Weiblich, blond, Migrationshintergrund – und Cheflobbyistin
Shownotes
Wie sieht eine typische Cheflobbyistin aus? Ganz einfach: so, wie unsere heutige Speakerin! Andrea Belegante sagt über sich selbst: „Ich bin mit meiner Familie aus Rumänien nach Deutschland eingewandert, konnte kein Wort Deutsch, kannte niemanden und besuchte die Hauptschule. Ach ja, dazu bin ich noch blond, klein, zierlich und die erste Akademikerin der Familie. Nicht die besten Karrierevoraussetzungen in einer eigentlichen Männerdomäne. Aber ich schaffte es an die Spitze eines Bundesverbandes. Ein ungewöhnlicher Weg und sicherlich nicht das, was man sich normalerweise unter einem Cheflobbyisten vorstellt. Ein Märchen? Nein! Mit Vision, Mut, Leidenschaft, Durchsetzungsstärke, der Extra-Meile, dem richtigen Netzwerk und dem berühmten Quäntchen Glück machbar.“
In der heutigen Folge erzählt Belegante von genau diesem Weg. Und sie erklärt auch, warum die Systemgastronomie die Branche mit den höchsten Aufstiegschancen für die verschiedensten Menschen ist.
Themen: Diversity | Female Leadership | Arbeiterkind in Führung
Über die Referentin: Andrea Belegante war noch bis Ende 2022 die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Systemgastronomie. Die Rechtsanwältin ist seit dem Jahr 2010 mit einem breiten Verantwortungsfeld für den Verband tätig. Seit 2017 leitete sie den BdS und vertrat als Cheflobbyistin die Interessen der Systemgastronomie gegenüber Politik, Behörden, Medien, Öffentlichkeit und der Gewerkschaft sowie in ausgewählten Gremien von Dach- und Landesverbänden. Sie war Verhandlungsführerin der Branche für die bundesweiten Tarifverhandlungen für über 830 Mitgliedsunternehmen mit über 120.000 Beschäftigten und mehr als 3.000 Restaurants. Unter anderem ist Andrea Belegante aber auch noch ehrenamtliche Richterin am Sozial- und Landesarbeitsgericht München sowie Speakerin zu aktuellen Entwicklungen rund um Tarif-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, digitale Transformation, Change-Management und Integration.
Über den Podcast der herCAREER: Du bist hier richtig, wenn Du diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarkpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören willst. Lerne dabei von Role Models, Expert:innen und Insidern und nimm wertvolle Anregungen für Deine eigene Karriereplanung mit. Mit herCAREER Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein. Besuche uns auf her-CAREER.com und lerne uns besser kennen.
herCAREER Voice ist eine Produktion von hauseins für herCAREER – die Plattform für die weibliche Karriere. Projektleitung: Natascha Hoffner Redaktion und Produktion: Miku Sophie Kühmel Sprecherin: Susanne Klingner
Transkript anzeigen
herCareer Voice Live mit Andrea Belegante
00: 00:00-0 *Musik*
00: 00:08-7 Susanne Klingner: Herzlich willkommen zum herCareer Voice Podcast. Du bist hier richtig, wenn du diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarktpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören willst. Lerne dabei von Rolemodels, ExpertInnen und Insidern und nimm wertvolle Anregungen für deine eigene Karriereplanung mit. Mit herCareer Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein. Von der herCareer Expo live und aus der herCareer Community.
00: 00:42-8 Susanne Klingner: Wie sieht eine typische Chef-Lobbyistin aus? Ganz einfach: so wie unsere heutige Speakerin. Sie sagt über sich selbst: „Ich bin mit meiner Familie aus Rumänien nach Deutschland eingewandert, konnte keine Wort Deutsch, kannte niemanden und besuchte die Hauptschule. Ach ja, dazu bin ich noch blond, klein, zierlich und die erste Akademikerin der Familie. Nicht die besten Karrierevoraussetzungen in einer eigentlichen Männerdomäne, aber ich schaffte es an die Spitze eines Bundesverbandes. Ein ungewöhnlicher Weg und sicherlich nicht das, was man sich normalerweise unter einem Chef-Lobbyisten vorstellt. Ein Märchen? Nein. Mit Vision, Mut, Leidenschaft, Durchsetzungsstärke, der extra Meile, dem richtigen Netzwerk und dem berühmten Quäntchen Glück machbar“. Das sagt Andrea Belegante. In der heutigen Folge erzählt sie von genau diesem Weg. Belegante war noch bis Ende 2022 die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes der Systemgastronomie. Die Rechtsanwältin ist seit dem Jahr 2010 mit einem breiten Verantwortungsfeld für den Verband tätig. Seit 2017 leitete sie den BdS und vertrat als Chef-Lobbyistin die Interessen der Systemgastronomie gegenüber Politik, Behörden, Medien, Öffentlichkeit und der Gewerkschaft sowie in ausgewählten Gremien von Dach- und Landesverbänden. Sie war Verhandlungsführerin der Branche für die bundesweiten Tarifverhandlungen für über 830 Mitgliedsunternehmen mit über 120.000 Beschäftigten und mehr als 3.000 Restaurants. Unter anderem ist Andrea Belegante aber auch noch ehrenamtliche Richterin am Sozial- und Landesarbeitsgericht München sowie Speakerin zu aktuellen Entwicklungen rund um Tarif-, Wirtschafts- und Sozialpolitik, digitale Transformation, Change Management und Integration.
00: 02:33-8 *Musik*
00: 02:43-9 Andrea Belegante: Ich weiß, es klingt leichter gesagt als getan, aber letztendlich geht es bei der beruflichen Karriere, egal ob es jetzt um Einstieg, Wiedereinstieg oder Aufstieg geht, es geht immer um die innere Einstellung und Sie alle sind bestens ausgebildet. Sie wissen alle, was Sie wollen. Sie haben eine Berufung gefunden, der sie nun folgen und ich kann Ihnen jetzt auch nicht raten, die Branche zu wechseln, weiter zu studieren, eine andere Akademie zu besuchen, aber ich bin mir einfach sicher, dass Sie das alle wissen, solange Sie auf Ihre innere Stimme hören. Und worum es mir heute tatsächlich geht, ist Ihnen zu zeigen, sehr gerne mit meiner Geschichte, welche Werte nötig sind, aber auch welche Glaubenssätze man getrost über Bord werfen kann. Gehe ich zurück zu meiner Geschichte. Wo komme ich her? Wie bin ich nach Deutschland gekommen? Ich bin nicht nur eine kleine, zierliche, blonde Frau mit osteuropäischem Hintergrund, ich bin in den Neunzigerjahren ohne jegliche Sprachkenntnisse als Wirtschaftsflüchtling nach Deutschland gekommen und stamme aus einer Arbeiterfamilie – Klischee pur. Die Zukunft in diesem neuen Land war für mich völlig ungewiss. Ich wusste nicht, was auf mich wartet. Und wenn man sich die Studien anschaut, wie z.B. der Hochschulreport 2020 oder die Sozialerhebung des Deutschen Instituts für Hochschul- und Wissenschaftsforschung, die beschäftigen sich mit dem Thema Bildungschancen in Deutschland. Und die Zahlen sehen so aus, dass die Bildungschancen je nach Herkunft in Deutschland noch immer so krass auseinanderklaffen, denn lediglich 8 % der Masterabschlüsse stammen aus Nichtakademikerfamilien. Im Gegensatz zu 45 %, deren Eltern schon Akademiker sind und jetzt kommt es: haben sie zudem noch Migrationshintergrund, zeigt sich, dass diese Studierenden anteilig dreimal so häufig wie ihre Mitstudierenden ohne Migrationshintergrund zur Bildungsherkunftsgruppe niedrig zählen. Ich habe das Glück, dass auf mich beide Studien zutreffen. Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie und habe Migrationshintergrund und dennoch habe ich erfolgreich entgegen aller Statistiken mein Jurastudium erfolgreich absolviert. Und was ich weiß, ist, wie motivierend Erfolg sein kann. In der Ausbildung, in der Schule und dass jeder, jeder verdammte kleine Schritt zählt. Jeder noch so kleine Schritt: erst einmal Deutsch lernen, dann die Schule absolvieren, ein Studium beginnen und dann auch erfolgreich zu Ende bringen - das ist alles Motivation und Ansporn und das bringt uns alle weiter. Und daraus folgt mein Learning Nummer 2: Feiern Sie jeden Erfolg, egal wie klein er ist. Seien Sie stolz auf jeden Schritt, den Sie unternommen haben. Das ist wirklich Motivation pur und meine Damen: dafür sind Sie selbst verantwortlich. Wie ging es nach dem Studium weiter? Nach einem kurzen einjährigen Intermezzo in einer Wirtschaftskanzlei und einer selbst herbeigeführten, aber sehr gut genutzten halbjährigen Arbeitslosigkeit, habe ich meinen Traumjob gefunden in München. Ich bin aus Baden-Württemberg nach München gezogen und wurde Rechtsanwältin in der Rechtsabteilung meines Verbandes, den ich heute leite. Das ist der Arbeitgeber- und Wirtschaftsverband der gesamten Systemgastronomie in Deutschland. Wir haben 830 Mitgliedsunternehmen, 3.000 Restaurants deutschlandweit, zwingende Tarifbindung, 25 Marken, unter anderem die, die hinter mir ist: McDonald's als die größte Marke und 120.000 Mitarbeiter, wie ich schon sagte. Fünf Jahre habe ich in der Rechtsabteilung die Mitglieder beraten und nach fünf Jahren, in denen ich tatsächlich freiwillig und viel mehr Verantwortung übernommen habe, als das meine Stellenbeschreibung vorgesehen hat, wurde ich befördert und durfte die Rechtsabteilung leiten und habe gleichzeitig die Stellvertretung meiner damaligen Chefin übernommen. Und noch weitere zwei Jahre später, als meine damalige Chefin eine andere Verantwortung gesucht und gefunden hat, außerhalb der Verbändewelt, habe ich mich getraut und ich habe mich um ihren Job beworben. Den habe ich offensichtlich auch bekommen, aber das war kein Selbstläufer, das könnt ihr mir glauben. Ich selbst, ich habe es mir zugetraut. Ich hatte das Glück einfach mit der besten Mentorin jahrelang am echten Fall zu arbeiten. Und sie hat auch an mich geglaubt, hat mich von Anfang an gefördert und gefordert, aber es sollten da noch einige Monate Probezeit als Interimsmanagerin vergehen, bis das andere auch gesehen haben. Und was durfte ich mir anhören? Das schafft die niemals! Zu groß, die Fußstapfen der Vorgängerin. So wie die aussieht, nimmt die keiner Ernst, da braucht man einen Mann dafür. Gut aussehen ist bei dem Job eher kontraproduktiv. Oder: Wollen Sie das wirklich? Sie könnten doch gerne in der zweiten Reihe weiter bleiben und den neuen Hauptgeschäftsführer mit ihrem Wissen und Erfahrung unterstützen. Ich könnte noch weitermachen, aber ich glaube, es ist ungefähr deutlich geworden, womit ich zu kämpfen hatte und welche Hürden es hier zu nehmen gab. Am Ende wurde ich es letztendlich, und warum? Weil ich in dieser verdammt unsicheren Zeit meine Gefühle zurückgenommen habe, meine Aufgabe verdammt gut gemacht habe und mich fokussiert habe. Und ich sage jetzt einfach nur Stichwort Resilienz. Ich glaube, damit kann jeder etwas anfangen, da muss ich jetzt nicht noch tiefer einsteigen. Aber am Ende war es vielleicht gar keine so große Überraschung, dass ich in dieser wunderbaren Branche gelandet bin: Systemgastronomie. Bei uns in der Systemgastronomie sind über 50 % der Managementpositionen mit Frauen besetzt. Management bedeutet Schichtführer, Schichtleiterin, Restaurantleiterin, Bezirksleiterin, das sind alle Damen, die Teams unter sich haben und sie leiten. Und die Branche gilt als die Branche der Chancen. Das haben wir so genannt und ich denke, das ist mehr als die Wahrheit. Wir beschäftigen Menschen aus über 120 Nationen, die bei uns ihre berufliche Heimat suchen und finden und es ist offensichtlich, dass es einfach zählt, was man kann und nicht woher man kommt. Und ich persönlich darf da jetzt seit nunmehr über zwölf Jahren dran arbeiten, dass diese Branche die Wertschätzung erhält, die sie verdient hat und dass auch der Mut derer gesehen wird, die in dieser Branche arbeiten, aus dem Ausland zu uns kommen und hier ihr Glück finden. Und damit komme ich zum Learning Nummer 3: Meine Damen, werfen Sie unnütze und überholte Glaubenssätze über den Haufen. Trauen Sie sich genauso mutig und leidenschaftlich Ihre Wunschkarriere zu. Wenn Sie nicht gerade Papst werden wollen, ist alles möglich. Aber natürlich habe ich das nicht alles alleine geschafft. Wer hat mir auf diesem Weg geholfen? Wer hat mir geholfen, dahin zu kommen, wo ich jetzt bin. Als ich nach Deutschland kam, hatte ich niemanden, von dem ich etwas lernen konnte. Ich konnte ja nicht einmal die Sprache. Ich hatte keine Ahnung, was ich hier mit meinem Leben anfangen könnte. Aber was mir auf dem Weg geholfen hat, waren Menschen, denen ich begegnet bin, die mir Chancen eröffnet haben, die Chancen, die ich ergriffen habe und die Möglichkeiten, die sich mir eröffnet haben, beginnend mit den Lehrern und alle anderen, die mir auf dem Weg geholfen haben. Und das waren, Gott sei Dank, Menschen, die genauer hingeschaut haben hinter die Fassade und die sich haben nicht von Äußerlichkeiten oder Klischees beeinflussen lassen und mehr in mir gesehen haben als die kleine, osteuropäische Arbeiterkindblondine. Es waren Menschen, die mein Potenzial erkannt haben und das auch für sich genutzt haben, was keineswegs ein Vorwurf sein soll, ganz im Gegenteil. Und ja, es war nicht alles Friede, Freude, Eierkuchen. Am Ende waren es auch die Menschen, die mir geholfen haben, die aber genau das Gegenteil von Fördern versucht haben. Auch das hat mir weitergeholfen, wenn auch auf die harte Tour. Also Learning Nummer 4: Achten Sie bei Ihren Kontakten auf wohlwollende Menschen, bauen Sie genau dieses Netzwerk aus, trauen Sie sich, diesen Menschen von Ihren Karrierezielen zu erzählen. Sie werden sich wundern, was sich da für Türen öffnen können. Und ganz wichtig, auch der Umkehrschluss: Wenn Sie eine nicht wohlwollende oder geradezu toxische Arbeitsatmosphäre vorfinden, müssen Sie diese Tür mutig hinter sich schließen. Und der alte Satz, wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere, hat sich in meinem Leben bis jetzt immer bewahrheitet. Meine Damen, meine Herren, mein Weg mag vielleicht ein ungewöhnlicher sein, insbesondere mit dem Hintergrund, aber eines ist das nicht: Es ist kein Märchen. Es ist ein verdammt harter und steiniger Weg, der bei mir aber mit einer Vision angefangen hat, aber mit Mut, mit Leidenschaft, mit Resilienz, Durchhaltevermögen, immer der Extrameile und dem richtigen Netzwerk funktioniert hat. Und ich bin überzeugt, dass andere das auch schaffen können, wenn nicht sogar noch mehr. Was ich mir aber wünsche, was ich mir für die Zukunft wünsche, ist, dass die Weichen für die Karrieren von Frauen anderes gestellt werden und dass sich der Umgang und die Wahrnehmung junger starker Frauen in Politik, Öffentlichkeit und Wirtschaft verändert. Und damit komme ich zum fünften Learning für heute bzw. das ist gar kein Learning, das ist ein Appell, der sich an Führungskräfte und Vorgesetzte richtet und an Sie alle, die vielleicht irgendwann einmal Führungspersönlichkeiten sein werden. Geben Sie Ihre Erfahrungen weiter! Wir alle lernen voneinander ein Leben lang. Und noch wichtiger: Geben Sie den Menschen, geben Sie den Frauen, die vielleicht nicht auf den ersten Blick nach der Kandidatin Nummer Eins aussehen, bei der Sie aber spüren, dass doch ein bisschen etwas mehr dahinterstecken könnte und die Authentizität spüren. Und seien Sie mutig hinter die Fassade zu schauen, Sie könnten positiv überrascht sein und im besten Fall selbst von Ihrer Entdeckung profitieren.
00: 12:57-8 *Musik*
00: 13:07-1 Susanne Klingner: Der Vortrag wurde im Rahmen der herCareer Expo 2022 aufgezeichnet. Wenn du jetzt Lust hast, in die Unterhaltung einzusteigen, dann besuche uns auf der nächsten herCareer Expo in München und netzwerke zusammen mit tausenden ExpertInnen aus den verschiedensten Branchen und Fachbereichen. Oder fange gleich von zu Hause aus an, zum Beispiel über www.hercareer-network.com. Ob virtuell oder im Reallife, wir vernetzen dich gern. Wenn du gerade eine neue Herausforderung suchst, dann probiere unbedingt www.hercareer-jobmatch.com aus. Bei Fragen zum Podcast schreibe uns einfach eine Mail an podcast@her-career.com. Abonniere den herCareer Voice Podcast auf Apple Podcasts, Spotify oder wo immer du deine Podcasts hörst und empfiehl uns an deine liebsten KollegInnen. Alle Episoden gebündelt findest du zum Beispiel unter www.her-career.com/podcast. Wir sind glücklich und stolz, dass du ein Teil der herCareer Community bist. Danke, dass du anderen zuhörst, um uns alle weiter zu bringen. So klingt female Empowerment.
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