funktion gibt. Von den normalen Medien, wo wir wissen, dass in den Redaktionen eher eben weiße Männer und jetzt mittlerweile auch weiße Frauen, aber sonst wenig Diversität herrscht. Gab es ja die Möglichkeit, dass auch Social Media eben auch Diversität herrschen kann. Und gibts sozusagen, würde ich sagen, wirklich so ein Rückschritt, dass durch diesen Hass, diese Gruppen eben wieder aus den sozialen Netzwerken herausgedrängt werden. Und ich bin der Meinung, das ist ein massives Problem für unsere Demokratie.
Franziska Hilfenhaus [00: 15:59] Ihr unterstützt ja diese Gruppen. Und kommen wir mal ganz konkret zur Arbeit von HateAid. Du hast 2018 HateAid gegründet, mitgegründet. Gab es denn dafür sage ich mal auch aus deiner Motivation heraus einen Anlass, dass du gesagt hast oder einem bestimmten Moment, dass du gesagt hast: Das müssen wir jetzt machen?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 16:15] Ja, und zwar hatte Trump die Wahl in den USA gewonnen, es war der Brexit und dann kam die AfD in die ersten Landesparlamente und dann war die Bundestagswahl und wir haben uns alle gefragt, warum in diesen sozialen Medien, bei Twitter und so weiter plötzlich, woher diese Kampagnen überhaupt kommen und ob es wirklich so ist, dass in Deutschland sich sozusagen die Stimme des Volkes da über die sozialen Medien erhebt. Und dann kamen die ersten Untersuchungen, dass das eigentlich organisierte Gruppen sind, dass das überhaupt nicht repräsentativ ist. Und das hat mich so erschrocken, weil ich dachte, mein Gott, damals war das Reconquista Germanica, das war so eine Plattform, da waren 7.000 rechtsextreme Aktivist*innen, die es geschafft haben, bei Twitter wirklich zwei Wochen vor der Wahl ihre Hashtags in den Trending Topics zu pushen. Weil die sich eben viele Fake Accounts gemacht haben, weil die sehr organisiert aufgetreten sind, die haben die auch total militärisch organisiert. Und da habe ich gedacht, wie krass, wenn 7.000 Rechtsextreme auf die Straße gehen, auf eine Demonstration, das schafft es nicht mal in die Tagesschau. Aber die können sozusagen unsere Meinungsbildung in Deutschland mit so wenig Mitteln kann die beeinflusst werden. Und das hat mir eine wahnsinnige Angst gemacht. Und ich bin der Meinung immer noch … Also dann kam ja auch raus, dass der Trump-Wahlkampf genauso funktioniert hat, dass die Kampagne im Brexit eben genauso funktioniert hat. Und ich bin der Meinung, das ist tatsächlich mit eine der größten Bedrohungen für unsere demokratischen Gesellschaften. Und das hat mich damals so geängstigt. Und dann ist natürlich auch die Parallele zum Nationalsozialismus, wo auch es ein neues Medium gab, ein neues Kommunikationsmedium, nämlich das Radio, das auch nicht reguliert war und das auch benutzt wurde, um ganz viel Propaganda und Spaltung in der Gesellschaft zu machen. Und da hat man ja dann sehr klar auch nach dem Zweiten Weltkrieg durch Regulierung auch darauf reagiert. Deswegen ist das auch so reguliert. Das ist aber bei den Sozialen Medien nicht so und diese Gefahr, dass eben ein neues Kommunikationsmedium das erste Mal sozusagen von allen genutzt wird und irgendwie unreguliert ist und jetzt sich auch schon gezeigt hat, was für Auswüchse das bringt, das hat mich zutiefst erschrocken und da war für mich total klar wir müssen da irgendwas machen.
Franziska Hilfenhaus [00: 18:23] Dann hast du mitgegründet. Wie war denn das am Anfang? Seid ihr quasi mit offenen Armen empfangen worden und dann ging es richtig los. Oder gab es Unterstützung, zum Beispiel auch aus der Politik? Weil das ist ja ein gesamtgesellschaftliches Thema. Und du hast ja auch angesprochen, es ist ja für eine Demokratie und die Erhaltung der Demokratie ja total wichtig, sich damit auseinanderzusetzen. Wie waren eure Anfänge?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 18:43] Also ja, das war ein Social Start up und ich saß da mit zwei Kolleginnen, so einem in so einem Coworking, eine Beraterin und eine Assistentin im Coworking in Berlin. Und so haben wir angefangen. Das waren die ersten Beratungen, die wir gemacht haben. Da kam Jurist dazu. Also man hat dann so langsam haben wir dann angefangen, aber meine Gesellschafter haben dann noch oft auch operativ irgendwie mitgeholfen, so haben wir gestartet und alle fanden das total super und fanden, ds das brauchen wir und eine Beratungsstelle. Es gab bis dahin keine bundesweite Beratungsstelle für Betroffene von digitaler Gewalt gab es nicht.
Franziska Hilfenhaus [00: 19:17] Und das 2018. Also das ist…
Anna-Lena von Hodenberg [00: 19:19] Genau es war Dezember 2018, das heißt 2019 eigentlich. Und wir saßen da zu dritt in diesem Coworking Space und ich bin echt … Ich bin durch die Republik getingelt, auch in der Politik, bei Stiftungen und so weiter und habe gesagt, irgendjemand muss das jetzt bezahlen! Oh bezahlen… Ja, das war eher ein längerer Weg, das wirklich zu überzeugen. Also Beratung erst mal, da habe ich immer gedacht, das ist eine öffentliche Aufgabe, das muss eigentlich sozusagen vom Bund oder vom Land finanziert werden. Die Länder sind immer klamm, der Bund ist immer klamm. Also was tun? Dann die Prozesskosten-Finanzierung. Wir ermöglichen es ja Menschen – das ist einfach auch ein ganz wichtiger Teil unserer Arbeit – wir wollen die Leute nicht nur emotional beraten, sicherheitstechnisch, kommunikativ. Wir wollen, dass die in die Anzeige gehen. Und wir wollen, dass Täter*innen zur Rechenschaft gezogen werden. Wir wollen, dass sie identifiziert werden und dass sie zur Rechenschaft gezogen werden, weil das sind Straftaten. Dagegen kann man vorgehen. Die meisten Leute machen das nicht. Polizei und Strafverfolgungsbehörden nehmen es oft auch nicht ernst genug. Das heißt, bei ganz vielen Fällen kann man eben nur zivilrechtlich vorgehen. Das heißt, Sie müssen sich einen Anwalt oder Anwälte nehmen, das müssen Sie bezahlen. Das machen die meisten Leute nicht. Das kostet, das Risiko. Hinterher verliere ich noch. Da musst du noch die Anwaltskosten der anderen bezahlen. Deswegen bezahlen wir das. Dafür haben wir Geld gesammelt, diesen Prozesskosten finanziert. Und das ging dann schon. Da habe ich ein bisschen Geld für gefunden. Aber es hat echt ne Weile gedauert. Und der Durchbruch war eigentlich dann nach einem Dreivierteljahr, dass dann das Bundesjustizministerium damals unter Frau Lambrecht gesagt hat: Wir unterstützen das jetzt mal für drei Jahre. Und da war sozusagen die Beratung dann gesichert und von da aus ging es dann auch bergauf. Und was mir auch geholfen hat, war, leider, muss ich sagen, der Mord an Walther Lübke, der Anschlag in Halle, das waren so zwei Ereignisse. Walter Lübke, der Kasseler Regierungspräsident, der umgebracht wurde, nachdem über Jahre hinweg sein Tod auf YouTube gefordert wurde, und als er dann vor seinem Haus erschossen wurde, die gleichen Menschen, die das die ganze Zeit gefordert hatten, gejubelt und jubiliert hatten unter den gleichen Videos. Das heißt, da konnte sozusagen keiner mehr sagen: Ah, die Gewalt bleibt im Netz, sondern da war total klar, da sind viele Leute aufgewacht. Da war total klar, dass das ist ein Raum, Wir bewegen uns in diesen Räumen, aber das ist nicht sozusagen, ist eine Lebensrealität. Ich lass mir nicht meine Anna-Lena, die digitale, dann vor dem Computer sitzen und geh dann als analoge Anna-Lena irgendwie dann durchs Leben, sondern alle Erfahrungen, die ich da gesammelt habe, die nehme ich auch mit. Also und dann eben auch der Anschlag in Halle, also dass da noch mal auch Politiker*innen aufgewacht sind und gesagt haben, wir müssen was machen, die Leute müssen betreut werden. Und natürlich auch, es gab eine große Hilflosigkeit, was macht man eigentlich? Und wir hatten eben schon Angebote und dann konnten wir, da sind wir in diese Lücke irgendwie fallen.
Franziska Hilfenhaus [00: 22:17] Ihr berate, ihr unterstützt bei Prozessen, weil du das gerade angesprochen hast. Dieser Weg, sag ich mal vom Digitalen in die reale Welt. Also ab wann sollte ich denn? Wenn ich zum Beispiel Hass, Nachrichten oder digitale Gewalt erfahre. Ab wann sollte ich eigentlich reagieren und mir Hilfe holen?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 22:33] Sofort. Sofort. Man sollte sofort. Also, das ist ja eine Frage. Wie, wenn ich jetzt Gewalt erfahren, auch im analogen Leben? Wann soll ich mir Hilfe holen? Sie sollen sich natürlich sofort Hilfe holen. Mit einer Gewalterfahrung sollen Sie nicht alleine bleiben. Und bei digitaler Gewalt ist es oft so, dass wenn man angegriffen wird und wenn es dann eben auch eine, dass es eben danach noch größere Wellen schlagen kann. Wenn Sie irgendwas polarisierender geschrieben haben, dass dann einer drauf springt, dann springt jemand anders drauf. Oftmals wird dann im Netz eben geguckt, gibt es irgendwelche privaten Daten, die man über Sie rausfinden kann? Wo wohnen Sie eigentlich? Dann wird die Adresse veröffentlicht. Ich habe Fälle, wo die Adresse der Schule der Kinder veröffentlicht wurde, wo dann da hingefahren wurde, ein Foto gemacht wurde, um mal zu zeigen: Guck mal, wir sind ganz nah, du bist nicht mehr sicher, bist in deinem privaten Umfeld nicht mehr sicher. Und das passiert. Und deswegen ist es wichtig, sich schnell Hilfe zu holen, um eben auch zu gucken, was habe ich noch für Informationen im Netz? Da unterstützen wir zum Beispiel auch, machen wir so Sicherheitschecks. Habe ich vielleicht vor acht Jahren, als ich noch sehr unbedarft im Netz war, ist mir auch passiert. Habe ich irgendwo meine Adresse angegeben? Habe ich da nicht meine Telefonnummer angegeben? Gibt es noch ein Foto von mir im Schulpflegerat oder so was noch online ist, dann helfen wir dabei das runter zu nehmen. Kann man Google Anträge stellen? Bei Facebook mal die Privatsphäre Einstellung überprüfen? Bei LinkedIn? Wir sind ja heute auf einer Karrieremesse. Unbedingt. Unbedingt gucken, was für private Daten gebe ich da preis? Und ist das überhaupt notwendig? Und wie verletzlich macht mich das vielleicht auch? Was ist sozusagen an privaten Daten auch notwendig, weil ich eben auch auf Karriere-Netzwerk bin auch präsentieren möchte. Aber was muss ich da vielleicht nicht von mir preisgeben? Genau.
Franziska Hilfenhaus [00: 24:15] Hast du denn Tipps, wenn ich jetzt zum Beispiel was gepostet habe und ich bekomme dann Hassnachrichten, wie reagiere ich? Oder hast du Tipps, wie man damit am besten umgeht? Denn es kann ein ja, sage ich mal auch sehr belasten, das dann überhaupt lesen zu müssen. Aber ich möchte ja Dinge auch zur Anzeige bringen, dann muss ich es ja lesen. Also wie mache ich das?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 24:34] Also wir empfehlen eigentlich immer, das nicht zu lesen. Ich krieg ja auch Hass ab und ich lese das alles nicht. Das macht eine Kollegin von mir, die hat dazu Abstand und guckt sich das an, die screenshottet das. Sie findet das auch widerlich, aber das betrifft die nicht selber und mir wird dann nur gesagt okay, da kam wieder was. Und das ist nichts, was mich nachts in meinen Träumen verfolgt. Ich habe das nie gelesen. Das heißt am Besten, wenn so was losgeht, sich jemanden suchen, Familie, Freunde. Man kann sich auch an uns wenden, die das für einen machen, die Accounts für ein, zwei Tage übernehmen, die die Sachen, Screenshots, die die Sachen dann bei der Polizei anzeigen. Das kann man auch online machen, das muss man auch nicht selber machen. Also sich wirklich in so einem Moment Hilfe suchen. Da ist eine Gewalterfahrung und man hat sozusagen eine Wahl. Entweder ich gehe da jetzt rein und tu mir das an, das machen ganz viele, das zieht einen richtig runter. Und ich habe Klienten, die sind über Jahre hinweg davon traumatisiert. Das macht was mit einem, wenn man auch solche Sachen über sich gelesen hat. Also auch gerade so, wenn es um sexualisierten Inhalte und so geht. Das sollte man sich nicht antun. Das ist einfach, was total wichtig ist, sich davor zu schützen und sich dann in seinem Umfeld eben Hilfe suchen und zu sagen: Kannst du einfach mal kurz meine Accounts übernehmen, kannst das mal für mich erledigen, kannst du es bei den Plattformen irgendwie anzeigen oder wir können das eben auch machen. Also sich wirklich zu versuchen, davon davon zu distanzieren.
Franziska Hilfenhaus [00: 25:55] Jetzt ist es ja so, wir haben darüber gesprochen, und du hast gesagt, manchmal kommen dann wirklich tausende Nachrichten und ich kann mir vorstellen, wenn man das jetzt so hört, dass man dann vielleicht doch erst mal abgeschreckt ist und denkt, möchte ich überhaupt mich zum Beispiel politisch äußern im Netz oder Menschen, die das eben schon erfahren haben? Wie schafft ihr es denn, dass Leute dann trotzdem nicht sagen: Ich steige aus und meine Meinung ist dann nicht mehr online? Zum Beispiel, dass diese Stimme eben weiter gehört werden. Also um auch so ein bisschen Mut zu machen, sage ich mal, wie kann das gelingen?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 26:23] Also es gibt mehrere Faktoren. Erster Faktor ist, wir machen ja so eine emotional stabilisierende Erstberatung, um erst mal so ein Raum zu schaffen, wo Menschen darüber sprechen können. Da kann man auch mal weinen, da kann man schimpfen. Das sind alles sozusagen Safe Spaces und dann kann man das erst mal loswerden. Das sind Sozialpädagoginnen, die arbeiten seit Jahren an keinem anderen Thema. Das heißt, die unterstützen dabei, geben Tipps, wie man das gut verarbeiten kann, wie man das irgendwie gut auch… Man muss sich damit beschäftigen, um das irgendwie auch gut in seinem Leben einfach auch mit zu integrieren und dann auch weitermachen zu können. Das ist das eine. Dann die Sicherheitsberater, also zu gucken, was ist eigentlich von mir im Netz? Sind meine Konten sicher, dass ich wieder so ein Gefühl habe von Agency, dass ich wieder das Gefühl habe: doch, ich bin jetzt sicher, ich kann da irgendwie wieder rausgehen und dann aufzuklären, also wirklich zu zeigen: Guck mal das, was du hier bekommst, das geht nicht gegen dich als Person eigentlich, sondern du stehst für was. Du stehst für eine starke Frau, du stehst für jemanden, der sich gegen Rassismus einsetzt. Das geht gar nicht gegen dich persönlich, sondern das sind wirklich strategische Angriffe, wo eben Menschen versuchen, auf einer Metaebene eigentlich politisch was zu erreichen. Und das hilft ganz vielen auch zu sagen Stimmt, da bin ich eigentlich nur ein Symbol für was. Und genau da stelle ich mich auch wieder gegen sie. Da sage ich auch wieder, ne, also wenn ihr mich versucht, nur weil ich eine starke Frau bin, aus dem Netz herauszudrängen, dann erst recht nicht. Und es ist so, diese Aufklärung, dieses nicht mehr das persönlich zu nehmen, sondern zu wissen, es geht eigentlich gar nicht um mich. Das ist auch ein guter Motivator, um wieder zu sagen, okay, da lass ich mich nicht stumm machen.
Franziska Hilfenhaus [00: 27:56] Du hast die politischen Entscheider*innen angesprochen und auch die Entwicklung und auch Bereitschaft in der Politik, da jetzt unterstützend ja euch auch zu unterstützen. Und da passiert ja auch einiges. Also 2021 ist ja, glaube ich, ein neues Gesetzespaket auch in Kraft getreten, wo es auch um härtere Strafen, Strafverfolgung und so weiter geht bei digitaler Gewalt. Reicht das oder was würdest du sagen, muss eigentlich vonseiten der Politik noch getan werden, um eben digitale Gewalt, Hass im Netz zu verhindern bzw. eben einzudämmen?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 28:26] Also was super war 2021, war, dass es ein paar neue Straftatbestände gegeben hat hier. Wir sind ja auf einer Karrieremesse für Frauen, Vergewaltigungsandrohungen gegen Frauen. Da hatten wir ständig in der Beratung, das war nicht strafbar. Jetzt können Frauen das anzeigen und das ist jetzt eine Straftat. Das ist super. Also in diesen ganzen Straftatkatalog, da ist eine Menge passiert. Wir sehen eben gerade bei der Beleidigung, also wir haben das ja bei den auch den Fall mit Renate Künast finanziert, wo sie da ja als Drecksfotze bezeichnet wurde und man eben erst sagte ja, das ist jetzt von der Meinungsfreiheit gedeckt. Und das Bundesverfassungsgericht, das am Ende eben gesagt hat nee, so einfach ist das leider alles nicht. Also im Bereich Beleidigung, gerade wenn es eben Beleidigungen sind, halt einfach keine Privatsache mehr. Das ist nicht was du, was ich jetzt zu ihnen am Gartenzaun sage, sondern wenn Sie im Netz gezielt und massiv und in dieser Masse beleidigen, dann hat das eine ganz andere Qualität. Und da glauben wir zum Beispiel, dass das auch was sein sollte, wo eine Staatsanwaltschaft dann auch sofort ermittelt und wo nicht erst die Betroffenen hingehen müssen und Strafantrag ausfüllen müssen. Also wo eine Staatsanwaltschaft dann auch proaktiv eben sich denen bemächtigen kann. Das ist so bei den Straftaten. Das, was wir eigentlich brauchen, sind vernünftige Strafverfolgungsbehörden. Also wir haben in den Ländern mit Polizei, mit Staatsanwaltschaft, mit Richter*innen eigentlich noch viel, ich sage mal vorsichtig Unbedarftheit mit dem Thema. Das ist alles im Internet. Dann löschen Sie doch Ihren Twitter-Account. Aber Sie haben doch da so was auch sehr Provokantes geschrieben. Dann müssen Sie sich ja nicht wundern, wenn Sie da jetzt was bekommen. Also da gibt es sozusagen immer noch.
Franziska Hilfenhaus [00: 30:09] Dieses Victim Blaming.
Anna-Lena von Hodenberg [00: 30:11] Also Victim Blaming auf jeden Fall. Das erleben wir auch noch wöchentlich. Und eben, dass Anzeigen nicht wirklich aufgenommen werden, dass da keine Priorität denen beigemessen wird. Und Ähnliches bei Staatsanwaltschaften und eben auch bei Richterinnen. Und da braucht es, da muss es wirklich sozusagen so ein Umdenken geben. Deswegen machen wir auf diese großen Musterprozess und sprechen auch darüber, um da wirklich sozusagen auch diese Bundesverfassungsgericht Entscheidung, um da wirklich jetzt mal ein bisschen, ja die so ein bisschen aufzuwecken. Das ist das eine.
Anna-Lena von Hodenberg [00: Und das dritte ist, und das haben Sie ja schon angesprochen, was ist eigentlich mit diesen Plattformen? Wenn das schädlich für unsere Gesellschaft ist, wenn das schädlich für unsere Demokratie ist und wenn sich Teile unserer Gesellschaft im Internet nicht mehr sicher fühlen und und das öffentliche, mittlerweile semi-öffentliche Räume sind, müssen wir als demokratische Gesellschaft nicht auch dafür sorgen, dass diese Plattformen reguliert werden, sodass die eben sichere Räume für uns und für unsere Kinder sind? Ich denke schon. Und das ist eigentlich der nächste Punkt, den wir machen.
Anna-Lena von Hodenberg [00: Es hat jetzt auf europäischer Ebene ein neues Gesetz gegeben, den Digital Services Act. Da wird das zum Ersten Mal so ein bisschen versucht. Aber meines Erachtens geht das nicht weit genug. Und die Idee ist eben zu gucken, ich glaube, da müssen wir hinkommen zu gucken, Wir brauchen mehr Nutzerinnenrechte. Die Plattformen müssen schneller reagieren. Und die Plattformen, die sind ja nicht einfach so entstanden, sondern das hat ja jemand designt. Jemand hat ja diesen Algorithmus geschrieben, jemand hat ja die Plattform so gemacht, dass sie eben für dass es manchen Gruppen sehr einfach ist, andere Gruppen anzugreifen. Das heißt, wie können wir sozusagen ans Design dieser Plattform ran? Wie können die Plattformen so designt werden, dass sie eben sichere Räume sind, dass sie Räume sind, wo ich schnell Hilfe bekomme? Und ich glaube, dieses Safety by Design, da müssen wir eigentlich ran. Und ich vergleiche das immer mit diesem Autobeispiel. Vor keine Ahnung, 80 Jahren war ein Auto so eine Klapperkiste mit vier Rädern. Heute kaufen sie ein Auto, das serienmäßig natürlich ein Sitzgurt drin, Da ist ein Airbag drin. Das hat ABS und was nicht alles. Und wir haben in der Gesetzgebung, die sagt, wenn der Gurt nicht geschnallt wird, dann müssen Sie eine Strafe zahlen. So, was ist der Sicherheitsgurt für Facebook? Was ist der Airbag für Twitter? Das sind die Dinge, wo wir drüber nachdenken. Und das müssen wir auch als Gesellschaft fordern, weil das sind Räume, die uns bis ins Intimste begleiten. Viele Menschen legen ihr Handy abends neben ihr Bett und es ist das Erste, wo sie am Morgen draufgucken. Das ist etwas, was uns in unsere intimsten Räume begleitet. Das heißt, es sollte uns wirklich angehen, wie diese Räume gestaltet sind und was sie mit uns und unserer Gesellschaft machen.
Franziska Hilfenhaus [00: 32:52] Die Forderung quasi an die Politik sehr wichtig. Vielleicht noch mal eine Einschätzung: Wie viele Menschen habt ihr bei HateAid schon beraten? Und du hattest vorhin gesagt, 25 bis 30 Anfragen kommen pro Woche rein.
Anna-Lena von Hodenberg [00: 33:03] Wir das jetzt in den vier Jahren, knapp vier Jahren, im Dezember fast vier Jahre 2.300 Personen beraten und wir haben an die 800 Strafanträge und Strafverfahren haben wir angestoßen.
Franziska Hilfenhaus [00: 33:15] Und das ist, glaube ich, auch noch mal eine wichtige Frage, auch hier fürs Publikum. Wenn ich das erfahre, kann ich mich einfach an euch wenden und das ist kostenlos oder wie funktioniert das?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 33:22] Kostenlos, also komplett kostenlos. Man kann uns anrufen. Wir haben eine Telefonhotline, da sind Beraterinnen auch auf Abruf. Da gibt es bestimmte Sprechzeiten, wo man anrufen kann. Man kann uns eine Mail schicken, man kann das über die sozialen Medien kontaktieren. Wir haben eine App, die als Meldehelden, wo man einfach schnell ein Screenshot machen kann. Zack, zack, zack. Das wird dann an die Beratung weitergeleitet. Genau. Man kann sich an uns wenden. Ich habe ein tolles Beratungsteam, das auch relativ schnell auf die Anfragen reagiert. Und wir arbeiten seit zwei Jahren mit der spezialisierten Staatsanwaltschaft in Hessen zusammen, die wirklich super motiviert sind, die alles daran setzen, auch Täter und Täterinnen zu identifizieren. Und wir können alles bei denen sozusagen in der Cloud hochladen. Also die Sachen, auch wenn man mit uns eben oder über uns eben auch Strafanzeige und Strafantrag einreicht. Das geht dann, das landet dann nicht irgendwo, sondern das landet wirklich an der Stelle, wo Menschen sitzen, die da sehr, sehr motiviert sind, um diesen Fällen nachzugehen.
Franziska Hilfenhaus [00: 34:25] Eine Frage noch. Wie entspannst du? Du beschäftigst dich einfach sehr viel mit dem Thema Gewalt im Netz hast? Und so weiter. Du liest da auch viel. Wie schaltest du ab, um das aus dem Kopf rauszukriegen?
Anna-Lena von Hodenberg [00: 34:36] Also ich muss auch sagen, wir erreichen ja auch was. Jede Person, die danach zu uns sagt: Ich habe mich hier nicht kleinkriegen lassen. Danke, dass ihr da wart oder Leute, die dann einen Prozess gewinnen und dann schreiben: haha. Oder ich hatte eine Klientin, die hat dann bei Twitter gepostet So liebe Hater, jetzt gibt es Posts, als da die Anzeigen rausgingen. Also dieses Gefühl, auch wenn wir, wenn du wieder siehst, die Leute, die waren so geknickt und waren so, man hat die so versucht so runter zu drücken und die erheben sich dann wieder. Das ist ja auch was, hat sich so und was sie dann auch wieder so ein so einen Schwung gibt, wo du dann denkst, ach, das ist so eine große Motivation. Und genau deswegen ist es ist nicht alles schlecht sozusagen. Bei dieser Arbeit ist es man darf sich das nicht so trist vorstellen, sondern wir empowern ja auch Menschen. Und das ist ja auch eine Kraft, die wir dann auch wieder zurückbekommen und die uns dann auch wieder für unsere Arbeit bestärkt. Aber gut, nach einem wirklich stressigen Tag gehe ich Tango tanzen, das ist was hilft.
Franziska Hilfenhaus [00: 35:38] Und mit diesem positiven Gefühl gehen wir aus dem Gespräch raus. Anna-Lena von Rodenberg, von Geschäftsführerin und Gründerin von HateAid. Vielen lieben Dank!
Anna-Lena von Hodenberg [00: 35:44] Vielen Dank.
Franziska Hilfenhaus [00: 35:46] Danke, dass du dir die Zeit genommen hast und was glaube ich einfach ganz wichtig ist, das kam eben raus, sich Beratung und Unterstützung zu holen und sich auch gegenseitig zu unterstützen und zu supporten und füreinander da zu sein. Bildet Banden. Vielen Dank.
Katharina Alexander [00: 36:09] Wenn Du jetzt Lust hast, in die Unterhaltung einzusteigen, dann besuche uns auf der nächsten herCAREER-Expo in München und netzwerke zusammen mit tausenden Expert:innen aus den verschiedensten Branchen und Fachbereichen! Oder fange gleich von zuhause aus an, zum Beispiel über herCAREER-Network.com. Ob virtuell oder im Real Life. Wir vernetzen Dich gern.
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