Wach denken: für einen zeitgemäßen Vernunftgebrauch
Shownotes
Wie wäre es, wenn unsere heutige Speakerin all Ihre Probleme ganz widerspruchsfrei lösen könnte? Wir müssen Sie enttäuschen: im Gespräch mit Susanne Klingner nennt Rebekka Reinhard diese Vorstellung von Problemlösung „Computer-Logik“: die irrationale Rationalität, in der immer nur Entweder – Oder gilt. Doch ein solches Denken sieht an der Realität vorbei und liefert uns den Zwängen der Eindeutigkeit aus. Es macht uns nicht klüger – und erst recht nicht glücklicher. Das Beharren auf Gegensätzen wie Problem oder Lösung, Erfolg oder Scheitern, echt oder Fake, Mann oder Frau lässt unsere Vernunft verblöden.
Themen: Philosophie | Digitaler Kapitalismus | Binarität | Authentizität
Angaben zur Referentin: Dr. Rebekka Reinhard ist freie Philosophin. Sie promovierte 2011 an der Freien Universität Berlin über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Seit 2007 ist sie Speakerin für Unternehmen zu Themen Führung, Women Power, Ethik und Digitalisierung und seit 2019 auch stellvertretende Chefredakteurin der Philosophie-Zeitschrift „Hohe Luft“. Die Spiegel-Bestseller-Autorin ist einem breiten Publikum bekannt durch Sachbücher wie „Die Sinn-Diät“ (2009), „Würde Platon Prada tragen?“ (2011) und die „Kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“. Im Herbst 2020 erscheint ihr neues Buch „Wach denken: für einen zeitgemäßen Vernunftgebrauch“.
Über den Podcast der herCAREER: Sie sind hier richtig, wenn Sie diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarkpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören wollen. Lernen Sie dabei von Role Models, Expert:innen und Insidern und nehmen Sie wertvolle Anregungen für Ihre eigene Karriereplanung mit. Mit herCAREER Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein. Besuchen Sie uns auf her-CAREER.com und lernen Sie uns besser kennen.
herCAREER Voice ist eine Produktion von hauseins für herCAREER – die Plattform für die weibliche Karriere. Projektleitung: Natascha Hoffner Redaktion und Produktion: Miku Sophie Kühmel Sprecherin: Susanne Klingner
Transkript anzeigen
herCareer Voice mit Dr. Rebekka Reinhard
00: 00:00-0 Moderation: Herzlich willkommen zum herCareer Voice Podcast. Sie sind hier richtig, wenn Sie diverse und vor allem weibliche Perspektiven auf arbeitsmarktpolitische, gesellschaftliche und wissenschaftliche Themen hören wollen. Lernen Sie dabei von Rolemodels, ExpertInnen und Insidern und nehmen Sie wertvolle Anregungen für Ihre eigene Karriereplanung mit. Mit herCareer Voice fangen wir vielfältige Sichtweisen ebenso wie ganz persönliche Einblicke und Erfahrungen spannender Frauen ein. Von der herCareer Expo live und aus der herCareer Community.
00: 00:41-0 Susanne Klingner: Stellen Sie sich vor, wie wäre es, wenn unsere heutige Speakerin all ihre Probleme ganz widerspruchsfrei lösen könnte? Ich muss Sie enttäuschen, Rebekka Reinhard nennt diese Vorstellung von Problemlösung Computerlogik, die irrationale Rationalität, in der immer nur entweder oder gilt. Doch ein solches Denken geht an der Realität vorbei und liefert uns den Zwängen der Eindeutigkeit aus. Es macht uns nicht klüger in erst recht nicht glücklicher. Das Beharren auf Gegensätzen wie Problem oder Lösung, Erfolg oder Scheitern, echt oder fake, Mann oder Frau lässt unsere Vernunft verblöden, sagt sie. Dr. Rebekka Reinhard ist freie Philosophin. Sie promovierte 2011 an der freien Universität Berlin über amerikanische und französische Gegenwartsphilosophie. Seit 2007 ist sie Speakerin für Unternehmen zu den Themen Führung, Womenpower, Ethik und Digitalisierung. Und seit 2019 ist sie stellvertretende Chefredakteurin der Philosophiezeitschrift „Hohe Luft“. Die Spiegel Bestseller Autorin ist einem breiten Publikum bekannt durch Sachbücher wie „Die Sinndiät“ von 2009, „Würde Platon Prada tragen“ von 2011 und „Die kleine Philosophie der Macht (nur für Frauen)“. Im Herbst 2020 erschien ihr neues Buch „Wachdenken, für einen zeitgemäßen Vernunftgebrauch“.
00: 02:04-3 *Musik*
00: 02:15-7 Susanne Klingner: Herzlich willkommen Rebekka.
00: 02:16-1 Rebekka Reinhard: Ich freue mich sehr, ich begrüße Sie, begrüße euch alle ganz herzlich. Freu mich, dass ihr euch für die Philosophie interessiert. Das ist nämlich total wichtig.
00: 02:27-6 Susanne Klingner: Ja, gleich mal eine Ansage am Anfang. Wir steigen auch hochphilosophisch ein. Also dein Titel nimmt ja ganz offen und aggressiv Bezug auf die Aufklärung. Also Kantscher Imperativ, wo es um Selberdenken, um Vernunftgebrauch und so weiter geht. Die Aufklärung ist halt auch schon eine ganze Weile her, ist das Buch quasi von dir so ein Statement, wir brauchen eine neue Aufklärung?
00: 02:52-6 Rebekka Reinhard: Also das wäre mir ein bisschen zu banal, zu sagen, wir brauchen eine neue Aufklärung, weil Wachdenken, mittlerweile lässt das ja auch so ein bisschen diesen Vogueism, wer es kennt, assoziieren. Ja, diese ideologische Art sozusagen aufgeklärt zu sein, wo zum Beispiel auch Querdenkerei und so weiter drunter fiele. Also das wäre mir zu platt, zu sagen, wir brauchen eine neue Aufklärung. Wieso brauchen wir immer eine Neuauflage von etwas, was es schon gab? Ich glaube aber dennoch, dass die Aufklärung eine wichtige Tradition natürlich darstellt, um sich klarzumachen, worum es auch heute gehen sollte, nämlich wirklich selbst zu denken. Aber selbst zu denken jetzt nicht wie im 18. Jahrhundert, sondern wie im dritten Jahrtausend. Und das heißt, seine Inspirationen ganz eklektizistisch aus den verschiedensten Richtungen sich zu holen, immer wieder die Perspektive zu wechseln und vor allen Dingen nicht kleben zu bleiben nur allein an der Ratio, sondern auch mal sein Herz einzuschalten. Das ist mir ein ganz wichtiges Anliegen.
00: 03:55-8 Susanne Klingner: Du prägst in dem Buch einen sehr netten Begriff, nämlich die Verblödung der Vernunft. Magst du kurz erklären, was du damit meinst?
00: 04:06-5 Rebekka Reinhard: Genau. Also verblödete Vernunft, mein Hauptgegner in diesem Buch. Die verblödete Vernunft, damit meine ich nicht, dass wir alle immer blöder werden heute, zum Beispiel durch Digitalisierung, Smartphones. Die, die Kinder haben, die wissen, das Problem, verblöden unsere Kinder, digitale Demenz. Manfred Spitzer huhu und so. Nein, also darum geht es nicht. Ich glaube, unsere Vernunft verblödet in dem Sinne, als wir zwar einerseits total rational alle drauf sind, aber wir verkürzen das, was unsere Ratio könnte auf so eine Art binäres 0 oder 1, schwarz oder weiß, entweder oder, ja. Ich dekliniere das so ein bisschen durch in diesem Buch anhand von vier für mich wirklich paradigmatischen Beispielen. Erstens Erfolg oder Scheitern, Problem oder Lösung. Also Problem oder Lösung vielleicht das Paradigma schlechthin. Also wer keine Lösung hat, hat ein Problem. Und so weiter. Und dann natürlich Mann oder Frau, echt oder fake. Und ich glaube, wenn wir wirklich, also wenn wir auch an den Standort Deutschland denken und jetzt sehen, wie viel wir gelernt haben auch in Corona, wie es mit unserer Innovationsfähigkeit tatsächlich ausschaut, nämlich sehr schlecht, dann müssen wir als erste Mal diese verblödete Vernunft aufbrechen und daraus unsere Hirne öffnen und unsere Herzen, hoffe ich.
00: 05:35-3 Susanne Klingner: Was ist deine Diagnose, warum verkürzen wir alles auf dieses entweder oder?
00: 05:38-8 Rebekka Reinhard: Weil es schnell geht. Also meine Diagnose ist tatsächlich, ich starte tatsächlich mit dem 11. September. Ich habe so das Gefühl, der 11. September war auch insofern eine Zäsur, als wir seitdem nur ständig Breaking News Spender haben. Überall alles ist Breaking News. Und diese Gleichzeitigkeit an Katastrophenmeldungen, an interessanten Meldungen, an wahnsinnig stupiden blöden Meldungen, die prasselt natürlich unaufhörlich auf unsere armen Gehirne ein und droht sie zu deformieren. Also wollen wir Einfachheit, wir wollen ein ganz simples klares Denken. Wir wollen die Lösung. Und es ist nicht so, dass selbst denken das neue schlau ist, leider, wofür ich wäre, sondern schnell ist das neue schlau und neu ist das neue schlau. Und das, glaube ich, treibt uns in den Abgrund.
00: 06:33-4 Susanne Klingner: Aber eigentlich zeigt ja die Forschung schon sehr eindeutig, dass dieses schnell Denken zu mehr Fehlern, zu, ja, dass man erschöpfter ist, dass man dumme Entscheidungen trifft. Aber warum bleiben wir so dabei? Also warum wissen wir es nicht besser? Also es gibt ja eigentlich beide Trends. Also alles immer schneller und andererseits eben Vogue, hast du schon erklärt, wo man ja doch die Kompliziertheit der Welt anerkennt. Aber man entscheidet sich dann doch immer wieder dafür.
00: 07:04-8 Rebekka Reinhard: Ich glaube nicht, dass man sich entscheidet. Ich glaube ganz einfach, dass wir halt auch in einem System leben, um jetzt auch mal diese Metapher zu bemühen, in einer Gesellschaft, der nämlich in einem neoliberalen, kapitalistischen System oder auch in einer liberalen, pluralistischen Demokratie, die einfach auch uns darauf von kleinauf konditioniert, schnell zu sein, gut zu sein, wettbewerbsfähig zu sein. Und ich meine, es fängt ja auch schon im Kindergarten an, sei gut, sei schnell, sonst kriegst du keine Eins. Und es sind verschiedene Faktoren, die einfach da unsere Bedingungen prägen und ich glaube tatsächlich schon, obwohl ich überhaupt kein Feind, im Gegenteil, bin von Digitalisierung, also ich denke mir, was hätten wir getan ohne unsere ganzen Geräten jetzt in Corona auch, wir hätten einander total verloren. Also auch zueinander konnten wir ja nur in Resonanz treten virtuell. Aber es ist natürlich so, ich habe, bevor ich anfange selbst zu denken, zücke ich schon mein Smartphone und google den Begriff, den ich gerade suche. Und insofern haben wir so ein bisschen so eine Hightech-Ratio-Bequemlichkeit uns angewöhnt und ja da wieder rauszugehen, das ist ja die Mission meines Lebens.
00: 08:20-7 Susanne Klingner: Warum bist du auf diese Mission gegangen? Also hast du das Gefühl, wir verpassen irgendwie was, wenn wir eben immer nur diesen Impulsen nachgehen?
00: 08:30-0 Rebekka Reinhard: Ja.
00: 08:30-6 Susanne Klingner: Was denn?
00: 08:31-9 Rebekka Reinhard: Unser Leben. Das Leben ist kurz, wusste schon Seneca und es geht sehr schnell. Am Anfang ist es alles noch total easy, wenn man sieben ist, diese riesen Weite, Jahre, ein Tag ist wie ein Jahr. Ja so, zack. Ich gehe auf die 50 zu, zack die Jahre wie Tennisbälle. Ist wie beim WimbletonMatch. gerade auch in Corona, wir haben alle total irgendwie so auch das Zeitgefühl verloren und zack. Also ich meine, was zählt am Ende? Was zählt am Ende? Ich habe sehr viele Jahre als Konsiliarphilosophin in der Klinik gearbeitet und auch mit onkologischen Patienten, mit Krebspatientinnen, die auch wirklich am Ende ihres Lebens dann tatsächlich standen. Und was zählt am Ende, was habe ich gelernt? Ja ist doch klar, am Ende zählt, dass man in seinem Leben Liebe gehabt hat. Und das ist der wahre Erfolg. Und dass man vor allen Dingen auch ein einigermaßen reines Gewissen hat. Das muss man einfach ganz pathetisch sagen. Und das sind so die wichtigen Werte, und das geht halt schnell. Und wenn ich halt sehe, ich bin halt nur immer dabei, Lösungen zu finden für irgendwelche Probleme oder alles halt nach Skript zu machen, dass ich einen tollen Lebenslauf habe und dass ich in diese Unternehmen komme und dass ich auch in diese Führungsposition komme, das ist wichtig, das ist auch wichtig, aber es ist nicht alles.
00: 09:56-4 Susanne Klingner: Jetzt hast du gerade schon das Stichwort Erfolg gesagt und hast so gemacht, Erfolg. Tatsächlich ist in deinem Buch ja auch ein Kapitel zum Thema Scheitern, Erfolg. Ist ja auch so eine Dichotomie.
00: 10:05-2 Rebekka Reinhard: Richtig.
00: 10:06-8 Susanne Klingner: Also dieses ja nein, entweder oder. Dieses, du argumentierst, dass diese Computerlogik, also ja nein, 0 1, dieses Heldsein oder nicht total schädlich für uns ist. Und jetzt sind wir ja hier auf einer Berufsmesse und es geht ganz viel… also ich glaube, alle, die hier rumlaufen, machen sich Gedanken gerade darum, was ist für mich ein erfolgreiches Berufsleben oder ein erfülltes Berufsleben? Warum ist es schädlich, wie wir momentan eben so Erfolg messen, scheitern.
00: 10:37-2 Rebekka Reinhard: Ja, also ich meine, ich nehme mich da nicht aus, ich bin auch total ambitioniert, um nicht zu sagen, von Ehrgeiz zerfressen. Ich will die Philosophie an jeden Menschen hier bringen und alles, aber trotzdem ist ganz klar, die wichtige Frage ist natürlich aus philosophischer Sicht, was ist denn wirklich Erfolg? Aus philosphischer Sicht ist Erfolg, ein gelungenes Leben zu haben. Und zu dem ich selbst beitrage, das aber auch natürlich viel mit Zufällen zu tun hat. Es hat sehr viel mit Ethik zu tun. Ein gutes Leben heißt, ein gelungenes Leben heißt auch, gutes tun, nicht nur für mich, sondern auch für andere und so weiter. Und ich glaube, heute ist halt das Problem, das ist ja so neu nicht, aber es nimmt halt immer stärkere Ausmaße an, dass wir halt Erfolg nur in Zahlen messen, also es ist metrisierbar, ich habe Ratings, ich habe Rankings. Das ist ja sogar an der Uni so, also aus dem Bereich, aus dem ich komme, die wichtigen Nachwuchsprofs und -professorinnen die sitzen nicht daheim und brüten ihre neue Kritik der reinen Vernunft aus, die haben überhaupt gar keine Zeit dazu, im stillen Kämmerlein zu sitzen, mal so in Ruhe ein bisschen einen klaren Gedanken zu fassen. Was machen sie? Nein, sie jetten um die Welt, sind auf internationalen Konferenzen, veröffentlichen permanent ein Paper nach dem anderen und am Ende ist es die Anzahl, wieviele Papers habe auch, wieviele habe ich verkauft, wieviel habe ich gemacht? Man denke auch an die YouTube-Millionäre, Influenzerinnen, es ist nur die Anzahl der Likes und Klicks und das ist halt sehr arm, also insgesamt, was jetzt insgesamt unsere Möglichkeiten auch als Menschen betrifft, denke ich.
00: 12:11-4 Susanne Klingner: Das heißt, du sagst, so im Berufsleben wird alles am Ende auf Ziffern runtergebrochen?
00: 12:17-2 Rebekka Reinhard: Richtig, ja.
00: 12:16-9 Susanne Klingner: Okay und daran wird dann einfach Erfolg gemessen oder nicht.
00: 12:19-9 Rebekka Reinhard: Ja.
00: 12:20-6 Susanne Klingner: Und jetzt mal so ketzerisch gefragt, was ist das Problem daran? Also warum ist nicht jemand erfolgreicher, der mehr verkauft zum Beispiel oder mehr Vorträge hält oder so?
00: 12:31-5 Rebekka Reinhard: Also absolut. Ich habe überhaupt nichts dagegen, jedesmal einen Bestseller zu schreiben, ich finde das super wichtig, Zahlen sind nicht per se schädlich, aber wenn das das einzige Kriterium ist und der Rest ist wirklich so fake und pseudo, dann muss ich halt echt sagen, schlimm. Und darf ich noch was sagen oder wolltest du zur nächsten?
00: 12:51-6 Susanne Klingner: Nein, du kannst immer reden.
00: 12:52-8 Rebekka Reinhard: Okay. Nein, mir fällt nur gerade ein Beispiel ein, weil ich gerade den Economist letzte Woche, also den jetzt noch, glaube ich, aktuellen, die aktuelle Ausgabe, wer sie hat, so ein gelbes Cover ist und das finde ich ein sehr interessantes Thema, da geht es um die Bedrohung der illiberalen Linken. Also das ist jetzt mehr so ein politisches Thema, aber in einem dieser Artikel geht es darum, wie Unternehmen jetzt auch gerade seit Corona versuchen, sozusagen Kundenbindung zu betreiben und den Begriff, den der Economist da wählt ist Corporate Vogueism(?). Damit ist gemeint, das Praktische und was jetzt auch uns betrifft, uns Frauen, dass Unternehmen heute die eignen sich praktisch unsere Themen an. Also ob das jetzt female Empowernment ist, ob das Selbstverteidigungskurse sind, ob das Diversity ist und so weiter, schreiben sich das auf die Fahnen und sagen, also jetzt platt, kauft unsere Produkte, wir tun was für euch. Und die Frauen alle, ja, yeah und ich mache einen Schminkkurs und das hilft mir, voll empowert zu sein, alles ist super, ja. Vergessen darüber eher, es ist nicht ganz vielleicht der richtige Weg, sondern es gibt auch noch was anderes als Selbstverteidigungskurs beim Kosmetikkonzern kostenlos abzugreifen, anschließend verführt zu werden, die Produkte zu kaufen, sondern ich kann mich schminken, ich schminke mich auch sehr gern, aber es ist wichtig, was eigenes zu haben, und mich authentisch mit gleichgesinnten zusammenzuschließen und mich sozusagen nicht vereinnahmen zu lassen von irgendjemandem, dem es am Ende dann wieder doch nur um Zahlen geht.
00: 14:34-1 Susanne Klingner: Das heißt, wenn ich es richtig verstehe, die Person verschwindet einfach dann hinter diesen ganzen Zahlen, wenn es immer nur am Ende um /unverständlich/
00: 14:41-5 Rebekka Reinhard: Und die Sache und die Sache, na klar.
00: 14:44-7 Susanne Klingner: Früher galt ja tatsächlich ein erfolgreiches Leben, wenn man so wenig wie möglich, also wirklich sehr viel früher, so wenig wie möglich gearbeitet hat. Also erfolgreiche Menschen oder Philosophen zum Beispiel im alten Griechenland hat man daran erkannt, dass sie sehr sehr wenig gearbeitet haben oder gar nicht gearbeitet. Wann hat das überhaupt angefangen, dass Erfolg vor allen Dingen mit Masse, also mit viel viel viel, also seien es eben Verkäufe, Reisen, Mitarbeiter, die an einen reporten müssen oder so, wann hat das angefangen diese Entwicklung?
00: 15:15-2 Rebekka Reinhard: Ja klar, also ich meine, das ist natürlich letzten Endes, sagen wir mal, eine Art Zivilisationskrankheit, das hat begonnen mit der Industrialisierung und sich dann fortgesetzt. Jetzt sind wir im digitalen Kapitalismus, wie manche das sagen und insofern gibt es viele, nicht nur Philosophen, Philosophinnen, sondern auch Soziologinnen und Soziologen, die überhaupt dieses ganze Fortschrittsdenken, das letztlich auch tatsächlich schon mit der Aufklärung begonnen hat, kritisieren. Weil Fortschritt, auch da ist wieder die Frage, Fortschritt wozu? Also ich meine, ich kann und soll natürlich in meiner Karriere voranschreiten, mich auch entwickeln als Persönlichkeit, aber am Ende ist halt immer die Frage, wozu? Und jetzt sind wir wirklich natürlich an so einem Punkt, was jetzt zum Beispiel auch die Klima… also was heißt, vor allen Dingen auch die Klimaproblematik betrifft, die uns nicht mehr so viel Wahl lässt. Weil sie uns einfach nicht mehr so viel Zeit lässt, jetzt zu überlegen, da eine Antwort zu finden, was ist Fortschritt. Und vielleicht ist ja nicht die Zahl jetzt mehr der wahre Fortschritt, sondern tatsächlich der Verzicht. Und dann müssten wir eben auch da wieder ein bisschen wach denken und ein bisschen einen Perspektivwechsel vollziehen und fragen, auf was wollen wir, können wir verzichten und wozu und sind wir in der Lage, von unserem eigenen Ego zu abstrahieren und mal so ein bisschen auch in größeren Zusammenhängen zu denken. Also in Zusammenhängen von Tradition und Nachwelt, die nach uns kommen. Also das ist jetzt schon ziemlich ernst alles.
00: 16:52-5 Susanne Klingner: Ja. Aber wahrscheinlich ist das große Problem, dass wir eigentlich, also wir sehen die Probleme ja schon sehr viel länger und gleichzeitig wie du auch gesagt hast, die Digitalisierung ist dann gekommen und die hat ja auch mit sich gebracht, dass wir alles in Zahlen ausdrücken können.
00: 17:05-3 Rebekka Reinhard: Ganz genau.
00: 17:05-8 Susanne Klingner: Also dass man wirklich jeden Schritt der Automatisierung, also man kann alles einfach zählen so. Und das ist wahrscheinlich einfach auch verlockend, weil man so ein Gefühl von Kontrolle hat.
00: 17:15-4 Rebekka Reinhard: Ich kann es messen, das ist das praktische an Zahlen, ganz klar.
00: 17:19-1 Susanne Klingner: Aber du sagst auch, wir werden zu, also das ist auch wieder ein Begriff aus dem Buch, wir werden zu Laborratten. Beschreibe mal was du damit so genau meinst, warum haben wir dann so ein Laborrattendasein?
00: 17:32-9 Rebekka Reinhard: Ja, also ich verbinde in dem Buch, also wie gesagt, meine Kritik an dem Schwarzweißdenken, an dem Entweder-oder, entweder Mann, entweder Frau, entweder Erfolg oder Scheitern, entweder Problem oder Lösung, also meine These, mit der Konditionierung nach Skinner, ich muss mal bisschen ausholen. Vielleicht kennt die ein oder andere noch Skinner und seine lustigen Taubenversuche aus dem Schulunterricht. Also er ist der Erfindung quasi der Operantenkonditionierung, nach dem Prinzip Belohnung und Bestrafung. Das Interessante ist, dass dieser Skinner in den 50er Jahren, also zu Beginn auch des Computerzeitalters, auch zu Beginn der Digitalisierung eine ganz wichtige Rolle gespielt hat bei Tech-Konzernen, als es eben um das Programmieren dieser Systeme ging und dasselbe Prinzip natürlich, Belohnung und Bestrafung, ist zum Beispiel auch das Prinzip von SocialMedia. Entweder Like oder Shitstorm und so wachsen unsere Kinder auf und so wachsen wir auf, ja, es ist wahnsinnig verführerisch, es macht uns zu Junkies, das macht uns zu Laborratten, so eben meine These. Und vielleicht auch noch ein interessanter Punkt, das auch, finde ich, viel zu wenig bekannt ist, dazu empfehle ich allen, ja auch gerade die vielleicht Kinder haben oder die sich selbst sehr interessieren, /unverständlich/ diesen wilden Typen kennt ihr vielleicht, kennen Sie vielleicht, eigentlich steht er für Google, ich glaube, er ist immer noch für Google tätig oder Microsoft, jedenfalls einen von diesen Big Five, aber er ist gleichzeitig auch Künstler, er ist Didgeridoo-Spieler, er hat ganz lange Dreadlocks. In der Literaturliste meines Buches findet ihr den Tipp von /unverständlich/ und er macht uns eben darauf aufmerksam, dass dieses selbe Prinzip Belohnung, Bestrafung natürlich ganz klar auch aus der Glücksspielindustrie kommt. Und daran muss man auch immer wieder erinnern. Wir sind in einem einzigen riesigen Metaspiel, habe ich oft so das Gefühl. Es ist alles das Casino des Erfolges. Und wie gesagt, Erfolg ist gut und wichtig und jetzt sind hier gerade keine ganz jungen Frauen, aber gerade den jungen Frauen sage ich immer, passt auf, ihr seid keine Jetons oder so. Wir sind natürlich alle total jung, aber wir sind jetzt keine 18 mehr, will ich sagen, oder lüge ich?
00: 19:56-9 Zwischenruf: /unverständlich/
00: 20:00-8 Rebekka Reinhard: Okay, wir sind alle 18 at heart of course, yes Baby. Nein nein. Und wir bleiben auch so, weil wir auch wach sind und wir sind lebendig und es ist so wichtig, gerade in Deutschland ein bisschen mehr lachen, ein bisschen mehr Leichtigkeit, ein bisschen mehr Liebe. Ja auch das sind Plädoyers, die da in diesem Buch drinstecken, so.
00: 20:19-0 Susanne Klingner: Ja, obwohl du ja total den Überblick hast, also du hast ja das System durchschaut, wie man anhand deines Buches sieht, findest du dich trotzdem manchmal in so Situationen…
00: 20:28-1 Rebekka Reinhard: Natürlich, selbstverständlich.
00: 20:29-7 Susanne Klingner: … oder Lebensphasen wieder, wo du sagst, ich bin hier die absolute Laborratte?
00: 20:33-5 Rebekka Reinhard: Permanent, ja. Und deswegen ist es mir eben auch so wichtig, weil wir gerade gesagt haben, Humor und Leichtigkeit. Ich glaube, was wir ganz wichtig und dringend alle lernen sollten, also wäre jedenfalls mein Tipp, statt entweder oder so eine bestimmte Art auch ironischer Weltwahrnehmung. Ironie wird auch in Deutschland oft sehr falsch verstanden, hat nichts mit Sarkasmus und Zynismus zu tun, es ist eine spezielle ambivalente, ambigue Art und Weise, wirklich die Welt zu betrachten, über sich selbst zu lachen und so ein bisschen so eine spielerische Haltung einzunehmen. Erinnert euch an Shakespeare, all the world is stage. Die ganze Welt ist eine Bühne. Ich sage euch, das ist das Geheimnis meines Erfolges, meines Erfolges. Es ist alles ein Spiel, aber wir sind nicht im Casino und nicht die anderen sollten die Casinodirektoren sein, sondern wir sind die Direktorinnen unseres eigenen Lebens. Wenn wir selber ein bisschen spielen, aber gleichwohl nicht die Ernsthaftigkeit verlieren. Aber das ist viel energiesparender und viel resilienzfreudiger und Work-Live-Balance-freudiger, ein bisschen so eine spielerische Haltung zu haben, wie immer verkrampft und humorlos durchzustarten, also würde ich mal meinen.
00: 21:43-8 Susanne Klingner: Hast du so ein konkreter Beispiel dafür, wie das aussehen kann? Also was weiß ich, vielleicht irgendein Konflikt im Berufsleben oder Vorstellungsgespräch, nächster Schritt oder so?
00: 21:53-4 Rebekka Reinhard: Ja, jetzt hier zum Beispiel während wir sprechen. Ich freue mich drauf, ich freue mich, jetzt hier mit dir zu sprechen, ich freu mich auch, Sie, ich freue mich, euch zu sehen, überhaupt echte Menschen zu sehen, in echte Augenpaare schauen zu dürfen, ja, und das macht mir Spaß. Und natürlich mache ich eine Performance, das ist mir völlig klar, aber gleichwohl ist es mir ganz ganz ernst und ehrlich. Weil ich glaube, wir brauchen mehr Gefühle und wir brauchen mehr wirklich Echtheit. Und jeder von uns ist anders. Und manche sind anstrengend und manche sind halt mehr lieb, aber das ist Wurst. Und niemand kann sozusagen alle mögen und wir können einander alle nicht lieben, weil wir sind halt nunmal sehr verschieden und divers, aber es ist halt wichtig, dass man sich nicht verliert. Und genauso auch bei Konflikten, wie du sagst, auch gerade in stressigen Situationen. Also ich meine, worum geht es? Ich meine, wir sind nicht in Theresienstadt, wir sind in einer riesig privilegierten Lage und das muss uns immer klar sein. Was haben wir zu verlieren? Wir fallen immer noch weich und wir haben in Deutschland große soziale Probleme mit gesellschaftlicher Spaltung und so weiter, aber mein Gott. Also wir sind nicht in Afghanistan und es lohnt sich, so viel zu kämpfen und wir können so viel wachsen, wenn wir ein bisschen auf uns aufpassen und miteinander kämpfen, dann geht es leicht mit der spielerischen Haltung.
00: 23:12-8 Susanne Klingner: Der zentrale Lösungsansatz steht ja auch vorne drauf ist für dich das Wach-Denken. Magst du noch mal so genauer sagen, was genau verstehst du unter Wach-Denken?
00: 23:23-7 Rebekka Reinhard: Also wie gesagt, das ist für mich nicht ein rein rationales Denken, sondern ein Denken, das Vernunft mit Herz verbindet. Und Paradoxien zulässt, immer wieder neue Perspektivwechsel wagt und das vor allen Dingen fußt auf drei Tugenden, ich nenne sie auch Untugenden in meinem Epilog des Buches. Damit meine ich eine bestimmte Haltung auch und diese drei Untugenden, die potentiell natürlich total anarchisch sind, wenn wir jetzt auch an die Welt der Unternehmen denken oder der Großkonzerne. Das ist einmal Leichtigkeit, Liebe und Gegenwärtigkeit. Und das sind uralte Tugenden oder Untugenden, die finden wir im Buddhismus in der fernöstlichen Philosophie, wir finden sie bei den Stoikern, Gegenwärtigkeit, Leichtigkeit, Liebe. Und ich glaube, das ist alles und das hilft uns, uns sozusagen zu reprogrammieren, unser System neu zu starten, und immer wieder anders und immer wieder neu zu denken. Und denken ist wichtig. Und vor allen Dingen eben dieses selber denken, wie ja Kant auch schon gesagt hat.
00: 24:29-9 *Musik*
00: 24:38-0 Moderation: Wenn Sie jetzt Lust bekommen haben, in die Unterhaltung einzusteigen, dann besuchen Sie uns auf der nächsten herCareer Expo in München und netzwerken Sie zusammen mit tausenden ExpertInnen aus den verschiedensten Branchen und Fachbereichen. Oder fangen Sie gleich von zu Hause aus an, zum Beispiel über www.hercareer-lunchdates.com. Ob virtuell oder im Reallife, wir vernetzen Sie gern. Wenn Sie gerade eine neue Herausforderung suchen, dann probieren Sie unbedingt www.hercareer-jobmatch.com aus. Bei Fragen zum Podcast schreiben Sie uns einfach eine Mail an podcast@her-career.com. Abonnieren Sie den herCareer Voice Podcast auf iTunes, Spotify oder wo immer Sie Ihre Podcasts hören und empfehlen Sie uns an Ihre liebsten KollegInnen. Alle Episoden gebündelt finden Sie zum Beispiel unter www.her-career.com/podcast. Wir sind glücklich und stolz, dass Sie ein Teil der herCareer Community sind. Danke, dass Sie anderen zuhören, um uns alle weiter zu bringen. So klingt female Empowerment.
Neuer Kommentar